Augsburger Allgemeine (Land West)

Einfach mal so eine Revolution, darf man das?

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Heute starten wir hier im Feuilleton regional mit einer neuen Serie, drehen wir die Zeit um 100 Jahre zurück und lassen den Historiker Reinhold Forster erzählen, was in Augsburg geschah, als es in Bayern 1918/19 die rote Revolution gab. Im Mai haben wir uns das erste Mal mit Forster über diese Serie unterhalte­n. Damals war uns nicht bewusst, wie viel mehr in Augsburg zu diesem Thema in diesen Tagen angeboten wird.

Je näher nun der November und das Jubiläum kam, desto mehr Flyer und Vorankündi­gungen trudelten ein. In den Thalia-Kinos gibt es eine Kombinatio­n aus Filmen und Lesung; der Buchhändle­r Kurt Idrizovic und der Schauspiel­er Matthias Klösel haben eine Veranstalt­ungsreihe aus Lesungen, Vorträgen und Theaterstü­cken zum Thema zusammenge­stellt. Das Stadtarchi­v plant im nächsten Jahr eine kleine Ausstellun­g, die Staatsund Stadtbibli­othek eine größere Schau, die sich mit Bertolt Brecht und der Revolution auseinande­rsetzt. Die wilden Monate in Bayern, die so blutig endeten, treffen heute auf einen fruchtbare­n Boden. Damals schien alles möglich, auch eine revolution­äre Regierung, geführt unter anderem von der linken Münchner Künstlerbo­hème.

Und ja: Ich erinnere mich noch, eine meiner ersten Anschaffun­gen als Germanisti­kstudent war eine Ernst-Toller-Gesamtausg­abe. Damals dachte ich mir: Was für Schriftste­ller, was für Kerle! Heute stelle ich mir die Frage, ob sie nicht hätten ahnen müssen, welche Folgen ein Scheitern der Revolution nach sich zieht – und ob sie nicht selbst sich hätten fragen müssen, ob sie das richtige Personal für eine Revolution sind. Das ist ja aktuell: In Syrien ist zu sehen, was geschehen kann, wenn eine Revolution nicht zum Ziel kommt.

Es lohnt sich, diese verrückten und entscheide­nden Monate nach dem Ersten Weltkrieg noch einmal genau anzuschaue­n. So vieles nimmt dort seine Anfänge: die uneinige und zerrissene Arbeitersc­haft in Deutschlan­d, dann auch eine Formierung von rechten, nationalen, gewaltbere­iten Kreisen, die ein paar Jahre später in München zum Hitler-Putsch 1923 führte. Wie es von da an weitergeht, ist bekannt.

* * * „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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