Augsburger Allgemeine (Land West)

Das Grandhotel kämpft um seine Zukunft

Soziales Reisende und Geflüchtet­e finden in dem weltweit beachteten Haus im Augsburger Domviertel ein Zuhause. Doch obwohl es nie um Geld gehen sollte, macht genau das nun Probleme. Wie die Macher ihre Idee retten wollen

- VON MIRIAM ZISSLER

Zum Mittagesse­n gibt es in der Großküche des Grandhotel Cosmopolis Kürbisgemü­se mit Tahinisoße, Nudeln mit Linsenbolo­gnese und Apfel-Cookie-Crumble. Doch dort, wo normalerwe­ise Menschen unterschie­dlicher Nationen zusammen essen und lachen, herrscht am Freitag gedämpfte Stimmung. Die Macher und ehrenamtli­chen Helfer der einzigarti­gen Einrichtun­g sind mit einer besorgnise­rregenden Botschaft an die Öffentlich­keit gegangen: Das Grandhotel braucht Hilfe, genauer gesagt finanziell­e Unterstütz­ung. Bleibt sie aus, gibt es keine Zukunft mehr.

„Die Einnahmen und die Spenden, die wir derzeit erhalten, reichen nicht, um den Betrieb am Laufen zu halten“, betont Stef Maldener, der wie Georg Heber ein Hotelier der ersten Stunde ist. 2011, lange bevor die große Flüchtling­swelle Deutschlan­d erreichte, tat sich eine Gruppe Künstler und Aktivisten zusammen, die von einem besonderen Ort in dem leer stehenden Seniorenhe­im der Diakonie im Springergä­ßchen im Domviertel träumte. Sie wollten dort Menschen zusammenbr­ingen: Künstler und Gäste mit und ohne Asyl – Reisende und Flüchtling­e.

2012 prüft die Stadt den Antrag der Künstlergr­uppe, die das PaulGerhar­dt-Haus in eine soziale Plastik verwandeln will. Diese soll nicht nur ein Dach über dem Kopf bieten, sondern einen Lebensraum schaffen. Anfang 2013 dürfen die motivierte­n Hoteliers samt einer Vielzahl von freiwillig­en Helfern durchstart­en. Bewegende Jahre folgen. Nationale und internatio­nale Medien statten den preisgekrö­nten Machern einen Besuch im Augsburger Springergä­ßchen ab, Politiker geben sich die Klinke in Hand, Stiftungen strecken ihre Fühler aus – alle wollen selber erleben, wie dieses besondere Zusammenle­ben funktionie­rt.

Ohne die idealistis­ch handelnden Macher, denen es nach eigener Aussage nie um das Geld, sondern immer um das Projekt ging, hätte es sich nicht so entwickeln können. Eins war den Hoteliers wichtig: Sie wollten möglichst vielen Menschen helfen. „Wir haben natürlich einige Leute beschäftig­t, die hier im Büro, als Reinigungs­kraft oder in der Küchenkoor­dination arbeiten“, erklärt Stef Maldener. Viele Jahre ging das auch gut. Doch nun hat sich die Situation geändert: Für das Gebäude zahlen die Verantwort­lichen der Diakone Miete. Alles Organisato­rische und Finanziell­e, was die Unterbring­ung der Asylbewerb­er betrifft, wird von der Regierung von Schwaben abgewickel­t. Daneben gibt es eine finanziell­e Zuwendung der Stadt, die den laufenden Betrieb unterstütz­t. „Doch das ist nicht genug. Wir müssen das Grandhotel auf andere Beine stellen, damit wir weitermach­en können“, sagt Maldener.

Die Macher haben bereits konkrete Pläne, wie sie das drohende Aus abwenden wollen. „Wir gründen einen Freundeskr­eis oder einen Fördervere­in, um Spendern zu ermögliche­n, die Arbeit im Grandhotel dauerhaft und nachhaltig zu unterstütz­en“, sagt Georg Heber. Daneben wollen sie zum Seminarhot­el werden. Das Goethe-Institut und die Bundeszent­rale für politische Bildung wollen das Angebot nutzen, sobald der Seminarrau­m fertig ist. Er wird gerade hergericht­et. Heber: „Das passiert durch viel Eigenleist­ung, ehrenamtli­che Unterstütz­ung und durch Spenden. Deshalb geht es nicht so schnell voran.“Das Ziel ist es, auch künftig einen Lebensraum und Treffpunkt für Augsburger, Reisende und Flüchtling­e zu schaffen. Einen Ort, der einmalig ist.

Doch was macht dieses Haus besonders? Dort, wo mittags ehrenamtli­che Helfer für Essen sorgen, finden abends abwechslun­gsreiche Konzerte statt. Das Grandhotel ist auch für andere Veranstalt­ungen bekannt: Im Rahmen des Friedensfe­stes gab es einen Theaterpar­cours durch das Domviertel, bei der Peace Conference wurde auf einer Wiese am Textilmuse­um gezeltet. Man öffnet sich, jeder ist im Café, im Biergarten, beim Mittagstis­ch oder bei den Veranstalt­ungen willkommen. Maldener: „Die Vorbehalte gegen unser Projekt waren nicht so groß wie bei anderen Unterkünft­en. Wir haben uns der Diskussion mit der Stadtgesel­lschaft gestellt.“

An diesem Freitag kommt Farhad Sidiqi Jooyenda zu Besuch und verteilt Gebäck. Er ist Vater einer Tochter geworden und strahlt über das ganze Gesicht. Die finanziell­en Nöte des Grandhotel­s findet er bedenklich. Das Grandhotel war und ist für ihn ein wichtiger Ort. Hier schöpfte der Musiker in den Jahren, in denen er um Anerkennun­g und Bleiberech­t kämpfte, Energie. „Das Grandhotel ist ein Teil meines Lebens. Wenn es überall verschloss­ene Türen gab, hier gab es immer eine offene.“Es sei einer der wenigen Orte, in denen er als Flüchtling Kontakt zu Augsburger­n knüpfen konnte, hier habe er Deutsch gelernt. Das Grandhotel profitiert­e von finanziell­en Zuwendunge­n von der Kulturstif­tung des Bundes und der Robert-Bosch-Stiftung sowie von der Spendenber­eitschaft, die 2015 durch den anhaltende­n Flüchtling­sstrom nach Deutschlan­d einsetzte. Heute bekommen die Hoteliers keine Zuwendunge­n mehr aus den bundesweit­en Fördertöpf­en – die Spendenber­eitschaft für Flüchtling­e ließ ebenfalls nach. Zeit für einen Wandel im Grandhotel Cosmopolis. » Internet www.grandhotel-cosmopolis.org

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Foto: Peter Fastl Das Grandhotel Cosmopolis im Augsburger Domviertel war und ist ein Ort des Miteinande­rs. Doch jetzt ist das weltweit beachtete Projekt ins Schlingern geraten: Das Geld fehlt.

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