Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie kann man den Feldhamster retten?
Die possierlichen Tierchen sind in Bayern vom Aussterben bedroht. Nur im Norden des Freistaates gibt es sie noch. Was ihnen so zu schaffen macht
Augsburg Wenn man Ralf Schreiber so zuhört, dann vergeht einem ein wenig der Appetit aufs Mittagessen. Hamster aus dem Kochtopf? Im Ernst? Früher sei das gar nicht so ungewöhnlich gewesen, sagt der Biologe aus Neu-Ulm, der sich seit Jahrzehnten mit dem Feldhamster beschäftigt. In der ehemaligen DDR sei die Hamsterjagd ein richtiger Wirtschaftszweig gewesen, die Felle der possierlichen Tierchen wurden verkauft und als Innenfutter für Mäntel verwendet. Und einige Nager landeten eben im Topf.
Nun ist all das lange her und wäre so heute überhaupt nicht mehr denkbar. Denn der Feldhamster, etwa so groß wie ein Meerschweinchen und zwischen 400 und 500 Gramm schwer, ist seit Ende der 80er Jahre streng geschützt. Damit will man erreichen, dass der Bestand nicht noch weiter zurückgeht – die Tiere sind vom Aussterben bedroht. Nachdem sie lange gejagt wurden, kann sich der Hamster kaum mehr erholen – vor allem deshalb, weil er in unserem modernen, schnellen Leben einfach keinen Platz mehr zu haben scheint.
„Der Lebensraum des Hamsters hat sich massiv verändert, vor allem durch die intensive Nutzung der Landwirtschaft“, sagt Biologe Schreiber. „Ihm bleibt nicht genug Nahrung und nicht genügend Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten.“Hinzu kommen die vielen Straßen, Gewerbegebiete, Supermärkte, Logistikhallen, die tagtäglich im Freistaat entstehen und die den Lebensraum des Hamsters immer kleiner machen. In Bayern gibt es die Tiere heute nurmehr im Norden. „Der Hamster ist ein Franke“, sagt Schreiber. In Schwaben ist das Tier schon seit den 70er Jahren verschwunden.
Schreibers Beschäftigung mit dem Hamster beginnt mit einer Au- tobahn. Der A71. Von Schweinfurt nach Erfurt. Als die Mitte der 90er Jahre gebaut wurde, ging es um die Frage, ob das für den Hamster ein Problem werden könnte. Schreiber war damals Gutachter. Gebaut wur- de die A71 natürlich – doch für den Hamster gab es Ausgleichsflächen und Wege, auf denen er jenseits der Schnellverkehrsstraße unterwegs sein konnte. Seit jenem Projekt hat Schreiber die Faszination für den Nager nicht mehr losgelassen. Seine Begeisterung für das Tier führt ihn sogar kreuz und quer durch Europa. Zuletzt nach Straßburg zu einer Tagung von internationalen Feldhamster-Experten. „Wir haben dort gemeinsam überlegt, wie wir dem Hamster helfen können. Aber eine Patentlösung, nach der wir alle suchen, gibt es nicht. Die Population geht überall zurück. Nicht nur in Bayern, sondern zum Beispiel auch in Russland.“In einigen Staaten wird der Nager jetzt wieder nachgezüchtet, auch in einigen deutschen Bundesländern. In Bayern aber nicht. „Das Umweltministerium hat immer gesagt, dass es ihm noch gut geht“, sagt Schreiber. „Aber bei einer Tagung vor kurzem in Würzburg hat das Ministerium dann eingeräumt, dass man etwas tun muss.“
Die Frage ist nur: Was? Man müsse dafür sorgen, dass die Landwirtschaft
Der Feldhamster ist streng geschützt
Es wird viel zu früh abgeerntet
nicht mehr so intensiv betrieben wird, meint Experte Schreiber. Das dringendste Problem sei, dass die Bauern ihre Felder viel zu früh abernteten – dem Hamster fehlt so das Futter für den Winter. Nun ist es aber so, dass der Vertragsnaturschutz eine freiwillige Sache ist. Landwirte, die ihre Flächen nach den Zielen des Naturschutzes bewirtschaften, erhalten für den Aufwand und den entgangenen Ertrag Geld. Allerdings zu wenig, findet Schreiber. „So ist das nicht möglich. Der Anreiz ist zu niedrig.“Schreiber hält es für dringend nötig, dass in Bayern unbedingt die Bauern miteinbezogen werden. Zudem müsse es zusätzliche Betreuer vor Ort geben, denn die unteren Naturschutzbehörden seien personell ohnehin schon überlastet.
Wenn man dem Naturexperten so zuhört, dann scheint es beileibe nicht einfach zu werden, den Feldhamster in Bayern zu retten. Dieses kleine, possierliche Tierchen, dem immer mehr Lebensraum abhanden kommt.