Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit Hitze gegen den Tumor
Weil Krebszellen empfindlich auf Wärme reagieren, können sie in manchen Fällen mit Hyperthermie bekämpft werden. Warum diese in Zukunft immer wichtiger werden könnte
schockproteine. Das ruft Killerzellen des Immunsystems auf den Plan, die die Krebszellen zerstören. „Man kann davon ausgehen, dass durch die Überhitzung verschiedene immunologische Effekte ausgelöst werden“, sagt Prof. Dr. Rainer Fietkau, Direktor der Strahlenklinik des Universitätsklinikums Erlangen. „Zu hundert Prozent weiß man aber nicht, was sich wirklich abspielt.“
Bislang gibt es mehrere Studien, die die Wirksamkeit einer ergänzenden regionalen Hyperthermie bei bestimmten Krebsarten belegen. Zum Beispiel zeigte eine Studie der Uni München, dass Patienten mit einem bösartigen, fortgeschrittenen Weichteilsarkom von einer Therapiekombination profitieren, die neben Operation, Chemo- und Strahlentherapie auch Hyperthermie einschließt. Gegenüber den Patienten, die nur eine Chemotherapie bekom- hatten, hatten sie einen „eindeutigen Behandlungsvorteil“: Die Tumore verkleinerten sich und die Überlebenschancen waren besser. Daneben setzen Onkologen das Verfahren aber auch bei anderen Krebserkrankungen ein, zum Beispiel in bestimmten Fällen von fortgeschrittenem Blasen-, Anal-, Brust-, Gebärmutterhalsund Prostatakrebs sowie bei malignem Melanom (schwarzer Hautkrebs). Außerdem läuft derzeit eine Studie zu Bauchspeicheldrüsenkrebs: Dabei erhalten Patienten nach einer Operation zusätzlich zu einer Chemotherapie eine regionale Tiefenhyperthermie.
Größere Risiken und Nebenwirkungen hat dieses Verfahren – wie die anderen etablierten Hyperthermie-methoden – nicht. Der Patient wird in einen mit Wasserkissen gepolsterten Ringapplikator gelegt, der elektromagnetische Strahlung abgibt und dadurch Wärme erzeugt. Die eigentliche Behandlung dauert eine Stunde. Während dieser Zeit muss die Temperatur genau kontrolliert werden, um zu starke Hitze zu vermeiden. „Erwarten Sie keine Wellness-therapie!“, sagt Fietkau. „Für die Patienten ist das eine anstrengende Zeit, manche haben auch Schmerzen. Stellen Sie sich vor, dass auf Ihrem Bauch ein drei Kilo schweres Wasserkissen liegt.“Auch für den Kreislauf bedeutet die Überwärmung eine Belastung. Daher bleiben die Patienten in Erlangen noch eine Nacht zur Beobachtung in der Klinik. Die Behandlung wird um die sechs bis 16-mal wiederholt.
Die Kosten für eine Hyperthermie werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht generell übernommen. Daher sollten Patienten vor einer Behandlung klären, ob die Versicherung dafür aufkommt. Überhaupt rät Susanne Weg-remers, genau zu prüfen, ob die Themen rapie sinnvoll und der Anbieter seriös ist. Helfen können dabei zum Beispiel das Deutsche Krebsforschungszentrum oder die Deutsche Krebshilfe. „Bei Selbstzahler-leistungen ist große Vorsicht geboten“, sagt sie. Auch der Strahlenexperte Fietkau warnt: „Es gibt Institutionen, die Hyperthermie irgendwie
Gesundes Gewebe darf nicht beschädigt werden
anwenden, ohne Qualitätskriterien zu beachten.“Zum Beispiel werde dort die Temperatur nicht gründlich kontrolliert, sodass mitunter auch gesundes Gewebe geschädigt wird. „Solche Anbieter haben das Verfahren in Verruf gebracht“, kritisiert er. Um es strukturiert zu erforschen, gründete sich 2007 der interdisziplinäre Atzelsberger Kreis für klinische Hyperthermie, dessen Sprecher Fietkau ist. Ihm gehören Mediziner, Physiker und Grundlagenforscher aus aller Welt an.
Theoretisch ist es gut denkbar, dass Hyperthermie bei vielen Krebserkrankungen helfen könnte. „Aber da fehlen einfach noch die Studien, die das belegen“, sagt Lindner. Wahrscheinlich werden sich in den kommenden Jahren weitere Anwendungen etablieren. Überhaupt ist er überzeugt davon, dass die Therapie Zukunft hat: Das Verfahren ließe sich gut in die Immuntherapie integrieren, die das körpereigene Abwehrsystem nutzt, um Tumorzellen zu bekämpfen. Innerhalb dieses verheißungsvollen Ansatzes könnte die Hyperthermie einen „neuen Stellenwert“bekommen, meint der Onkologe.