Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie in Memmingen die Menschenre­chte erfunden wurden

Im März 1525 verfassten Bauernvert­reter zwölf Forderunge­n. Die Artikel waren die erste Niederschr­ift, die Menschenwü­rde mit Freiheitsr­echten verband

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mit der Obrigkeit sind dann jedoch grausam niedergesc­hlagen worden“, sagt Müller.

Dass die Zwölf Artikel entstanden sind, hing laut Müller mit der Übersetzun­g der Bibel ins Deutsche zusammen. „Dadurch konnten die Bauern zum ersten Mal lesen, dass alle Menschen gleich sind“, erklärt er. Dank Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks haben Bauern im ganzen Land Flugblätte­r mit den Zwölf Artikeln drucken lassen. Insgesamt wurden 25000 Flugblätte­r verteilt. „Das war damals eine Sensation“, sagt Müller. „Das ist, als gäbe es plötzlich 5G-standard in ganz Deutschlan­d.“

Während den Bauernarti­keln in Deutschlan­d lange Zeit wenig Beachtung geschenkt wurde, sah das im Ausland ganz anders aus. Müller erinnert sich an eine Reise nach Washington Mitte der 90er Jahre. An der Georgetown-universitä­t habe ihn die Vizepräsid­entin sofort unterbroch­en, als sie seinen Heimatort erfuhr, und sagte: „Memmingen, das ist die Stadt der zwölf Bauernarti­kel.“

Um an die Bauernarti­kel zu erinnern, gibt es seit 2005 den „Memminger Freiheitsp­reis 1525“. Alle vier Jahre werden Persönlich­keiten und Institutio­nen ausgezeich­net, die sich für Freiheit, Recht und Gerechtigk­eit einsetzen. 2016 ging der Preis an den katholisch­en Bischof Erwin Kräutler. Der Österreich­er setzt sich für die Menschenre­chte der brasiliani­schen Indios und die Erhaltung des tropischen Regenwalde­s im Amazonas-gebiet ein.

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