Augsburger Allgemeine (Land West)
Anleger suchen das Haar in der Suppe
Kolumne Momentan ist die Stimmung am Aktien- und Weltmarkt getrübt
Z urzeit wird ein giftiger AktienCocktail serviert. Alles Positive wird ignoriert und stattdessen jedes noch so kleine Haar in der Suppe dramatisiert. Die Baisse nährt die Baisse. Zunächst vermiest die Angst vor einer weltweiten Wirtschaftseintrübung wegen des von Trump losgetretenen US-chinesischen Handelskriegs die Anlegerlaune. Dieses Szenario träfe auf eine völlig überschuldete Weltwirtschaft, die zeitgleich mit zuletzt gestiegenen US-Leit- und Kreditzinsen selbst die USA in finanzielle Schwierigkeiten bringen könnte. Garniert wird das aktuelle Schreckensbild mit dem Super-GAU einer italienischen Schuldenkrise, die europäisch streut. Damit steckt die EZB in der Italien-Zwickmühle. Bleibt sie bei ihrem avisierten Ausstieg aus den Anleihekäufen, gießt sie Öl in das lodernde Feuer einer neuen Schuldenkrise. Lässt sie geldpolitische Gnade vor Stabilitätsrecht ergehen, gibt sie Italien einen Blankoscheck.
Der Stopp ihrer Anleiheaufkäufe von monatlich 15 Milliarden Euro zum Jahresende bleibt zwar das Basisszenario der EZB. Dennoch hat man auf der letzten Sitzung auf einen formalen Beendigungsbeschluss verzichtet. So ermöglichen wirtschaftliche Verwerfungen – etwa ein „harter“No-Deal-Brexit – ebenso einen geldpolitischen Zeitgewinn wie handelsseitige Konjunkturrisiken, die europäische Exportländer beeinträchtigen.
Insofern kommt die nachgebende Stimmung im verarbeitenden und Dienstleistungsgewerbe der EZB gerade recht. Insgesamt kann Draghi damit auch die Italien-Krise besänftigen, ohne dem Thema zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Denn eine offizielle Hilfe für Italien kann er nicht aussprechen.
Ohnehin hat sich die EZB festgelegt, ihre „Leitzinsen mindestens über den Sommer 2019 und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf dem aktuellen Niveau“zu belassen. Dabei signalisieren deutlich abwärts gerichtete Inflationserwartungen, denen die tatsächlichen Inflationsdaten mit Verzögerung folgen, dass die Preissteigerung in der Eurozone ihren vorläufigen Höhepunkt im September erreicht hat. Eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten ist nicht in Sicht.