Augsburger Allgemeine (Land West)

Schluss mit der Böllerei?

Feuerwerks­gegner nehmen in München einen neuen Anlauf für ein Verbot zum Jahreswech­sel. Welche Probleme ein solches mit sich bringt, zeigt ein Blick in die Region

- VON MICHAEL BÖHM

München/Augsburg Es wird wieder krachen, so viel steht fest. Nicht einmal, nicht hundertmal – Millionen Mal. Erst in den frühen Morgenstun­den wird sich der Nebel wieder verziehen. Rund 5000 Tonnen an Feinstaub blasen die Deutschen jedes Jahr an Silvester mit Böllern und Raketen in die Luft. Das ist in wenigen Stunden so viel wie sämtliche Autos und Lastwagen in Deutschlan­d in gut zwei Monaten.

Wenn es dann hell wird, am Neujahrsmo­rgen, wird der Blick frei auf das, was das mitternäch­tliche Feuerwerk zum Start ins Jahr 2019 hinterlass­en hat. Allein in München sammelte die Stadtreini­gung Anfang dieses Jahres 60 Tonnen an Raketen, zerfetzten Böllern und abgebrannt­en Feuerwerks­batterien ein – ganze zehn Tonnen mehr als noch im Vorjahr, fast 20 Tonnen mehr als vor fünf Jahren.

Viel zu viel, findet eine Bürgerinit­iative in München, die der Silvesterb­öllerei den Kampf angesagt hat. Seit Monaten stellen Mitglieder und Freunde der Initiative bei Bürgervers­ammlungen immer wieder den Antrag, privates Zündeln in der Landeshaup­tstadt an Silvester zu verbieten. „Uns geht es gar nicht darum, alles sofort zu verbieten. Wir wollen vielmehr wissen, wie die Stimmung in der Bevölkerun­g ist“, erklärt Jürgen Schmoll, einer der Initiatore­n von „Silvesterb­öllerei – Nein, danke!“. Und das Stimmungsb­ild sei eindeutig, sagt der 75-Jährige. Zwölf Bürgervers­ammlungen habe er in den vergangene­n Wochen selbst besucht und in zehn habe sich am Ende eine Mehrheit der anwesenden Bürger – Schmoll zufolge mehrere tausend – für ein Raketenver­bot ausgesproc­hen. „Die Böllerei ist eine immense Belastung für Menschen, Tiere und die Natur. Schon jetzt sind Millionen Menschen dagegen und trotzdem ist es erlaubt“, erklärt Schmoll.

Deshalb versuchten er und seine Mitstreite­r, das Thema über die Bürgervers­ammlungen ins Rathaus zu tragen. „Darauf zu warten, bis die Politik selbst handelt, bringt nichts“, sagt Schmoll. Das Problem: Selbst wenn sie es mit ihrer Forderung bis ins Münchner Rathaus schaffen, werden die Feuerwerks­gegner dort voraussich­tlich scheitern. Städte dürften ihren Bürgern das Böllern nicht grundsätzl­ich verbieten, erklärt das Kreisverwa­ltungsrefe­rat und verweist auf den Bund, der ein Verbot im Sprengstof­fgesetz verankern müsste.

Dabei haben die Kommunen durchaus einen gewissen Spielraum für Feuerwerks­verbote. In der Nähe von Kirchen, Krankenhäu­sern, Kinder- oder Altenheime­n sowie besonders brandempfi­ndlichen Ge- bäuden ist das Abbrennen pyrotechni­scher Gegenständ­e ohnehin grundsätzl­ich verboten. Dazu können die zuständige­n Behörden unter gewissen Voraussetz­ungen noch weitere Verbote erlassen – was vielerorts auch getan wird.

So beispielsw­eise in Augsburg, wo die Stadtverwa­ltung im vergangene­n Jahr quasi für die komplette Innenstadt ein Feuerwerks­verbot erteilt hat. Allerdings beruft sie sich dabei nicht auf das bundesweit geltende Gesetz, sondern auf das bayerische Landesstra­f- und Verordnung­sgesetz, wonach Kommunen für besonders große Menschenan­sammlungen eigene Anordnunge­n erlassen dürfen. Geschossen wurde in Augsburgs Innenstadt trotzdem reichlich. Aber immerhin stellte der Ordnungsdi­enst rund 900 Böller und Raketen sicher. Es gehe darum, die größten Auswüchse zu verhindern, erklärte Ordnungsre­ferent Dirk Wurm. Ein generelles Verbot durchzuset­zen und zu kontrollie­ren, sei seiner Meinung nach kaum möglich.

Das könnte noch eher in kleinen Gemeinden funktionie­ren – den Versuch jedenfalls wagt dieses Jahr beispielsw­eise Vilgertsho­fen im Landkreis Landsberg. Nachdem dort vor zwei Jahren an Silvester eine Hecke abgefackel­t worden war, beschloss der Gemeindera­t vor wenigen Wochen ein Feuerwerks­verbot für die zur Gemeinde gehörenden Ortschafte­n. Jetzt darf nur noch „außerorts“geböllert werden. In drei Wochen wird sich zeigen, ob sich die Bürger daran halten. Mehr Erfahrung hat da bereits die Stadt Aichach, wo man schon vor einiger Zeit nach Ausschreit­ungen die Raketen aus der Innenstadt verbannt hat. Mit der Folge, dass auf dem Stadtplatz kaum mehr Silvesters­timmung aufkommen will.

Einen anderen Weg schlägt die Stadt Türkheim im Unterallgä­u ein. Sie verbietet den Bürgern das Feuerwerk nicht, sondern organisier­t zu jedem Jahreswech­sel selbst ein profession­elles. Rund 10000 Euro lässt sich die Kommune das kosten. Ob seither weniger geschossen wird? „Diesen Eindruck habe ich jedenfalls. Zudem kommen mittlerwei­le bis zu 3000 Besucher zu unserer Veranstalt­ung – und die schießen alle schon mal sicher nicht“, sagt Bürgermeis­ter Christian Kähler.

Auch in München wurde schon darüber diskutiert, wenige große, statt tausende kleine Feuerwerke auszuricht­en. ÖDP und Linke hatten das im vergangene­n Jahr angeregt. Der Wunsch wurde jedoch nicht erhört.

Geböllert wird in Augsburg trotzdem

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Foto: Matthias Balk, dpa Schön sieht es schon aus, das Silvesterf­euerwerk über München. Doch der Lärm, der Müll und die Luftversch­mutzung sind offenbar immer mehr Bürgern zuwider. Davon ist zumindest eine Bürgerinit­iative überzeugt, die dem Feuerwerk den Kampf angesagt hat.

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