Augsburger Allgemeine (Land West)
Geister im Abrisshaus
Ein Gruselfilm zum Mitmachen
Einladend ist das nicht: Im schmuddeligen Lastenaufzug der Kasernstraße 4 in Augsburg lehnt einer an der Wand. Schwarz gekleidet, Kapuze, das Gesicht abgewendet. Besser doch die Treppe nehmen? Der Leblose ist Teil von „Exit Ghost“und des Geisterballs, mit dem Augsburger und das Staatstheater zusammen das Ende der Kasernstraße feiern. Zwei Stockwerke unter der Erde atmet der Hoffmannkeller schon Verfall. Alles wartet auf die Bagger. Doch an Halloween befinden sich auf Einladung des Theaters und der freien Theater-Performance-Combo irreality.tv erst einmal 30 Augsburger im dritten Stock. Der alte Orchesterprobensaal ist mit Kronleuchtern und goldenem Lametta herausgeputzt, auf dem Schiffsparkett thront eine Pyramide aus Champagnergläsern.
Seit zehn Tagen touren die vier Theaterwissenschaftler von irreality.tv mit Menschen, die sie im September für das Reality-TV-Projekt „Exit Ghost“rekrutieren konnten, durch Augsburg. „Im Siebentischwald, in Kellern und in den Kanälen wurden Geister gesichtet. Diese Erzählungen sind unsere Regieanweisungen“, erklärt Esther Pilkington von irreality.tv. Zusammen mit den Hinweisgebern, die als Geister oder Geisterjäger auftreten, drehen Pilkington, Lars Moritz, Jörg Thums und Daniel Ladnar eine Filmserie. Bis zu zehn Kurzfolgen könnten es werden, die im Januar auf einer Gala im Gaswerk uraufgeführt werden.
Das Setting von Folge 1 ist die Kasernstraße, der Halloweenabend zugleich öffentlicher Dreh. Zwei Minuten Film werden am Ende herauskommen, schätzt Daniel Ladnar, der Kameramann. Die 30 Gäste sind die Geister, Hauptfigur ist Chefdramaturg Lutz Keßler. Er spielt sich selbst. Reality TV eben. Keßler ist der Letzte, der noch im Abbruchhaus arbeitet. Es endet nicht gut, die Geister wollen Rache am Theater für das Aus in der Kasernstraße.
Das Theater hat den Fundus an Glitzer-Kostümen und Anzügen, die hauseigenen Schneider Alp Sabri und Artur Trejkal sowie Veronika Eser für die Maske abgestellt. Weil die Kulturstiftung des Bundes das Projekt als eines von wenigen fördert, gibt es für Kulisse und „Geister“Sekt und Knabberzeug. Klar ist: Das Projekt erfüllt sein Ziel nach der neuen „Plan A“-Strategie als Magnet für neues Publikum – etwa Bettina und ihre drei Freunde. Sie trieb die Neugier auf das Filmprojekt her. Dass alles abgerissen wird, gebe dem Ganzen echten Grusel, findet die 23-Jährige. Auch Natalie und Melanie gehören sonst nicht zum Stammpublikum des Theaters, sie sind mit ihren Töchtern über die Filmproduktion hierher geraten.
Übrigens: Das Team von irreality.tv sucht noch Augsburger, die über Spuk berichten oder ihn beweisen können und bittet, sich unter info@irreality.tv zu melden. Pilkington ist nämlich überzeugt: „Wir glauben, dass die Ordnung zwischen Geistern und Menschen in dieser Stadt – auch durch den Umzug des Theaters – etwas aus der Balance geraten ist. Dies wahrzunehmen und an den entsprechenden Orten davon zu erzählen, kann sie wieder ins Lot bringen.“