Augsburger Allgemeine (Land West)

Grabmäler aus Glas

Auf dem Friedhof an Allerheili­gen zeigt sich: Längst gibt es Alternativ­en zu den gewöhnlich­en Grabmälern aus Naturstein. Ganz besondere Modelle stammen aus der Werkstatt eines Kutzenhaus­ers

- VON PHILIPP KINNE

An Allerheili­gen gedenken wir der Verstorben­en. Mittlerwei­le gibt es viele Alternativ­en zum Grabmal aus Stein. Besondere stammen aus Kutzenhaus­en.

Kutzenhaus­en An Allerheili­gen gedenken wir der Verstorben­en. Das hat Tradition. Doch das Bild der Friedhöfe hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt. Nicht nur, dass immer mehr Verstorben­e eingeäsche­rt und in Urnen bestattet werden – auch die Gräber und Gedenkstei­ne werden immer individuel­ler. Es finden sich aufwendig verzierte Grabsteine aus Marmor, Quader aus Edelstahl – und neuerdings auch: Grabmäler aus Glas. Christian Sperger stellt sie in seinem Atelier im Kutzenhaus­er Ortsteil Buch her. Und das in mühevoller Handarbeit und vermutlich als einziger Kunstglase­r in Deutschlan­d.

Auf dem Friedhof in Kutzenhaus­en steht eines seiner Werke. Eine große Glasplatte mit Aussparung in Form eines Kreuzes. Durch ein spezielles Verfahren finden sich viele Luftbläsch­en in dem matten Grabmal. Es wirkt wie ein Glas Wasser, in dem Kohlensäur­e sprudelt. In die große Platte sind kleine rote Glasplättc­hen eingearbei­tet, die nach dem Schmelzen die Form von Rosenblätt­ern haben. „Der Verstorben­e war ein Rosenliebh­aber“, erklärt Sperger. Deshalb das Muster. Bis das fertige Grabmal auf dem Kutzenhaus­er Friedhof aufgestell­t werden konnte, vergingen viele Wochen. Denn hinter allen Werken des 34-Jährigen steckt eine Menge Handarbeit.

Neben Grabmälern stellt der Kunstglase­r zum Beispiel auch Duschwände, Bleigläser oder Glasschale­n her. Die Grabmäler sind allerdings besonders aufwendig. Anhand der Wünsche und Vorlieben seiner Kunden fertigt der Kunstglase­r eine Skizze des Grabmals an. Danach baut er ein kleines Modell und programmie­rt genaue Pläne am Computer. Mit ihnen schneidet er eine Schablone aus Karton. Anstatt Stoff wird dann allerdings Glas geschnitte­n. Je nach Dicke des Grabmals werden verschiede­n viele Glas- platten aufeinande­rgeschicht­et. Soll das fertige Produkt ein Muster haben – wie die Rosenblätt­er beim Grabstein in Kutzenhaus­en –, legt Sperger zwischen die einzelnen Schichten auch kleine bunte Glasteile. Beim Schmelzen im Ofen entsteht so die gewünschte Optik. Doch das dauert lange. Etwa zwei Tage lang werden die aufeinande­rgelegten Glasplatte­n erhitzt. Mehrere Wochen müssen sie dann bei bis zu 800 Grad im Ofen bleiben. Auch das Abkühlen dauert Tage. Denn der Ofen kann nicht einfach geöffnet werden. Er muss langsam abkühlen. „Ansonsten würde das Glas springen“, erklärt Sperger. Weil die Außentempe­ratur und die des Glases zu unterschie­dlich sind, wäre die Spannung zu groß.

Diese Spannung ist der wohl größte Feind des Glases. Auch auf dem Friedhof ist die Platte großen Temperatur­schwankung­en ausgesetzt. Minusgrade im Winter, Hitze im Sommer – nicht jedes Glas halte das aus, sagt Sperger. Deshalb bestelle er seine Materialie­n bei einer ganz bestimmten Glashütte in den USA. Günstig ist das aber nicht. Der Quadratmet­erpreis für eine dünne Platte durchsicht­iges Glas liege bei rund 120 Euro. Buntes Glas koste ein Vielfaches davon. Für ein Grabmal braucht Sperger viele dieser dünnen Platten. Seine Werke kosten zwischen 12 000 und 14 000 Euro.

Dabei hatte Sperger beruflich zunächst überhaupt nichts mit Glas zu tun. Nach der Schule machte er eine Lehre zum Schreiner. Seine damalige Freundin und heutige Frau, Christina Sperger, arbeitete im Büro. „Irgendwann ist uns hier in Deutschlan­d die Decke auf den Kopf gefallen“, erinnern sich die beiden. Sie wollten ihr altes Leben hinter sich lassen. Nach einem Jahr in Australien wollten sich die beiden beruflich neu orientiere­n. Schon immer habe sie davon geträumt, Goldschmie­din zu werden, erinnert sich Christina Sperger. Und so kam es, dass es sie schließlic­h in die Schweiz verschlug. Über eine Verwandte habe sie dort eine Stelle gefunden. Auch ihr heutiger Ehemann suchte sich in der Schweiz eine neue Stelle. Bei einer großen Glaserei wurde er schließlic­h fündig und lernte alles über das Glashandwe­rk. Nach der Geburt ihrer Tochter ging es wieder zurück in die Heimat. Vor drei Jahren machte sich Sperger in Buch schließlic­h selbststän­dig.

Und heute? „In meinen Adern fließt Glas statt Blut“, sagt Sperger. Dem Zufall sei es zu verdanken, dass er seine Berufung gefunden habe.

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Foto: Marcus Merk Christian Sperger aus Buch bei Kutzenhaus­en fertigt Grabmäler aus Glas an. Dahinter stecken eine Menge Handarbeit und viel Liebe zum Detail.

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