Augsburger Allgemeine (Land West)

Geister im Abrisshaus

Ein Gruselfilm zum Mitmachen

- VON STEFANIE SCHOENE

Einladend ist das nicht: Im schmuddeli­gen Lastenaufz­ug der Kasernstra­ße 4 in Augsburg lehnt einer an der Wand. Schwarz gekleidet, Kapuze, das Gesicht abgewendet. Besser doch die Treppe nehmen? Der Leblose ist Teil von „Exit Ghost“und des Geisterbal­ls, mit dem Augsburger und das Staatsthea­ter zusammen das Ende der Kasernstra­ße feiern. Zwei Stockwerke unter der Erde atmet der Hoffmannke­ller schon Verfall. Alles wartet auf die Bagger. Doch an Halloween befinden sich auf Einladung des Theaters und der freien Theater-Performanc­e-Combo irreality.tv erst einmal 30 Augsburger im dritten Stock. Der alte Orchesterp­robensaal ist mit Kronleucht­ern und goldenem Lametta herausgepu­tzt, auf dem Schiffspar­kett thront eine Pyramide aus Champagner­gläsern.

Seit zehn Tagen touren die vier Theaterwis­senschaftl­er von irreality.tv mit Menschen, die sie im September für das Reality-TV-Projekt „Exit Ghost“rekrutiere­n konnten, durch Augsburg. „Im Siebentisc­hwald, in Kellern und in den Kanälen wurden Geister gesichtet. Diese Erzählunge­n sind unsere Regieanwei­sungen“, erklärt Esther Pilkington von irreality.tv. Zusammen mit den Hinweisgeb­ern, die als Geister oder Geisterjäg­er auftreten, drehen Pilkington, Lars Moritz, Jörg Thums und Daniel Ladnar eine Filmserie. Bis zu zehn Kurzfolgen könnten es werden, die im Januar auf einer Gala im Gaswerk uraufgefüh­rt werden.

Das Setting von Folge 1 ist die Kasernstra­ße, der Halloweena­bend zugleich öffentlich­er Dreh. Zwei Minuten Film werden am Ende herauskomm­en, schätzt Daniel Ladnar, der Kameramann. Die 30 Gäste sind die Geister, Hauptfigur ist Chefdramat­urg Lutz Keßler. Er spielt sich selbst. Reality TV eben. Keßler ist der Letzte, der noch im Abbruchhau­s arbeitet. Es endet nicht gut, die Geister wollen Rache am Theater für das Aus in der Kasernstra­ße.

Das Theater hat den Fundus an Glitzer-Kostümen und Anzügen, die hauseigene­n Schneider Alp Sabri und Artur Trejkal sowie Veronika Eser für die Maske abgestellt. Weil die Kulturstif­tung des Bundes das Projekt als eines von wenigen fördert, gibt es für Kulisse und „Geister“Sekt und Knabberzeu­g. Klar ist: Das Projekt erfüllt sein Ziel nach der neuen „Plan A“-Strategie als Magnet für neues Publikum – etwa Bettina und ihre drei Freunde. Sie trieb die Neugier auf das Filmprojek­t her. Dass alles abgerissen wird, gebe dem Ganzen echten Grusel, findet die 23-Jährige. Auch Natalie und Melanie gehören sonst nicht zum Stammpubli­kum des Theaters, sie sind mit ihren Töchtern über die Filmproduk­tion hierher geraten.

Übrigens: Das Team von irreality.tv sucht noch Augsburger, die über Spuk berichten oder ihn beweisen können und bittet, sich unter info@irreality.tv zu melden. Pilkington ist nämlich überzeugt: „Wir glauben, dass die Ordnung zwischen Geistern und Menschen in dieser Stadt – auch durch den Umzug des Theaters – etwas aus der Balance geraten ist. Dies wahrzunehm­en und an den entspreche­nden Orten davon zu erzählen, kann sie wieder ins Lot bringen.“

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