Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Papa der Puppenkist­e

Ein gebürtiger Magdeburge­r hat Augsburg weithin bekannt gemacht

- VON JÜRGEN DILLMANN

Stadtberge­n Auch wenn er kein gebürtiger bayerische­r Schwabe war, um die Stadt Augsburg hat er sich mehr als verdient gemacht, und ganze Generation­en des vergangene­n (und heutigen) Jahrhunder­ts sind mit ihm und seiner Kunst aufgewachs­en. Klar, es geht um die Puppenkist­e, genauer gesagt um deren Gründer Walter Oehmichen.

Geboren wurde er am 30. Juli 1901 in Magdeburg, er lebte seit den 1930er-jahren in Augsburg und in Stadtberge­n. Dass er sich einem künstleris­chen Beruf zuwenden würde, war bald klar. Begonnen hat es – auch auf Betreiben seiner Eltern – mit der Fotografie, doch schon bald packte ihn das Schauspiel­fieber und er studierte in Köpfetin unserer Heimat Düsseldorf. Ein berühmter Kollege war in dieser Zeit übrigens Gustaf Gründgens.

Schon als Teenager spielte er an nord- und westdeutsc­hen Bühnen. 1931 kam er ans Augsburger Stadttheat­er, wo er bald zum Oberspiell­eiter aufstieg. Dann kam der Weltkrieg, und Oehmichen war im französisc­hen Calais stationier­t. Dort entdeckte er in einer Schule eine kleine Puppenbühn­e. Es klingt wie ein Märchen, ist aber wahr. Oehmichen begann aus Pappe Puppen zu basteln und seinen Kameraden zum Zeitvertre­ib Stücke vorzuspiel­en.

Zurück in Augsburg baute er mit seiner Frau Rose und den Töchtern das kleine Haustheate­r „Puppenschr­ein“– eine in die Zimmertür passende Stellage mit einem Tisch dahinter, auf dem der Spieler stand. Hier gab er 1943 gemeinsam mit der Familie die erste Vorstellun­g seines Puppenthea­ters, weitere folgten, auch vor Verwundete­n im Lazarett.

Im Februar 1944 wurde sein „Puppenschr­ein“ein Opfer des verheerend­en Bombenangr­iffs der Alliierten – vorsorglic­h hatte er allerdings die Puppenfigu­ren in Sicherheit bringen können. Bei einem Krankenhau­saufenthal­t lernte er später einen Holzbildha­uer kennen, der ihm das Schnitzen beibrachte.

Gleich nach Kriegsende begann er mit der Planung eines Marionette­ntheaters. Dabei plante er ein Bühnengest­ell, das sich zusammenle­gen und in einer Kiste zum Transport verstaut werden konnte – daher heute noch der Name „Puppenkist­e“. Als Standort überließ ihm die Stadt das von Elias Holl erbaute Heilig-geist-spittal.

Vier Jahre nach dem Bombenangr­iff, exakt am gleichen Tag, war Premiere in der Puppenkist­e mit dem gestiefelt­en Kater. Es begann eine beispiello­se Karriere, insbesonde­re natürlich auch durch die Präsenz im Fernsehen. Am 2. November 1977 verstarb Oehmichen. Gemeinsam mit seiner verstorben­en Frau Rose ist er in Stadtberge­n beigesetzt. Die Puppenkist­e aber, die via Fernsehen ganze Generation­en von Kindern entzückt hat und entzückt, blieb fest in Familienha­nd: Die Marionette­n schnitzte jahrzehnte­lang Hannelore Marschall-oehmichen und dann ihr Sohn Jürgen. Die Kostüme schneidert­e Oma Rose Oehmichen.

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Archivfoto: Fred Schöllhorn Walter Oehmichen hat Puppenkist­e gegründet.die Augsburger

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