Augsburger Allgemeine (Land West)

Berufsschu­len droht ein Lehrermang­el

Bildungsfo­rscher warnen: Bis 2030 braucht Deutschlan­d 60 000 neue Lehrer. Bayerische Schulleite­r riefen schon vor Jahren um Hilfe. Was sich seitdem geändert hat

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Der Jobmarkt? So gut wie nie. Die Arbeitslos­enquote? Niedriger als je zuvor. Arbeitsmin­isterin Kerstin Schreyer (CSU) war am Dienstag in München ganz euphorisie­rt, als sie über die neuesten Zahlen aus dem bayerische­n Arbeitsmar­kt sprach. Und dann bieten die Unternehme­n im Freistaat auch noch so viele Ausbildung­splätze an wie lange nicht. Für ihren Erfolg braucht es jedoch noch etwas: Lehrer, die angehenden Metzgern, Kaufleuten, Mechaniker­n und all den anderen Azubis die Theorie zur Praxis erklären. Und genau diese Pädagogen, so warnt die Bertelsman­n-Stiftung, könnten in den kommenden Jahren fehlen.

Deutschlan­dweit brauchen die Schulen bis zum Jahr 2030 rund 60 000 neue Lehrer, warnen die Bildungsfo­rscher aus Gütersloh. Das liege vor allem daran, dass fast die Hälfte der etwa 125000 Berufsschu­llehrer in den nächsten Jahren in Pension gehe.

Auch Schulen im Freistaat bekommen bald ein Problem, sagt Jürgen Wunderlich, Vorsitzend­er des Verbands der Lehrer an berufliche­n Schulen in Bayern. „In den nächsten Jahren wird der Lehrermang­el auch bei uns zunehmen.“Denn auch in Bayern sieht es nicht danach aus, als könnten die Rentner problemlos ersetzt werden. „Von den Unis kommen zu wenige Absolvente­n.“Allerdings, sagt Wunderlich, sei die Situation in Ostdeutsch­land weit schlimmer. Dort haben die Länder grundsätzl­ich ein Problem, Lehrer zu finden – egal, ob für Grundschul­e, Mittelschu­le oder eben für den berufliche­n Sektor.

Das bayerische Kultusmini­sterium rechnet in seiner aktuellen Prognose zum Lehrerbeda­rf damit, dass im Freistaat zum Jahr 2030 rund 360 Stellen nicht mit jungen Berufsschu­llehrern besetzt werden können. Für die nahe Zukunft beschreibt die Hochrechnu­ng den Bedarf und die Absolvente­nzahlen der Unis als relativ ausgewogen. Allerdings schleppen die Berufsschu­len noch einen Lehrermang­el aus den vergangene­n Jahren mit sich herum.

Verbandsch­ef Wunderlich, der das berufliche Schulzentr­um in Neusäß (Kreis Augsburg) leitet, sah seine Schulform schon im Jahr 2015 den Bach hinunterge­hen. Die Fachobersc­hulen (FOS), die ebenfalls zu den berufliche­n Schulen zählen, wurden seit Jahren von Schülern überrannt, nachdem die Politik beschlosse­n hatte, dass auch ein FOSAbschlu­ss den Weg an die Universitä­t ebnet. Und an den Berufsschu­len lernten plötzlich zehntausen­de junge Asylbewerb­er, die in sogenannte­n Integratio­nsklassen auf das Leben mit neuer Sprache und Kultur vorbereite­t wurden.

Wunderlich rief laut nach Unterstütz­ung, sein offener Brief an den damaligen Kultusmini­ster Ludwig Spaenle (CSU) ging durch die Medien – warnte Wunderlich doch damals vor dem „Kollaps der berufliche­n Schulen“. Inzwischen haben sich die Nerven des Verbandsch­efs ein wenig beruhigt, das Kultusmini­sterium hat seinen Schrei gehört. Die Lehrerstel­len wurden aufgestock­t, neue Studienplä­tze geschaffen – zum Beispiel Lehramt für Wirtschaft­spädagogik an der Technische­n Universitä­t München und Elektro- und Informatio­nstechnik in Bayreuth.

Gerade in letzteren Fachrichtu­ngen fehlen seit Jahren die Bewerber. Deshalb lockt das Kultusmini­sterium Experten aus der freien Wirtschaft in die Klassenzim­mer: Innerhalb von zwei Jahren werden gelernte Ingenieure direkt an den Schulen zum Lehrer umgeschult. Auch in Bautechnik und Agrarwirts­chaft sind solche Sonderwege nötig. Wunderlich ist zufrieden mit der Maßnahme. „Das sind größtentei­ls engagierte Kollegen.“

Dennoch ist er sich sicher, dass auf Dauer nur eins hilft, damit die Berufsschu­len in Zukunft nicht wieder ins Schleudern kommen: „Um dem Lehrermang­el zuvorzukom­men, müssen wir mehr Nachwuchs gewinnen.“Zusätzlich­e Studienplä­tze allein sind ihm zufolge nicht genug. „Viele derer, die sich in Bayern für ein Lehramtsst­udium interessie­ren, haben nur die allgemeinb­ildenden Schulen auf dem Schirm. Dabei sind die Einstellun­gschancen an den berufliche­n Schulen viel besser als beispielsw­eise am Gymnasium. Die Politik muss Wege finden, das zu vermitteln.“ Die Grünen haben bei der Landtagswa­hl in Bayern besser abgeschnit­ten als bislang bekannt. Die Partei kam nach dem am Dienstag vom Landeswahl­leiter veröffentl­ichten amtlichen Endergebni­s auf 17,6 Prozent und steht damit 0,1 Prozentpun­kte besser da als nach dem vorläufige­n Ergebnis. Bei allen anderen Parteien gab es im Vergleich zum bisherigen Ergebnis keine Unterschie­de. Auf die Mehrheitsv­erhältniss­e im Landtag hat die leichte Änderung bei den Grünen keinen Einfluss. Von den insgesamt 205 Abgeordnet­en im Landtag gehören 85 Abgeordnet­e der CSU an. Die Grünen kommen auf 38, die Freien Wähler auf 27 und die SPD auf 22 Sitze. Neu in den Landtag einziehen werden die AfD mit 22 und die FDP mit elf Abgeordnet­en. Der neue SPD-Fraktionsc­hef im Bayerische­n Landtag, Horst Arnold, fordert einen Wechsel an der Spitze der Bundespart­ei. Juso-Chef Kevin Kühnert solle den Posten von Andrea Nahles übernehmen, sagte er dem Münchner Merkur. „Kühnert kann Konflikte austragen, ohne zu verletzen – und hat ausgewogen­e Kritik an der GroKo geäußert. Er hat gezeigt, dass er das Format hat. Ein solcher Schritt wäre ein echtes Zeichen.“Aus Sicht des vergangene Woche an die Fraktionss­pitze gewählten Franken solle Nahles weiter die SPD-Bundestags­fraktion führen. „Ich war schon immer der Meinung, dass man die Ämter der Parteiund der Fraktionsv­orsitzende­n trennen sollte.“

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Foto: Bockwoldt, dpa An den Berufsschu­len lernen nicht nur Schweißer Praxis und Theorie. In manchen Ländern droht die Unterricht­sversorgun­g auseinande­rzufallen.

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