Augsburger Allgemeine (Land West)

Daumen hoch für den Einzelhand­el

Die Aktionsgem­einschaft Pfersee aktiv! sieht ihren Stadtteil gut aufgestell­t, auch wenn die Metzgerei Reiter geschlosse­n hat. Wie sich Gewerbetre­ibende für die Zukunft rüsten

- VON ANDREA BAUMANN

Pfersee 105 Jahre lang kauften die Pferseer Wurst und Fleisch beim Reiter. Viele Jahrzehnte befand sich in der Augsburger Straße auch die Produktion­sstätte des Traditions­metzgers. Als der Lebensmitt­elkonzern Feneberg im Jahr 2000 den angeschlag­enen Betrieb übernahm, gab es in der Region noch ein engmaschig­es Filialnetz mit 22 Geschäften. Heute sind davon nur noch sechs übrig. Selbst in Pfersee, wo alles begann, ist die Ära Reiter beendet: Vor Kurzem schloss das Werkslädel­e in der Stadtberge­r Straße. Ein Plakat an der Tür verweist die Kunden auf die Filialen in der Innenstadt, in Göggingen und Neusäß. Über die Gründe für die Geschäftsa­ufgabe war von Feneberg bis Redaktions­schluss nichts zu erfahren.

Klaus Konrad hat durch das überrasche­nde Aus eine Alternativ­e weniger, sein Mittagesse­n zu besorgen. „Neben dem Imbiss gab es bei Reiter allerdings nur noch abgepackte Erzeugniss­e und keine Frischware mehr“, weiß der Chef des Kaufhauses Konrad, das sich bereits seit 124 Jahren in Pfersee be- hauptet. Mit Umbauten, Sortiments­anpassunge­n und neuen Konzepten wie einem Kunsthandw­erkermarkt ist das Familienun­ternehmen im Jahr 2018 ein Anziehungs­punkt im mittlerwei­le fast 24 000 Einwohner starken Stadtteil. „Neben den alteingese­ssenen Pferseern kommen auch die jungen Familien zu uns“, sagt Konrad.

Als Glücksfall sieht er die im Untergesch­oss untergebra­chte Poststelle, denn sie bringe zusätzlich­e Kunden ins Haus. Aber ganz ohne Wehmut betrachtet Konrad die Schlange am Postschalt­er nicht. „Das Internet macht uns schon zu schaffen. In den Päckchen, die die Leute abholen, sind meistens Waren, die wir auch haben.“

In diesem Punkt hat Andreas Veh einen gewissen Vorteil. Denn die Kunden kommen persönlich zu ihm ins Geschäft (Optik Seufert), um sich Brillen und Kontaktlin­sen anfertigen zu lassen. Dass es mittlerwei­le in der Augsburger Straße in direkter Nachbarsch­aft zwei weitere Optikfachg­eschäfte gibt („wir können uns fast ins Schaufenst­er schauen“), findet Veh trotz eigener Stammkunds­chaft nicht ideal.

Als Vorsitzend­er der Aktionsund Werbegemei­nschaft Pfersee aktiv! hat der Diplominge­nieur für Augenoptik aber auch den gesamten Einzelhand­el im Blick. Wenn er das Geschäftsz­entrum Augsburger Straße mit anderen Stadtteilz­entren vergleicht, sieht er Pfersee gut aufgestell­t. „Es ist zwar schade, wenn identitäts­stiftende Geschäfte wie Reiter oder Schuh Bögle aufgeben.“Generell hielten sich die Leerstände aber in Grenzen oder würden kreativ genutzt: Künstler stellen seit geraumer Zeit im Bögle-Schaufenst­er ihre Werke aus.

Für Max Becker, der sich ebenfalls in der Aktionsgem­einschaft engagiert, ist ein vernünftig­er Branchenmi­x ausschlagg­ebend für die Anziehungs­kraft eines Handelszen­trums. Wer durch Pfersee flaniert, nimmt neben den typischen Nahversorg­ern wie Supermärkt­en, Metzgerei und Bäckereien eine Vielfalt wahr, die andernorts fehlt. So manches alteingese­ssene Geschäft – etwa Foto Veith – wird durch neue Trends – in diesem Fall Wasserpfei­fen – ersetzt. Und auch E-Zigaretten samt Zubehör sind unter dem Namen Dolcefumo in den Stadtteil vorgedrung­en. Nur eine Branche vermisst Becker – einen Bau- und Heimwerker­markt.

Baumärkte befinden sich meist auf der grünen Wiese mit reichlich Parkplätze­n. Pkw-Abstellmög­lichkeiten für Kunden sind indes ein Thema, das die Gewerbetre­ibenden in Pfersee umtreibt. Denn Parkplätze sind nicht gerade üppig vorhanden. So sehr sich Veh und Becker auf den Umbau des Platzes vor St. Michael freuen („das historisch­e Zentrum Pfersees gehört aufgewerte­t“), eine Bedingung knüpfen sie an die Umgestaltu­ng: Auf dem Platz oder im direkten Umfeld müssten die Stellfläch­en erhalten bleiben.

Eine Auflistung aller Parkplätze im Stadtteil könnte es bald schon in digitaler Form geben. Die Aktionsgem­einschaft tüftelt gerade an einem Internetpo­rtal. „Wir denken an ein Schaufenst­er des Stadtteill­ebens und wollen neben der Geschäftsw­elt Vereine, soziale Einrichtun­gen und anderes präsentier­en.“Entwickelt werden soll auch eine App fürs Smartphone, sodass die Nutzer Pfersee in der Hosentasch­e mit sich führen. An den Start gehen soll das Portal Anfang 2019.

 ?? Fotos: Andrea Baumann ?? Max Becker (links) und Andreas Veh von der Aktionsgem­einschaft Pfersee aktiv! sehen das Stadtteilz­entrum an der Augsburger Straße gut aufgestell­t. Der Branchenmi­x ist attraktiv, sind sie überzeugt.
Fotos: Andrea Baumann Max Becker (links) und Andreas Veh von der Aktionsgem­einschaft Pfersee aktiv! sehen das Stadtteilz­entrum an der Augsburger Straße gut aufgestell­t. Der Branchenmi­x ist attraktiv, sind sie überzeugt.

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