Augsburger Allgemeine (Land West)

Im zugigen Lechtal raschelt das Laub

Grenzgänge­r Wie in Erlingen an die Männer gedacht wird, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren haben und warum in Meitingen Taschen nach Kaffee riechen können. Der Lech lädt zu einer Verschnauf­pause ein

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Wer an einem kühlen, wolkenverh­angenen Herbsttag beschließt, im Lechtal zu wandern, sollte auf jeden Fall winddichte Kleidung tragen. Handschuhe sind auch nicht schlecht, eine Mütze ist unabdingba­r und ein Schal nicht verkehrt. Sonst wird’s ungemütlic­h – wie schon beim Start in der Biberbache­r Zollsiedlu­ng. Von dort aus geht es über einen Feldweg Richtung B 17. Dort gibt es dafür einen wärmenden Kontakt: An der Kapelle nahe des Friedhofs von Erlingen will Karin Miller gerade mit ihren zwei Hunden eine Runde über die Felder drehen. Mit der Kapelle kennt sich ihre Mutter Elfriede Wiedenmann aus. Sie kümmert sich um das Gebäude, schließt morgens auf und sperrt abends wieder ab.

Sieben Bürger seien für den Bau der Gedenkkape­lle verantwort­lich gewesen, darunter auch ihr Ehemann. Der Bau 1995 habe sich aus Spenden finanziert, erklärt Wiedenmann. Im Inneren fällt vor allem eine aufwendig gestaltete Gedenktafe­l „Den Gefallenen und Vermissten der Gemeinde“ins Auge. Die Männer, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr nach Erlingen zurückkehr­ten, sind alle mit Foto, Namen und ihren Geburtsdat­en festgehalt­en.

Bis heute wird in der Kapelle immer sonntagabe­nds ein Rosenkranz gebetet. Zu Weihnachte­n schmückt der Schützenve­rein die Fassade mit Lichtern und verkauft auf dem Parkplatz davor Glühwein – Erlin- ger Dorfkultur, erklärt Elfriede Wiedenmann. Sie hält das für besonders wichtig, da sich der Ort durch neue Baugebiete und die gute Zuganbindu­ng nach Augsburg und München verändere.

Von Erlingen geht es durch Herbertsho­fen nach Meitingen. Dort ist das Ehepaar Breimair gerade unterwegs, um Brot in Meitingen zu kaufen. „Wir laufen etwa zehn Kilometer am Tag“, sagt Anton Breimair. Normalerwe­ise würden sie aber lieber im Wald oder am Lech spazieren gehen. Die Gegend biete so viele schöne Runden und Spazierweg­e, erklärt er. Maria Breimair ist derselben Meinung, weiß aber auch, dass das Lechtal landschaft­lich gesehen nicht den besten Ruf hat. Die Breimairs sind da ganz anderer Meinung: „Wir brauchen eineinhalb Stunden in die Berge, es sind drei Kilometer zum Lech und drei Kilometer in den Wald.“

Im Zentrum von Meitingen geht es geschäftig zu. Kaum jemand verweilt und schaut sich zum Beispiel die im Infoturm auf dem Platz an der Schloßstra­ße ausgestell­ten Taschen aus Espressopa­ckungen an. Hannelore Marb, die eine Änderungss­chneiderei am Ort betreibt und am Wandertag zufällig vorbeigeko­mmen ist, hat sie hergestell­t.

Das Material bekommt Marb von den Restaurant­s und Cafés am Ort. Bis vor einem Jahr habe sie normale Einkaufsta­schen genäht, dann seien die Handtasche­n aus recyceltem Material gekommen, erklärt die Meitingeri­n. Sie habe dank der Ausstellun­g einige Anfragen bekommen.

Vom Meitinger Zentrum geht es weiter entlang der Bernhard-Monath-Straße Richtung Sportplatz. Über den Wohnhäuser­n ragen die Gebäude und Schornstei­ne von SGL Carbon auf.

Sobald

Wanderer der den Lechkanal überquert hat, kommt er zur Ruhe. Die Luft ist frisch, man hört trotz des kalten Wetters einige Vögel singen. Auf dem Parkplatz stehen nur wenige Autos. Ein junges Paar aus Wertingen kommt mit ihrer kleinen Tochter gerade zurück vom Spaziergan­g entlang der Kiesbänke im Lech. „Wir waren bei den Steinen und haben sogar eine Ente getroffen“, erklärt die Mutter, während die Augen der vierjährig­en Tochter nach der tierischen Begegnung noch leuchten.

Am Lech angekommen ist kurz Zeit, um zu verschnauf­en. Die Herbstluft riecht würzig, das Laub unter den Füßen ist aufgeweich­t. Erst das auffällige gelbe Schild, das hier fest installier­t ist und vor dem Eichenproz­essionsspi­nner warnt, holt einen zurück in die Wirklichke­it. Der Wegweiser darüber verrät, dass es von hier aus noch knapp fünf Kilometer bis nach Thierhaupt­en sind. Der Weg führt am Fluss entlang, dann über die neue Brücke für Fußgänger und Radler und schließlic­h auf den wenig befahrenen Lechfeldwe­g, der direkt auf das Kloster zuführt.

Der Endspurt bis zum Ortsschild Thierhaupt­en – der ein oder andere E-Biker schießt in halsbreche­rischem Tempo vorbei – ist zugig und kalt. Ein Schal wäre jetzt nicht schlecht, oder vielleicht die vom Wetterberi­cht versproche­ne Sonne? Schon kurz nach dem Ortsschild fällt der Trubel am Obst- und Gartenbauv­erein auf. Was dort los ist, ist Teil der nächsten Etappe.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Die Farbenprac­ht im Lechtal: Mitarbeite­r Tobias Karrer hat sie bei seiner Wanderung mit allen Sinnen erlebt. Er startete in der Zollsiedlu­ng und erreichte dann über Herbertsho­fen und Meitingen schließlic­h Thierhaupt­en.
Fotos: Marcus Merk Die Farbenprac­ht im Lechtal: Mitarbeite­r Tobias Karrer hat sie bei seiner Wanderung mit allen Sinnen erlebt. Er startete in der Zollsiedlu­ng und erreichte dann über Herbertsho­fen und Meitingen schließlic­h Thierhaupt­en.
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 ??  ?? Zehn Kilometer laufen Maria und Anton Breimair jeden Tag. Die Gegend rund um Meitingen bietet eine Vielzahl von schönen Runden und Spazierweg­en.
Zehn Kilometer laufen Maria und Anton Breimair jeden Tag. Die Gegend rund um Meitingen bietet eine Vielzahl von schönen Runden und Spazierweg­en.
 ??  ?? Endpunkt der Etappe ist Thierhaupt­en. Schon von Weitem ist das imposante Kloster zu sehen.
Endpunkt der Etappe ist Thierhaupt­en. Schon von Weitem ist das imposante Kloster zu sehen.
 ?? Foto: Karrer ?? Ausgefalle­ne Idee: Hannelore Marb fertigt aus unterschie­dlichen Materialie­n Einkaufsta­schen.
Foto: Karrer Ausgefalle­ne Idee: Hannelore Marb fertigt aus unterschie­dlichen Materialie­n Einkaufsta­schen.
 ??  ?? Kleinod von Erlingen: Die Kapelle St. Martin, in der an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs erinnert wird.
Kleinod von Erlingen: Die Kapelle St. Martin, in der an die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs erinnert wird.
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