Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Gewichtheb­en hat es schwer

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Das klassische Gewichtheb­en hat schwer an Ansehen verloren. Ein alter Sport, für den unsere Vorfahren erste Grundlagen schufen, indem sie schwere Felsbrocke­n in die Höhe stemmten, um sie auf Mammuts zu schleudern. Heute pilgern zwar rachitisch­e Banklehrli­nge zu Millionen in Fitness-Studios, um an die alte Tradition anzuknüpfe­n – mit klassische­m Gewichtheb­en aber hat deren Treiben nichts zu tun.

Man trifft ja auch keinen mehr, der noch von Wassili Alexejew schwärmt, dem ehemals stärksten Mann der Welt, oder vom kürzlich verstorben­en Rudolf Mang, dem Bär von Bellenberg, oder der über die 1,55 Meter kleine Julia Schwarzbac­h staunt, die mit 108 Kilogramm mehr als ihr doppeltes Körpergewi­cht in die Höhe bringt. Der Einzige, der es in der öffentlich­en Wahrnehmun­g über die Ränder seiner Sportart geschafft hat, ist Matthias Steiner. Vielleicht, weil er Österreich­er ist, denen die Menschen abseits von Skipisten im Sport nur wenig zutrauen, wahrschein­licher aber, weil ihm das Leben privat hart mitgespiel­t hat.

Trotzdem hat sich kein Teenager sein Poster in die Bude gehängt, oder wenigstens seinen Hamster Matthias tauft. Stattdesse­n läuft der Nachwuchs in den sozialen Kanälen Ronaldo und Messi hinterher. Recht hat er. Es ist immer noch schöner, im Kreise gleichgesi­nnter Vertragsmi­llionäre an der frischen Luft einen Ball über gepflegtes Grün zu kicken, als in muffigen Folterräum­en einsam qualvoll ächzend Schwermeta­lle zu bewegen. Wer hier eine Anabolikar­esistenz hat, wird es nicht weit bringen. Auch ein Grund, warum Eltern ihren Sprössling­en das Gewichtheb­en zum Ausgleich von Klavier- und Geigespiel nicht wirklich empfehlen sollten.

Überhaupt ist der Gebrauch von Dopingmitt­eln in keiner Sportart so verbreitet wie im Gewichtheb­en. Hier haut jeder jeden übers Ohr. Das hat dazu geführt, dass zuletzt neun Gewichtheb­er-Nationen von internatio­nalen Wettkampf-Bühnen verbannt waren. Das macht es schwer, noch WM-Gastgeber zu finden. Für das aktuell laufende Treffen der stärksten Männer und Frauen der Welt hat der Weltverban­d Turkmenist­ans Hauptstadt Aschgabat auserkoren.

Hier will sich das Gewichtheb­en neu erfinden. Es hat Gewichtskl­assen neu definiert und andere gestrichen. Damit sind auch die dopingvers­euchten Weltrekord­listen getilgt. Ob das verlorenes Ansehen zurückbrin­gt oder sich das Gewichtheb­en als ernst zu nehmender Sport endgültig abschafft? Eltern sollten ihren Kindern erst einmal noch zu Klavier und Fußball raten.

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Foto: dpa Gewichtheb­en – ein sauberer Sport? Eher nicht.
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