Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Feind im eigenen Körper
Gesundheit Rund eine Million Frauen weltweit erkrankt jährlich an Brustkrebs. In Augsburg setzt sich der Verein mamazone für Aufklärung ein. Für viele Frauen bietet er noch mehr
Behutsam träufelt Aromaexpertin Sibylle Thielen ein paar Tropfen Öl auf einen Papierstreifen. Lavendel. „Gut bei Einschlafproblemen“, sagt Thielen und reicht die Duftprobe an ihre Zuhörerinnen weiter. Etwa 15 Frauen sind an diesem letzten Dienstag im Oktober zum monatlichen mamazone-Treff ins Klinikum Augsburg gekommen – ein Treffen von Frauen mit Brustkrebs. Das Thema heute: Aromapflege.
„Wir laden immer wieder Referenten zu uns ein“, sagt Biggi Welter. Sie leitet die Selbsthilfegruppe. Mal geht es bei den Treffen um Ernährung, mal um Sport. „In erster Linie geht es aber immer um den Austausch“, sagt Welter. Vor elf Jahren erkrankte sie selbst, ihr erster Anruf ging damals an mamazone. Dort bekam sie Trost, Zuspruch und vor allem viele wertvolle Informationen. Schon damals sagt sie sich, dass sie dieses Gefühl von Geborgenheit und Verständnis irgendwann zurückgeben möchte. Heute ist sie für viele Frauen nach der Diagnose eine der ersten Ansprechpartnerinnen. „Wenn man Frauen trifft, die das eigene Schicksal teilen, hat man das Gefühl, innerhalb weniger Minuten eine Schwester gewonnen zu haben“, sagt Welter. Viele Patientinnen können hier über Ängste und Sorgen reden.
Inzwischen hat die Aromaexpertin einen weiteren Duft in die Runde gegeben: Manuka. Ein Öl, das, richtig dosiert, Erleichterung bei psychischer Belastung bringen kann. Ein Zustand, den in der Runde alle kennen. Als Biggi Welter die Diagnose bekam, war ihre Tochter acht Jahre alt. Ein Schock für die ganze Familie. Deshalb ging sie mit den Kindern und dem Ehemann drei Wochen auf eine Kur der Rexrodt von Fircks Stiftung. „Das Motto der Kur heißt ,Gemeinsam gesund werden‘ “, erzählt Welter. „Dabei werden die Kinder nicht als Begleitung, sondern auch als Patienten behandelt. Sie sollen lernen, dass sie trotzdem froh sein dürfen, auch wenn es der Mama gerade schlecht geht.“
Diese und weitere Stiftungen und Angebote für Angehörige und Patientinnen präsentieren sich vom 2. bis 4. November bei der Brustkrebs-Fortbildung am Klinikum Augsburg. Neben zahlreichen Vorträgen und Diskussionen soll es auch hier um den Austausch gehen. Und darum, sich über die Krankheit und Behandlungen umfassend informieren zu können.
„Man muss seinen Feind kennen, damit man ihn bekämpfen kann“, findet eine Patientin, die 2017 die Diagnose bekam und seitdem regelmäßig zur Selbsthilfegruppe kommt. Sie möchte anonym bleiben. „Es gibt viele Formen der Krankheit und es ist so schwer, den Arzt beziehungsweise den eigenen Befund zu verstehen“, sagt sie. „Da hilft es sehr, wenn man sich mit anderen austauschen kann.“Kurz nach der Diagnose brachte sie auch ihren Lebensgefährten mit zu einem Treffen. Es habe ihm sehr geholfen, Frauen zu sehen, die den Krebs überlebt haben, sagt sie.
Sie selbst hat ihr Leben nach der Diagnose neu ausgerichtet. „Ich mache jetzt die Dinge, die ich vorher immer in die Zukunft verschoben habe, zum Beispiel bestimmte Reisen. Mir ist die Wertigkeit der Tage bewusster geworden.“Außerdem sei sie mutiger geworden. Keine Flugangst mehr. Und auch die Höhenangst ist schwächer geworden. „Ich denke mir, wenn ich die Krankheit und die Chemotherapie überlebt habe, dann auch das“, sagt sie und lacht.
Natürlich gibt es schwere Tage. Besonders dann, wenn einer der zahlreichen Nachsorge- und Kontrolltermine ansteht. Auch beim diesem Thema machen die Frauen sehr unterschiedliche Erfahrungen. So erfuhren einige, dass sie viel mehr in Anspruch nehmen können, als ihnen bewusst war. „Wenn man alleine in seinem Kämmerchen sitzt, erfährt man das nicht“, sagt Welter. ⓘ
Projekt Diplompatientin Der Augsburger Verein mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs ist mit über 1900 Mitgliedern die größte Brustkrebs-Patientinnen-Initiative in Deutschland. Das Projekt Diplompatientin widmet sich in Vorträgen und Diskussionen seit vielen Jahren der Aufklärung über Krankheit und Behandlungsmethoden. Informationen über die aktuelle Veranstaltung und Vorträge vergangener Jahre gibt es unter www.diplompatientin.de.