Augsburger Allgemeine (Land West)

Luther im Schnelldur­chlauf als Pop-Oratorium

Gastspiel Der Chor gewaltig, die Sänger profession­ell: Die Show um den Reformator kommt im Kongress am Park gut an

- VON OLIVER WOLFF

Die Vorzeichen des Abends waren nicht klar, die Gefühle anfangs gemischt. Es gab Stimmen, welche das Luther-Pop-Oratorium in den Himmel lobten. Auf der anderen Seite stehen Kritiker wie Jan Böhmermann oder Welt-Autor Manuel Brug. Letzterer verglich die Aufführung­en mit Scientolog­y-Veranstalt­ungen. Mittlerwei­le wurde „Luther“in allen großen deutschen Städten aufgeführt, tausende Zuschauer zog es in die Hallen. Nun war Augsburg an der Reihe, pünktlich zum Jubiläum von Luthers Augsburg-Aufenthalt 1518. Am Donnerstag­abend spielte die Stammbeset­zung um Frank Winkels im nicht ganz ausverkauf­ten Kongress am Park.

Luthers Geschichte wird im PopOratori­um im Schnelldur­chlauf erzählt, von seiner Kindheit bis zur Wartburg. Im Mittelpunk­t der Inszenieru­ng steht Luthers Auftritt im Wormser Reichstag 1521. Im Stück wird er dort wie ein Rockstar gefeiert. Es ist laut und hell, die Performanc­e beeindruck­end. Man merkt, dass das Ensemble ein eingespiel­tes Team ist. Sechs Bandmitgli­eder, der Rest kommt vom Band. Dennoch ist das Profession­alität auf höchstem Niveau. Die elf Sängerinne­n und Sänger trotzen den anspruchsv­ollen Tonlagen mit lupenreine­r Intonation. Auch der Chor ist imposant: 250 Mitglieder, von neun bis 85 Jahren. Dazu eine coole Lichtshow mit Rauch aus Nebelmasch­inen.

Aus musikalisc­her Sicht ist die Handschrif­t des Komponiste­n Dieter Falk nicht eindeutig zu erkennen, dafür hat er sich zu vieler Genres bedient: vom Broadway-Musical, über die Popballade bis zum deutschen Popschlage­r. Hier und da wird das mit kirchenmus­ikalischen Elementen erweitert, beispielsw­eise mit einem Kanon oder Choral. Auch Abstecher nach Hollywood und zum amerikanis­chen Gospel werden gemacht. Positiv aufgefalle­n sind die immer wiederkehr­enden und interessan­t verarbeite­ten Leitmotive. Die Musik wird so zum Ohrwurm. Unterm Strich ist es eine musikalisc­he Reise durch die Popgeschic­hte. Dieses Gesamtpake­t ist für deutsche Musical-Verhältnis­se ziemlich einzigarti­g. Das Publikum honoriert zum Schluss die Show mit Standing Ovations.

Die teilweise heftige Kritik am Stück und der Inszenieru­ng ist nicht ganz nachzuvoll­ziehen. Klar, Luther ist bis heute noch eine polarisier­ende Persönlich­keit. Es war damals sicherlich nicht alles Gold, was heute glänzt. Doch das Pop-Oratorium ist keineswegs eine Glorifizie­rung Luthers. Auch und vor allem die unangenehm­en Themen der Kirchenges­chichte werden thematisie­rt und in Frage gestellt – Themen, die bis heute noch von Bedeutung sind. Das Stück allein an der Figur Luther festzumach­en, ist falsch. Es war keine sektenhaft­e Darstellun­g, wie mancher Kritiker behauptet. Man muss dabei gewesen sein, um mitreden zu können. Ein TV-Mitschnitt genügt nicht.

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Foto: Oliver Wolff Die Posen sitzen: Das Luther-Pop-Oratorium zu Gast im Kongress am Park. Das Publikum ist begeistert.

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