Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Faustschlag verändert ein Leben
Ein Mann schlug einen anderen so, dass dessen Augapfel platzte und er erblindete. Der Täter wurde aber freigesprochen, weil eine Notwehrsituation nicht auszuschließen sei
Es war der Bruchteil einer Sekunde – ein heftiger Faustschlag, der sein ganzes Leben auf dramatische Weise veränderte. Seit jener Nacht Ende Januar ist Alex M. (Name geändert) auf dem linken Auge praktisch blind. Nur Hell und Dunkel kann er noch unterscheiden. Der 39-Jährige kann nicht mehr dreidimensional sehen, keine Distanzen richtig abschätzen, er musste viele Dinge des täglichen Lebens neu lernen, musste auf einen anderen Arbeitsplatz wechseln. Mehrere Operationen hat er bereits hinter sich. „Mein linkes Auge fühlte sich an wie ein Luftballon, aus dem die Luft entwichen ist“, beschreibt Alex bildhaft den Zustand. Durch den Schlag damals war sein Augapfel geplatzt. Alex sitzt als Opfer im Gerichtssaal 120 im Strafjustizzentrum jenem Mann gegenüber, der die schwere Augenverletzung verursacht hat. Ob der 33-Jährige dafür auch strafrechtlich zu Verantwortung gezogen werden kann, darüber entscheidet nun ein Schöffengericht unter Vorsitz von Dominik Wagner.
Staatsanwalt Andreas Kraus wirft dem Angeklagten (Verteidiger: Werner Ruisinger) schwere Kör- perverletzung vor – ein selten angewandter Straftatbestand. Es war der frühe Morgen des 28. Januar vor einem Club in der Augsburger Innenstadt. Es war eine Szene, wie sie sich im Nachtleben häufig abspielt. Vor dem Eingang zum Club steht Alex M., raucht eine Zigarette. Der Angeklagte kommt hinzu. Urplötzlich ein oder mehrere Faustschläge. Alex M. stürzt blutüberströmt zu Boden. Er muss notoperiert werden – der Augapfel links ist geplatzt. Der Angeklagte flüchtet, stellt sich erst Mitte März mit seinem Anwalt der Polizei, nachdem der Fall in den sozialen Netzwerken für Aufsehen gesorgt hat.
Ihm tue es furchtbar leid, bedauert der Angeklagte. Das habe er nicht gewollt. Seiner Version zufolge hat er sich quasi nur verteidigt – gegen einen Angriff des späteren Opfers. „Ich verließ den Club. Er stand im Eingangsbereich. Ich wollte vorbei. Er sagte: ,Seit wann lässt man solche Edelfi… in den Club?‘ Ich antwortete: ,Halt’s Maul.‘ Er schlug sofort zu, streifte mich aber nur. Weil ich mich bedroht fühlte, schlug ich zurück. Ich bekam dann noch einen Schlag und wir fielen um.“
Alex M., vertreten von Anwalt Andreas Thomalla, hat, wie bei solchen Auseinandersetzungen in der Partyszene üblich – eine völlig andere Version parat. „Ich rauchte vor dem Club, dann ist es passiert, völlig unvermittelt. Ein Schlag von der Seite. Es gab keinen Grund dafür. Keine Beleidigung. Nichts.“Sein Bekannter, 31, der in der Nähe gestanden hatte, stützt seine Version. Der Zeuge, 31: „Der Angeklagte ist wortlos auf Alex zugesprungen, wie ein Footballspieler. Dann machte es wusch.“
Was die Beurteilung des Gerichts nicht einfach macht: Alle Beteiligten waren mehr oder weniger angetrunken oder betrunken. Zeugen können – oder wollen – sich nicht mehr richtig erinnern. Im Gegensatz zu einer Frau, 29, die das Geschehen noch immer vor ihrem geistigen Auge präsent hat.
Sie hatte den Streit genau beobachtet, später in einem sozialen Netzwerk von der Schwere der Augenverletzung erfahren und den Angeklagten mit Hilfe ihres Bruders aufgefordert, sich der Polizei zu stellen. „Ich kenne seine Familie und wollte ihn deshalb nicht selbst anzeigen“, begründet die Zeugin. Ihre Aussage ist letztlich von Bedeutung, weil sie im Augenblick des Schlages unmittelbar hinter dem Opfer stand, um wieder in den Club zu gelangen. „Beide haben irgendwas diskutiert. Da holte der Geschädigte zu einem Faustschlag aus, traf aber nicht. Dann schlug der Angeklagte zu und der Geschädigte fiel um.“
In der Beurteilung der zahlreichen Aussagen kommen Verteidigung und Anklage zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Anwalt Ruisinger fordert Freispruch, da sein Mandant nicht als Erster zugeschlagen, sondern in Notwehr gehandelt habe.
Staatsanwalt Kraus allerdings glaubt der Version des Opfers, sattelt noch den Straftatbestand „gefährliche Körperverletzung“auf die Anklage drauf und verlangt dreieinhalb Jahre Haft. Denn der Angeklagte habe beim Zuschlagen noch eine Flasche oder ein Glas in der Hand gehabt. Darauf ließen mehrere Schnittverletzungen im Gesicht des Geschädigten und Scherben auf dem Boden schließen.
Das Gericht folgt dem Verteidiger und spricht den Angeklagten frei. Die Notwehrversion des 33-Jährigen könne nicht ausgeschlossen werden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. „Es gibt keinen Beweis für die Putschbeteiligung, aber die Indizien gegen die Gülen-Bewegung sind erdrückend“, so der Cumhuriyet-Journalist Bülent Mumay im Oktober. Auch ohne Schuldbeweise: 1000 Unternehmen, 3000 Privatschulen und 15 Universitäten der Bewegung sind enteignet, etwa 130 000 Beamte entlassen, 34 000 Menschen verurteilt, das Netzwerk in der Türkei zerschlagen. Welche Rolle spielte die Bewegung beim Putschversuch 2016? Das Auswärtige Amt sieht das Netzwerk inzwischen nicht mehr nur als Bildungsbewegung, sondern auch organisierte Kriminalität am Werk. Was sagen die deutschen Anhänger des Predigers? Der Sprecher der Gülen-Bewegung Deutschland, Ercan Karakoyun, stellt sich am Mittwoch, 7. November, um 19 Uhr, in der Volkshochschule den Fragen der Journalistin und Orientalistin Stefanie Schoene. Ort: WillyBrandt-Platz 3. Schenken statt vererben? Notarielles statt handschriftliches Testament? Ist ein Erbschein Pflicht? Es ist wichtig, rechtzeitig die richtige Vorsorge zu treffen und dabei keinen Fehler zu machen, um Klarheit zu schaffen und sein Vermögen nach den eigenen Vorstellungen zu verteilen. In diesem Sinne bietet der Rechtsanwalt Uwe B. Sachse mit seinem Vortrag am Freitag, 16. November, die Möglichkeit, sich kostenlos zu informieren. Beginn ist um 18 Uhr in der Volkshochschule Augsburg am Willy-Brandt-Platz 3a, Raum 104. Um Anmeldung wird gebeten unter erbrecht@condrobs.de.