Augsburger Allgemeine (Land West)
Grabmäler aus Glas
Auf dem Friedhof an Allerheiligen zeigt sich: Längst gibt es Alternativen zu den gewöhnlichen Grabmälern aus Naturstein. Ganz besondere Modelle stammen aus der Werkstatt eines Kutzenhausers
An Allerheiligen gedenken wir der Verstorbenen. Mittlerweile gibt es viele Alternativen zum Grabmal aus Stein. Besondere stammen aus Kutzenhausen.
Kutzenhausen An Allerheiligen gedenken wir der Verstorbenen. Das hat Tradition. Doch das Bild der Friedhöfe hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Nicht nur, dass immer mehr Verstorbene eingeäschert und in Urnen bestattet werden – auch die Gräber und Gedenksteine werden immer individueller. Es finden sich aufwendig verzierte Grabsteine aus Marmor, Quader aus Edelstahl – und neuerdings auch: Grabmäler aus Glas. Christian Sperger stellt sie in seinem Atelier im Kutzenhauser Ortsteil Buch her. Und das in mühevoller Handarbeit und vermutlich als einziger Kunstglaser in Deutschland.
Auf dem Friedhof in Kutzenhausen steht eines seiner Werke. Eine große Glasplatte mit Aussparung in Form eines Kreuzes. Durch ein spezielles Verfahren finden sich viele Luftbläschen in dem matten Grabmal. Es wirkt wie ein Glas Wasser, in dem Kohlensäure sprudelt. In die große Platte sind kleine rote Glasplättchen eingearbeitet, die nach dem Schmelzen die Form von Rosenblättern haben. „Der Verstorbene war ein Rosenliebhaber“, erklärt Sperger. Deshalb das Muster. Bis das fertige Grabmal auf dem Kutzenhauser Friedhof aufgestellt werden konnte, vergingen viele Wochen. Denn hinter allen Werken des 34-Jährigen steckt eine Menge Handarbeit.
Neben Grabmälern stellt der Kunstglaser zum Beispiel auch Duschwände, Bleigläser oder Glasschalen her. Die Grabmäler sind allerdings besonders aufwendig. Anhand der Wünsche und Vorlieben seiner Kunden fertigt der Kunstglaser eine Skizze des Grabmals an. Danach baut er ein kleines Modell und programmiert genaue Pläne am Computer. Mit ihnen schneidet er eine Schablone aus Karton. Anstatt Stoff wird dann allerdings Glas geschnitten. Je nach Dicke des Grabmals werden verschieden viele Glas- platten aufeinandergeschichtet. Soll das fertige Produkt ein Muster haben – wie die Rosenblätter beim Grabstein in Kutzenhausen –, legt Sperger zwischen die einzelnen Schichten auch kleine bunte Glasteile. Beim Schmelzen im Ofen entsteht so die gewünschte Optik. Doch das dauert lange. Etwa zwei Tage lang werden die aufeinandergelegten Glasplatten erhitzt. Mehrere Wochen müssen sie dann bei bis zu 800 Grad im Ofen bleiben. Auch das Abkühlen dauert Tage. Denn der Ofen kann nicht einfach geöffnet werden. Er muss langsam abkühlen. „Ansonsten würde das Glas springen“, erklärt Sperger. Weil die Außentemperatur und die des Glases zu unterschiedlich sind, wäre die Spannung zu groß.
Diese Spannung ist der wohl größte Feind des Glases. Auch auf dem Friedhof ist die Platte großen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Minusgrade im Winter, Hitze im Sommer – nicht jedes Glas halte das aus, sagt Sperger. Deshalb bestelle er seine Materialien bei einer ganz bestimmten Glashütte in den USA. Günstig ist das aber nicht. Der Quadratmeterpreis für eine dünne Platte durchsichtiges Glas liege bei rund 120 Euro. Buntes Glas koste ein Vielfaches davon. Für ein Grabmal braucht Sperger viele dieser dünnen Platten. Seine Werke kosten zwischen 12 000 und 14 000 Euro.
Dabei hatte Sperger beruflich zunächst überhaupt nichts mit Glas zu tun. Nach der Schule machte er eine Lehre zum Schreiner. Seine damalige Freundin und heutige Frau, Christina Sperger, arbeitete im Büro. „Irgendwann ist uns hier in Deutschland die Decke auf den Kopf gefallen“, erinnern sich die beiden. Sie wollten ihr altes Leben hinter sich lassen. Nach einem Jahr in Australien wollten sich die beiden beruflich neu orientieren. Schon immer habe sie davon geträumt, Goldschmiedin zu werden, erinnert sich Christina Sperger. Und so kam es, dass es sie schließlich in die Schweiz verschlug. Über eine Verwandte habe sie dort eine Stelle gefunden. Auch ihr heutiger Ehemann suchte sich in der Schweiz eine neue Stelle. Bei einer großen Glaserei wurde er schließlich fündig und lernte alles über das Glashandwerk. Nach der Geburt ihrer Tochter ging es wieder zurück in die Heimat. Vor drei Jahren machte sich Sperger in Buch schließlich selbstständig.
Und heute? „In meinen Adern fließt Glas statt Blut“, sagt Sperger. Dem Zufall sei es zu verdanken, dass er seine Berufung gefunden habe.