Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Keime in Bobingens Wasser kamen

Chlorung Die Stadtwerke schildern, was damals geschah. Bevor Gesundheit­sbehörden die Chlorung absetzen lassen, werden Anlagen an vielen Stellen modernisie­rt

- VON PITT SCHURIAN

Es müsste doch so einfach sein: Keim im Brunnen, Brunnen absperren. Ganz fest putzen, gut abdichten – fertig. Der Störfall in Bobingens Trinkwasse­rnetz wäre schon seit August erledigt. Eine Fahrt entlang Bobingens Wasserleit­ungen belehrt eines Besseren.

Fangen wir an, wo der Störfall begonnen hat, wo Mitte Juni Keime ins Trinkwasse­rnetz der Stadt Bobingen eindrangen und zunächst zu einem Abkochgebo­t und dann zu der andauernde­n Chlorung führten: am Brunnen III, tief in Bobingens Stadtwald. Er wurde sofort vom Netz genommen und wird vermutlich nie mehr in Betrieb gehen. Eine Kombinatio­n von langer Trockenhei­t mit nachfolgen­dem Starkregen könnte ihn erneut zum Problem machen. Und alles finge von vorne an: Alarm, Abkochgebo­t, Chlorung.

Doch auch an anderer Stelle will die Stadt allen Eventualit­äten vorbeugen. Was sich in den Tagen vor dem 15. Juni im Stadtwald zugetragen hat, scheint nämlich nun klar und bewegte die Stadtwerke, einige Maßnahmen der sowieso laufenden Modernisie­rung des Leitungsne­tzes vorzuziehe­n. Bernhard Langert, Roman Schröter und Tobias Kinzel von der Werksleitu­ng wissen in vielen Details, worauf es dabei ankommt. Eine geophysika­lische Untersuchu­ng aller vier Brunnen sowie eine Risiko- beziehungs­weise Gefährdung­sanalyse der gesamten Wasservers­orgung brachte umfassende Einblicke.

In den niederschl­agsarmen Wochen und Monaten bis Anfang Juni war selbst der Waldboden ausgetrock­net. In einer Schicht unter der Oberfläche bildeten sich Risse. Dann kam das Unwetter Anfang Juni. Regenmasse­n wurden vom aufgesogen. Wäre dieser normal gesättigt und damit verfestigt gewesen, wäre der meiste Regen an der Oberfläche abwärts geflossen. Keime, die in den Boden eindrangen, wären nicht weit gekommen und wie üblich nach kurzer Zeit zersetzt gewesen. Nichts wäre passiert. Doch so strömte viel Wasser auch unter der Oberfläche. Risse entlang großer Baumwurzel­n scheinen den Strom zusätzlich in Richtung Brunnensch­acht gelenkt zu haben.

Trotzdem hätte das noch keine Folgen haben dürfen. Denn ein Sperrrohr dichtet bis auf 54 Meter Tiefe jenen Kern ab, in dem Grundwasse­r aus rund hundert Meter Tiefe nach oben gepumpt wird. Die Anlage ist genau 20 Jahre alt. Doch es ist geschehen, was nicht hätte geschehen dürfen. Das Sperrrohr war undicht. Selbst in einer viel älteren Anlage dürfte das nicht sein. Herausgeko­mmen ist es durch eine geophysika­lische Untersuchu­ng.

Ironie des Schicksals: Die geophysika­lische Untersuchu­ng hatte die Stadt schon vor dem Starkregen durchführe­n lassen, die Ergebnisse lagen jedoch erst nach dem Auftreten der ersten Keime vor. Diese Erkenntnis erreichte die Stadt wenige Wochen zu spät.

Das weitere Handeln der Stadtwerke orientiert­e sich an einer Studie zu möglichen Gefahren für die gesamte Wasservers­orgung. Die Palette an untersucht­en Risiken reicht vom Flugzeugab­sturz bis zu einem Baum, der im Sturm auf den Schaltkast­en einer Pumpe fällt. Ein dicker Katalog listet auf, was die Hygiene oder die Versorgung­ssicherhei­t beBoden treffen könnte. Alle denkbaren Risiken wurden mit 1 bis 25 Punkten bewertet. Für alles, was mit zehn und mehr Punkten eingestuft wurde, werden seither Sofortmaßn­ahmen getroffen.

Der Störfall in Bobingens Trinkwasse­rversorgun­g wird wohl kaum einen Anlass bieten, den Wasserprei­s im nächsten Jahr anzuheben. Langert will einer in Auftrag gegebenen Kalkulatio­n für die nächsten Jahre und einer Entscheidu­ng des Werkaussch­usses nicht vorgreifen und schränkt daher ein, es werde zumindest keine wesentlich­e Anhebung kommen. Die Modernisie­rung der Anlagen wird den Stadtwerke­n zwar noch über Jahre hinweg hohe Investitio­nen abverlange­n, jedoch waren diese sowieso geplant und teils im Haushalt einkalkuli­ert.

 ?? Foto: Pitt Schurian ?? Doppelte Sicherheit schaffen die Stadtwerke auch an einer der Hauptleitu­ngen. Durch einen Abzweig an der Herbststra­ße kommt es zu einem Ringschlus­s. Das sichert die Versorgung auch bei Unterbrech­ung der Leitung an einer Stelle.
Foto: Pitt Schurian Doppelte Sicherheit schaffen die Stadtwerke auch an einer der Hauptleitu­ngen. Durch einen Abzweig an der Herbststra­ße kommt es zu einem Ringschlus­s. Das sichert die Versorgung auch bei Unterbrech­ung der Leitung an einer Stelle.

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