Augsburger Allgemeine (Land West)

Problemfel­d Fußballpla­tz

Fußball Im Bezirk Schwaben wurden in der laufenden Saison bereits sieben Spiele abgebroche­n. Auslöser sind mitunter Kleinigkei­ten. Der Konfliktma­nager des BFV gerät an Grenzen

- VON MAX KRAMER UND JOHANNES GRAF

Vielleicht hatte Sepp Herberger doch nicht ganz recht. Rund ist er, der Ball. Aber dass ein Spiel immer 90 Minuten dauert, stellen die jüngsten Zwischenfä­lle auf den Fußballplä­tzen in Schwaben infrage. Meldungen über Spielabbrü­che häufen sich merklich. Allein im Kreis Augsburg waren am vergangene­n Wochenende zwei Partien frühzeitig beendet, weil eine Mannschaft sich benachteil­igt sah und das Spielfeld verließ. In der B-KlassenPar­tie gegen den SV Gold-Blau II gingen die Spieler von PSV Augsburg vom Feld, im Kreisligas­piel gegen den TSV Zusmarshau­sen die Fußballer von Suryoye. Hier wurde sogar die Polizei gerufen (wir berichtete­n).

Bei den weiteren fünf Spielabbrü­chen der laufenden Saison im Bezirk Schwaben sah sich jeweils der Schiedsric­hter gezwungen, das Spiel wegen Drohungen oder Handgreifl­ichkeiten zu beenden. Der Bayerische Fußball Verband (BFV) beobachtet die Entwicklun­gen mit Sorge. Augsburgs Kreisspiel­leiter Reinhold Mießl betont: „Der Respekt vor Schiedsric­htern wird immer weniger, vor allem in den vergangene­n zwei Jahren.“Früher seien solche Vorfälle nur vereinzelt vorgekomme­n.

„Ich bin auch Südländer, aber ich kann mich beherrsche­n.“BFV-Konfliktma­nager Ismail Demir

„Heute passiert leider beinahe jede Woche etwas“, so Mießl.

Von den drei Spielkreis­en im Bezirk Schwaben (Allgäu, Donau, Augsburg) blieb bislang das Allgäu von Abbrüchen verschont.

Einen möglichen Grund sieht Mießl in der höheren Anzahl an Vereinen mit überwiegen­d ausländisc­hen Spielern im Stadtberei­ch. „Natürlich gehören zu einem Konflikt immer zwei. Fakt ist aber: Wir stellen mehr Ausschreit­ungen bei ausländisc­hen Mannschaft­en fest. Manche Schiedsric­hter wollen nicht mehr in der Stadt pfeifen“, sagt Mießl.

Oft agieren ausländisc­he Spieler auf dem Platz impulsiver und rechtferti­gen dies mit Herkunft und Temperamen­t. Ismail Demir will dieses Argument nicht gelten lassen. „Das gibt es für mich nicht. Ich bin auch Südländer, aber ich kann mich beherrsche­n“, betont Demir. Seit fünf Jahren ist er als Konfliktma­nager des BFV unterwegs.

Er bestätigt, die Aggressivi­tät auf dem Platz habe zugenommen. Konfliktpo­tenzial sieht er in der zunehmende­n Politisier­ung, die die Gesellscha­ft spalte. „Ich versuche, die Politik aus dem Sport rauszuhalt­en. Wenn das passiert, haben wir verloren.“Erschweren­d kommt hinzu, dass allgemein die Reizschwel­le sinkt. Ein falsches Wort – und es eskaliert. „Oft wirken die Auslöser im Nachhinein geradezu lächerlich“, so Demir.

In Einzelgesp­rächen wirkt er auf anfällige Spieler, Trainer und Funktionär­e ein, manchmal trifft er sich privat mit ihnen. Zudem bietet der BFV Gewalt-Prävention­skurse an. Demir agiert als Einzelkämp­fer, sein Wunsch wäre ein weiterer Konfliktma­nager in der Region. „Ich kann schließlic­h nicht überall sein“, sagt Demir. Dass Handlungsb­edarf besteht, darin sind sich alle einig. Weil der Verband zunehmend an Grenzen stößt, nimmt Kreisspiel­leiter Mießl die Vereine in die Pflicht.

„Oft muss es erst zu einem Vorfall kommen, damit intern gehandelt wird“, sagt er. Gegen vereinzelt vorgebrach­te Rassismus-Vorwürfe verwehrt sich Mießl, das werde oft vorgeschob­en. Er bekräftigt: „Nichts darf Gewalt rechtferti­gen.“Wichtig sei ihm aber zu betonen, dass es deutlich mehr positive Beispiele von ausländisc­h geprägten Mannschaft­en gebe.

Unter den Vorfällen leidet nicht zuletzt das Schiedsric­hterwesen. Nachwuchs bleibt mitunter fern, weil ihn Anfeindung­en und Angriffe abschrecke­n.

Seit dieser Saison kann die Schiedsric­htergruppe Augsburg die B-Klassen Augsburg Mitte und Nordwest komplett nicht mehr mit Unparteiis­chen besetzten. Dass der Gastgeber den Schiedsric­hter stellt, könnte künftig auch andere Ligen treffen. In rund einem Monat verabschie­den sich die Amateurfuß­baller in die Winterpaus­e. Mießl hofft, dass die Spiele bis dahin gesittet über die Bühne gehen. „Es wird Zeit, dass Dampf aus dem Kessel kommt und sich die Gemüter beruhigen.“

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Symbolfoto: Julian Leitenstor­fer Spielabbrü­che und Handgreifl­ichkeiten – auf den Amateurfuß­ballplätze­n in der Region kommt es immer häufiger zu Zwischenfä­llen.
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