Augsburger Allgemeine (Land West)
Problemfeld Fußballplatz
Fußball Im Bezirk Schwaben wurden in der laufenden Saison bereits sieben Spiele abgebrochen. Auslöser sind mitunter Kleinigkeiten. Der Konfliktmanager des BFV gerät an Grenzen
Vielleicht hatte Sepp Herberger doch nicht ganz recht. Rund ist er, der Ball. Aber dass ein Spiel immer 90 Minuten dauert, stellen die jüngsten Zwischenfälle auf den Fußballplätzen in Schwaben infrage. Meldungen über Spielabbrüche häufen sich merklich. Allein im Kreis Augsburg waren am vergangenen Wochenende zwei Partien frühzeitig beendet, weil eine Mannschaft sich benachteiligt sah und das Spielfeld verließ. In der B-KlassenPartie gegen den SV Gold-Blau II gingen die Spieler von PSV Augsburg vom Feld, im Kreisligaspiel gegen den TSV Zusmarshausen die Fußballer von Suryoye. Hier wurde sogar die Polizei gerufen (wir berichteten).
Bei den weiteren fünf Spielabbrüchen der laufenden Saison im Bezirk Schwaben sah sich jeweils der Schiedsrichter gezwungen, das Spiel wegen Drohungen oder Handgreiflichkeiten zu beenden. Der Bayerische Fußball Verband (BFV) beobachtet die Entwicklungen mit Sorge. Augsburgs Kreisspielleiter Reinhold Mießl betont: „Der Respekt vor Schiedsrichtern wird immer weniger, vor allem in den vergangenen zwei Jahren.“Früher seien solche Vorfälle nur vereinzelt vorgekommen.
„Ich bin auch Südländer, aber ich kann mich beherrschen.“BFV-Konfliktmanager Ismail Demir
„Heute passiert leider beinahe jede Woche etwas“, so Mießl.
Von den drei Spielkreisen im Bezirk Schwaben (Allgäu, Donau, Augsburg) blieb bislang das Allgäu von Abbrüchen verschont.
Einen möglichen Grund sieht Mießl in der höheren Anzahl an Vereinen mit überwiegend ausländischen Spielern im Stadtbereich. „Natürlich gehören zu einem Konflikt immer zwei. Fakt ist aber: Wir stellen mehr Ausschreitungen bei ausländischen Mannschaften fest. Manche Schiedsrichter wollen nicht mehr in der Stadt pfeifen“, sagt Mießl.
Oft agieren ausländische Spieler auf dem Platz impulsiver und rechtfertigen dies mit Herkunft und Temperament. Ismail Demir will dieses Argument nicht gelten lassen. „Das gibt es für mich nicht. Ich bin auch Südländer, aber ich kann mich beherrschen“, betont Demir. Seit fünf Jahren ist er als Konfliktmanager des BFV unterwegs.
Er bestätigt, die Aggressivität auf dem Platz habe zugenommen. Konfliktpotenzial sieht er in der zunehmenden Politisierung, die die Gesellschaft spalte. „Ich versuche, die Politik aus dem Sport rauszuhalten. Wenn das passiert, haben wir verloren.“Erschwerend kommt hinzu, dass allgemein die Reizschwelle sinkt. Ein falsches Wort – und es eskaliert. „Oft wirken die Auslöser im Nachhinein geradezu lächerlich“, so Demir.
In Einzelgesprächen wirkt er auf anfällige Spieler, Trainer und Funktionäre ein, manchmal trifft er sich privat mit ihnen. Zudem bietet der BFV Gewalt-Präventionskurse an. Demir agiert als Einzelkämpfer, sein Wunsch wäre ein weiterer Konfliktmanager in der Region. „Ich kann schließlich nicht überall sein“, sagt Demir. Dass Handlungsbedarf besteht, darin sind sich alle einig. Weil der Verband zunehmend an Grenzen stößt, nimmt Kreisspielleiter Mießl die Vereine in die Pflicht.
„Oft muss es erst zu einem Vorfall kommen, damit intern gehandelt wird“, sagt er. Gegen vereinzelt vorgebrachte Rassismus-Vorwürfe verwehrt sich Mießl, das werde oft vorgeschoben. Er bekräftigt: „Nichts darf Gewalt rechtfertigen.“Wichtig sei ihm aber zu betonen, dass es deutlich mehr positive Beispiele von ausländisch geprägten Mannschaften gebe.
Unter den Vorfällen leidet nicht zuletzt das Schiedsrichterwesen. Nachwuchs bleibt mitunter fern, weil ihn Anfeindungen und Angriffe abschrecken.
Seit dieser Saison kann die Schiedsrichtergruppe Augsburg die B-Klassen Augsburg Mitte und Nordwest komplett nicht mehr mit Unparteiischen besetzten. Dass der Gastgeber den Schiedsrichter stellt, könnte künftig auch andere Ligen treffen. In rund einem Monat verabschieden sich die Amateurfußballer in die Winterpause. Mießl hofft, dass die Spiele bis dahin gesittet über die Bühne gehen. „Es wird Zeit, dass Dampf aus dem Kessel kommt und sich die Gemüter beruhigen.“