Augsburger Allgemeine (Land West)
Ganz im Osten
An der äußersten Grenze des Landkreises gibt es nicht nur viel Obst, sondern auch ein zweites Königsbrunn. Wie ein Ehepaar in Ellgau eine neue Heimat in einem ehemaligen Gasthof gefunden haben
Leserin hatte schon im Vorfeld der Wanderung darauf hingewiesen, dass Neukirchen durch das Gewerbegebiet verschandelt worden sei.
In Neukirchen ist es ruhig, auf der Straße ist niemand unterwegs. Der aufwendig gestaltete Maibaum fällt auf. Direkt daneben hängt an einem Gartenzaun eine unscheinbare Tafel, die Kerzen und Geschenkartikel bewirbt. Therese Lösch präsentiert ihr Sortiment. Sie hat sich auf Hochzeitsund Kommunionskerzen spezialisiert, die sie von Hand gestaltet. „Bei mir ist jetzt dann Hochsaison, die Zeit der Kommunionen geht bald los“, sagt Lösch. Ihre Spezialität seien außerdem Fotokerzen. Zusammen mit einem befreundeten Chemiker habe sie das Verfahren, das Wachs zu bedrucken, perfektioniert.
Auch Therese Lösch kennt die Kritik am Gewerbegebiet. Die Gründe für den Standort auf dem Hügel seien nicht nachvollziehbar gewesen, erklärt sie. Im Ort gefällt es ihr trotzdem. Seit 32 Jahren wohnt die Familie in Thierhaupten. Therese Lösch und ihr Mann sind keine gebürtigen Neukirchener und trotzdem schnell Teil der Ortsgemeinschaft geworden. „Hier finden so viele Veranstaltungen statt. Wer zum Beispiel zum Maibaumfest oder zum Schützenball geht, findet schnell Anschluss“, erklärt Lösch. Auch die Neukirchener Jugend halte zusammen. „Früher gab es auch eine Bank und einen Tante-emma-laden, die fehlen jetzt schon“, sagt sie. Zum Glück gibt es den Kindergarten noch immer.
Von Neukirchen aus geht die Wanderung weiter Richtung Königsbrunn. Nicht die Stadt im Süden Augsburgs, sondern ein Weiler nördlich von Thierhaupten – trotzdem eine weite Strecke. Ein Stück weiter im Lechtal, bei Ötz, ist Wolfgang Kinlinger gerade in seinem
Garten unterwegs. „Dass man am siebten November noch den Rasen mähen muss, das gab es ja noch nie“, sagt er. Seit 60 Jahren wohnt Kinlinger jetzt im Lechtal. Er zeigt auf das alte Bauernhaus neben seinem Wohnhaus. Hier sei er mit seinen sechs Brüdern aufgewachsen, zusammen mit Eltern und Großeltern hätten sie zu elft in dem Haus gewohnt.
Weiter Richtung Lech taucht irgendwann die imposante Staustufe bei Ellgau auf. Zwischen den Uferwäldern wirkt das Bauwerk fehl am Platz, aber immerhin gelangt man hier trocken auf die andere Seite. In Ellgau ist auch Werner Schöpf gerade bei der Gartenarbeit. Vor acht Jahren sind er und seine Frau von Augsburg aufs Land gezogen. Sie wohnen jetzt mit der Familie in einem Mehrgenerationenhaus, ein ehemaliger Gasthof, den sie selbst aufwendig renoviert haben. Schöpf genießt den Zugang zur Natur und die Weite der Landschaft. „Nicht einmal für Geld würde ich zurück in die Stadt gehen“, sagt er bestimmt.
Auf dem Weg nach Nordendorf bekommt man das Gefühl, wieder im weniger idyllischen Teil des Lechtals angekommen zu sein. Das Rauschen der Bundesstraße ist zu hören, der Blick fällt auf eine Tankstelle und ein Gewerbegebiet. Besser wird es im Ort. Vor allem der Friedhof leuchtet in der beeindruckenden Abendsonne. Nur die Baustelle im Zentrum, wo zwei neue Wohnhäuser für mehrere Parteien gebaut werden, ist überall deutlich zu hören.