Augsburger Allgemeine (Land West)
Kind&Kegel
Wie Eltern dem Nachwuchs Grenzen setzen
Landkreis Augsburg/Stadtbergen Florian ist gerade einmal ein Jahr alt und erobert seine Welt täglich neu. Aktuell geht er zu Hause auf Entdeckungstour und visiert nur zu gerne die Steckdose an, die ihn beim Krabbeln verlockend auf Augenhöhe anzugrinsen scheint. Und Mama Heike? Sie reagiert tagtäglich gleich. Sie geht zu ihrem Filius, schaut ihn an, erklärt ihm, dass er das nicht darf, und nimmt ihn zur Seite. Damit setzt Mama Heike ihrem Sohn eine körperlich spürbare Grenze und macht damit vieles richtig, verrät die Früherziehungsberaterin Marion Hirsekorn. Zum Vergleich: Würde Heike ihrem Baby nur von der Couch aus ein ermahnendes „Du-du-du“zurufen, wäre die Grenze für den Einjährigen nicht spürbar.
Bereits vor ihrer Geburt spüren Babys eine Grenze – nämlich im Bauch der Mutter. Obgleich sie häufig strampeln und aus ihrer Wohnung auf Zeit ausbrechen wollen, bildet der Bauch die erste Grenze, die sie spüren können.
Wie streng Grenzen gesetzt wurden und werden, ist in weiten Teilen historisch bedingt. Jeder Erziehungsstil der Vergangenheit – egal ob mit einem Mangel an Emotionalität oder im halt- und grenzenlosen Laissez-faire-Stil – kann noch heute nachwirken. Auch gibt es heute Ansätze, Kinder als gleichwertige Partner anzusehen. „Grenzen zu setzen heißt, eine Haltung in mir darzustellen“, erklärt Marion Hirsekorn.
Dabei ist eine Grenze keinesfalls etwas Negatives, sondern eine Richtung, die Geborgenheit bietet und Kindern die Chance offeriert, sich sicher zu fühlen. Dass dieser Prozess ein dynamischer ist, merken Eltern regelmäßig, denn: Jede Entwicklung bedeutet eine Vergrößerung des Freiraums. Dann müssen Eltern ihre Grenzen nachjustieren. Dabei muss das Jonglieren mit der Grenzsetzung vor allem altersabhängig passieren. Ein Zweijähriger darf natürlich noch nicht selbstständig über die Straße gehen, allerdings darf er kucken und den Startschuss geben, um an Mamas Hand die Straße zu überqueren. Eine Herausforderung ist das Thema „Grenzen setzen und halten“vor allem in der Trotzphase. „Mit jedem Nein schränken Eltern die Macht des Kindes ein“, erklärt Marion Hirsekorn. Was folgt, ist logischerweise Wut. Spätestens im Alter von vier Jahren werden Grenzen den Kindern noch einmal in einer ganz anderen Qualität bewusst. Ab fünf oder sechs Jahren können sie anfangen, ihre Eltern zu provozieren.