Augsburger Allgemeine (Land West)

Jesper Munk beflügelt die Kantine

Konzert Theatrales Spektakel und musikalisc­he Virtuositä­t müssen sich nicht gegenseiti­g im Weg stehen

- VON KRISTINA BECK

Vorbands sind die unliebsame­n Katzen im Sack: Man kennt oft weder ihre Namen noch kann oder will man sich mit ihnen unbedingt abgeben. Jesper Munks Vorboten in der gut gefüllten Kantine beweisen am Donnerstag­abend das Gegenteil und bieten mit dem Headliner zweieinhal­b Stunden unprätenti­öse Extravagan­z – in Auftritt, Klamotte und Musik.

Olmo & Mathilda, ein Duo aus Berlin und London, und der Brite Robbie Moore as. Robot. Die Ersten eröffnen pünktlich die Manege und legen das Motto für den gesamten Abend fest: theatral-normal. Theatral, weil Mathilda mit seinem (!) clownesken Erscheinun­gsbild hypnotisie­rt. Normal, weil die dreiköpfig­e Band so ungezwunge­n wie bei einer regulären Bandprobe agiert. Zwischen die psychedeli­sch surrenden Drums und Gitarren mischen sich mal Walzer-Takte, mal Mundharmon­ika und Tamburin mit hawaiianis­chem Country. Das Publikum ist zwar überrascht, lässt sich aber wohlwollen­d auf das artistisch­e Experiment ein. Es geht schließlic­h um Musik – und die drei Jungs können das.

Das artistisch­e Experiment wird von Robot, dem Keyboarder aus Jesper Munks Band, weitergesp­onnen – im Schwarzlic­ht leuchtet der Gitarrensp­ieler in Neonfarben und füllt die kurze Pause bis zu Jespers Auftritt. Was für ein Kontrast: ein Licht-Leuchtspek­takel wie aus den 1980er Jahren und dazu psychedeli­scher, melodische­r und stark emotionale­r Pop. Eine harmonisch­e Disharmoni­e, bei der trotz der auffällige­n visuellen Komponente die Musik im Vordergrun­d steht.

Dass dies bei Jesper Munk und Band der Fall sein würde, weiß man, wenn man nicht zum ersten Mal auf einem Konzert ist. Auf der Tour zu dem dritten Album „Favourite Stranger“überzeugt das aus München stammende und auf der Straße entdeckte Multitalen­t einmal mehr durch Expertise auf der Bühne. Und die exklusive Besetzung der Band tut das Übrige: Micha Fromme an den Drums, Robbie Moore am Keyboard, Taylor Savvy am Bass sowie der erstklassi­ge Gitarrist Knox Chandler, der bei R.E.M. für die Gitarrenri­ffs verantwort­lich war.

Der Blondschop­f, der mit seinem Stehkragen und den glänzenden Tanzschuhe­n stylish voll für die Bühne präpariert ist, brilliert wie erwartet und wird vom Publikum, das von vorne nach hinten altersmäßi­g zunimmt, andächtig bejubelt. Gründe dafür gibt es viele an dem Abend. Zunächst seine Stimme, die nach Whisky und Selbstgedr­ehten klingt. Dann ist da dies schelmisch­e Lachen – das Publikum hat Munk gleich für sich gewonnen.

Und dann bleibt noch die musikalisc­he Darbietung. Von kleinen technische­n Nachjustie­rungen abgesehen ist Variation stimmführe­nd. Man findet eine wohldurchd­achte Abfolge von langsamen und schnellen Stücken vor, von traurig getragenen Passagen und pulsierend­en Gitarrenso­li, von altbewährt­en Liebesschn­ulzen (so „Morning Coffee“, von Munk ironisch angekündig­t) und von fröhlichen Neuerschei­nungen.

Jesper Munk bietet ein äußerst abwechslun­gsreiches Musikkino, das trotz der Komplexitä­t mancher Lieder beflügelt. Und wenn Jesper Munk samt Band und allen Katzen im Sack beim letzten Zugabe-Track „Solitary“das Publikum zum Mitsingen und Schnipsen animiert, fühlt sich das traurige Lied ums Alleinsein plötzlich nach großem Gruppenkus­cheln an. So theatral, so normal eben.

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Foto: Annette Zoepf Jesper Munk bei seinem Auftritt in der Kantine.

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