Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Chaos beginnt in der Badewanne
Theaterfreunde Mittelneufnach sind mit einer rasanten Farce in die neue Spielzeit gestartet
Mittelneufnach Tja, dumm gelaufen – das ist in wenigen Worten die Quintessenz dessen, was sich derzeit auf der Bühne im Mittelneufnacher Gemeindezentrum abspielt. Mit der englischen Farce „Hexenschuss“(im Original „A Slip of the Disc“) von John Graham sind die örtlichen Theaterfreunde am Wochenende in hals- und zungenbrecherischem Tempo in ihre neue Spielzeit gestartet.
Knapp zweieinhalb Stunden lang knallen auf der zu einer kompletten Stadtwohnung umgebauten Bühne nahezu im Sekundentakt sämtliche Zimmertüren, treffen ständig neue, unverhoffte Besucher ein und verheddern sich die Akteure schon nach wenigen Szenen in einem heillosen Geflecht aus Missverständnissen, Notlügen und absurd verkrampften Dialogen.
Kurzum: exakt der Stoff, der so recht nach dem Geschmack des Stauden-Ensembles und ihres begeisterten, mit reichlich Szenenapplaus nicht geizenden Publikums ist. Schon seit einigen Jahren haben sich die Mittelneufnacher Hobbymimen genüsslich in der Boulevard-Sparte eingerichtet und pflegen dieses Genre – abseits der „handelsüblichen“Bauerntheaterstücke – mit unbändiger Spielfreude und ebenso professionellen wie überraschenden Regieeinfällen ihres umtriebigen Spielleiters Gottfried Wenger.
Im Zentrum des Wirbelsturms, der auf der Bühne losbricht und sich nach und nach immer weiter aufschaukelt, steht die Kirchenchorsängerin Sally Hills. Verena Kneipp ist der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Sie spielt die Rolle der Sally nicht nur, sie lebt sie – authentisch bis ins kleinste Detail, mal schnurrender Vamp, mal kreischend-nervige Zicke, mit breit angelegtem Mienenspiel und einem rekordverdächtigen Textpensum.
Es ist aber auch zum Haare raufen: nach einem Schäferstündchen wird Sallys Liebhaber, der sehr auf sein Biedermann-Image bedachte Fernsehpfarrer Peter Raven (Robert Happacher), ausgerechnet in der Wanne des ehelichen Badezimmers von einem Hexenschuss überwältigt. Alle Versuche, der peinlichschmerzlichen Situation rasch zu entkommen, scheitern kläglich.
Nur dumm, dass zeitgleich Sallys Ehemann Leonard, ein in Diensten von British Airways stehender Flugkapitän, überraschend nach Hause kommt. Wegen eines Streiks am Flughafen konnte seine Maschine nicht starten. Martin Zwerger gibt den gehörnten, bis zuletzt ahnungslosen Ehemann, der pausenlos mit immer abstruseren Überraschungen konfrontiert wird. Und plötzlich selber ein Riesenproblem hat, als ihm unversehens die hübsche, einem kräftigen Drink nie abgeneigte, Stewardess Annabelle (Rebecca Zwerger) am Hals hängt.
Das Verwirrspiel treibt seinem Höhepunkt entgegen, als die fälschlicherweise für den Klempner gehaltene Notärztin Dr. McKenzie (Magdalena Müller) eintrifft und Jocelyn (Heidi Happacher), die PRManagerin des Fernsehpfarrers, nach ihrem verschollenen, in der Badewanne festsitzenden Unglücksraben sucht. Und da wäre ja auch noch der blinde Klavierstimmer Mr. Phips, der hautnah Ohrenzeuge der
verfahrenen Beziehungskiste(n) wird. Kurt Reiser glänzt in farbenfroher Garderobe in einer Paraderolle als ölig-schnarrender Kommentator allerlei gesellschaftlicher Verwerfungen.
Souffleuse ist Alexandra Zwerger, für die Maske zeichnen Andrea und Elisabeth Wenger verantwortlich. Um den reibungslosen technischen Ablauf kümmern sich Stefan Happacher und Tim Dietmayer.