Augsburger Allgemeine (Land West)
Hat der Privatwagen bald ausgedient?
Mobilität Die Stadtwerke bieten in einem Pilotversuch eine Mobil-Flat, mit der man öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing und Leihfahrräder nutzen kann. AZ-Lokalredakteur testet, wie das funktioniert
Mein Auto steht in der Garage. Die meiste Zeit zumindest. In die Redaktion und auf Termine fahre ich mit dem Fahrrad, weil es fast immer schneller geht und ich mich sonst zu wenig bewege. Von der Parkplatzfrage ganz zu schweigen. Wenn es regnet, nutzte ich den Bus oder die Straßenbahn. Vielleicht bin ich damit ein typischer Stadtmensch.
Statistisch gesehen nutzt man sein Auto nur rund eine Stunde am Tag, 23 Stunden steht es. Mein Wagen steht eher länger. Das und ein anderer Fakt haben mich zum Nachdenken gebracht: Ende des Jahres sollte ich wegen eines neuen Angebots vorbeikommen, hat mir jüngst mein Händler geschrieben – der Vertrag fürs Auto läuft ab. Bisher war es eine klare Sache: Als Familie – ich bin verheiratet und habe zwei Kinder – braucht man ein Auto. Nun überlege ich: Ist das wirklich so?
Die Stadtwerke Augsburg testen gerade ein neues Angebot namens „Mobil-Flat“. Für 75 Euro bieten sie ein Abo für den öffentlichen Nahverkehr in den Zonen 10 und 20, also im kompletten Stadtgebiet. Zusätzlich kann man 30 Stunden pro Monat mit einem Carsharing-Fahrzeug fahren, inklusive aller Kilometer. Getankt wird mit Tankkarte auf Rechnung der Stadtwerke. Für Kurzstrecken können die Testkunden 30 Minuten lang eines der Stadtwerke-Leihfahrräder nutzen – und das mehrmals am Tag.
Für mich klingt das auf den ersten Blick attraktiv, weshalb ich die Probe aufs Exempel machen werde und mich bis zum Jahresende auf dieses Angebot einlasse. Das Privatauto darf vorerst weiter in der Garage stehen, bis ich mir im Klaren bin, ob eine Mobil-Flat eine Alternative wäre.
60 Personen können an dem auf ein Jahr angelegten Pilotversuch der Stadtwerke teilnehmen, der seit Anfang Oktober läuft. Es geht darum, Daten zu sammeln, wie Kunden das Flat-Angebot nutzen, um daraus ein attraktives Angebot zu schnüren, das sich trotzdem rechnet, sagt Walter Casazza. Im nächsten Jahr soll die Flat dann für alle Kunden erhältlich sein. Die Testkunden müssen penibel Tagebuch führen, wann und warum sie welches Verkehrsmittel nutzen. Die Daten werden nicht nur von den Stadtwerken, sondern auch von einem Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETH ausgewertet.
„Wir können in Augsburg alle Mobilitätsformen abbilden“, sagt Casazza. Es gehe darum, auf das veränderte Mobilitätsverhalten der Menschen einzugehen. Schon jetzt stehe das eigene Auto bei jungen Leuten nicht mehr im Vordergrund. Ein Carsharing-Fahrzeug ersetze sieben Privatfahrzeuge; alles Autos, die im engen städtischen Raum keine Parkplätze belegen und die Luft nicht verpesten. „Ich glaube, dass wir das richtige Angebot haben, um Menschen anzusprechen, die ihr Verkehrsverhalten ändern wollen“, betont Casazza.
Meine Motivation ist auch finanzieller Natur: Laut ADAC kostet ein Mittelklassewagen jeden Monat zwischen 500 und 700 Euro. In dieser Summe stecken neben dem Anschaffungspreis und Benzin auch Versicherungen, Kfz-Steuer sowie Werkstatt- und Reifenkosten. Das ist viel Geld für etwas, das den größten Teil der Zeit nicht genutzt wird.
137 Carsharing-Fahrzeuge gibt es in Augsburg, verteilt auf 57 Standorte. Die Nachfrage sei hoch, sagt der Leiter des Kundenservices, Michael Neßler, weshalb das Angebot stetig ausgebaut werde. Derzeit nutzen rund 3300 Kunden Carsharing. Damit die Autos keine Konkurrenz zu öffentlichen Verkehrsmitteln darstellen, müssen sie nach Benutzung an ihren Standort zurückgebracht werden. Nach Zahlen der Stadtwerke fahren die aktiven KunStadtwerkechef den die Fahrzeuge durchschnittlich 4,2 Mal im Monat und sind dann acht Stunden damit unterwegs. Mittels einer App auf dem Handy kann man nachvollziehen, wo die Stationen sind und die Fahrzeuge gleich buchen.
Ob es schon heute möglich ist, aufs Auto zu verzichten, wird für mich der Test zeigen. Denn bei aller Einsparung und allen ökologischen Vorteilen muss ich mobil bleiben. Auch die Familie muss mitspielen. Ob meine Kinder begeistert sind, für jede Fahrt erst einen Fußmarsch zum nächsten Carsharing-Punkt auf sich zu nehmen, weiß ich nicht. Die Zahl der Fahrzeuge klingt zunächst ausreichend.
Doch was passiert, wenn alle Carsharing-Nutzer an einem sonnigen Wochenende wegfahren wollen? Auf diese und andere Antworten erhoffe ich mir in den kommenden Wochen Antworten. ⓘ
Info Fridtjof Atterdal ist Autor der Augsburger Allgemeinen. Aktuell testet er für die Lokalredaktion die neue MobilFlat der Augsburger Stadtwerke. Den monatlichen Pauschalbetrag von 75 Euro im Monat übernimmt die Redaktion. Fridtjof Atterdal wird in den kommenden Wochen regelmäßig über seine Erfahrungen mit der Mobil-Flat der Stadtwerke berichten.