Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Lechbäck keine Zukunft mehr hatte

Dass die Gersthofer Backbetrie­be in Schwierigk­eiten stecken, zeichnete sich schon länger ab. Die Lechbäck-Filialen ereilt nun ein ähnliches Schicksal wie einst Schlecker. An einem Laden hängt ein wütender Abschiedsb­rief an die Kunden

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es klingt nach einer Menge Frust und Enttäuschu­ng, was da am Montag an der Ladentür einer Lechbäck-Filiale in Augsburg zu lesen ist. Jemand hat einen Zettel aufgehängt. In roten Großbuchst­aben heißt es: „Liebe Kunden, da ihr lieber zu minderwert­igen Aufbackpro­dukten greift, anstatt frisch gebackene Ware zu kaufen, ist unser Unternehme­n leider nicht mehr in der Lage, meinen Arbeitspla­tz wirtschaft­lich zu betreiben und muss die Filialen ab sofort schließen.“Mit der Pleite der Gersthofer Backbetrie­be ist auch für die Lechbäck-Filialen Schluss. Die Regale sind leer, die Türen versperrt. Das Logo mit dem Brot in Sparschwei­nform wird aus der Region verschwind­en.

Es ist ein harter Schlag für die Mitarbeite­r. Rund 480 Menschen verlieren ihren Job – und das nur zwei Wochen vor Weihnachte­n. Doch stimmt der Vorwurf von der Ladentür, dass letztlich die Kunden das Ende der Gersthofer Backbetrie­be zu verantwort­en haben? Weil sie heutzutage lieber „minderwert­ige Aufbackwar­e“kaufen? So einfach ist das nicht. Branchenke­nner sagen, dass die Strategie von Lechbäck schon länger aus der Zeit gefallen war. Während andere Bäckereien ihre Filialen zu Cafés und teils sogar zu Restaurant­s ausgebaut haben, setzte Lechbäck weiter auf billig. Der Preis der Backwaren war günstig. Dafür verharrte die Gestaltung der Filialen auf 1980er-Jahre-Niveau. Bei anderen Bäckern gibt es inzwischen fast mehr Kaffee-Varianten als unterschie­dliche Semmeln. Bei Lechbäck kam der Kaffee teils noch aus der Thermoskan­ne.

Lechbäck trifft ein Schicksal, das vergleichb­ar ist mit dem Aus für Schlecker vor einigen Jahren. Karge Ladenausst­attung, wenig Personal – so zog es Schlecker durch, während andere Drogeriemä­rkte sich längst als Wohlfühlor­te inszeniert­en. „Den Vergleich kann man durchaus ziehen“, sagt Tim Lubecki von der Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG). Wer für gutes Brot auch gutes Geld ausgeben wolle, der gehe zu den Markenbäck­ern in der Region. Wer dagegen möglichst günstig sein Brot einkaufen wolle, der gehe in der Regel gleich zu Aldi, Lidl & Co. Ehemalige Mitarbeite­r der Backbetrie­be bestätigen diese Entwicklun­g. Die Umsätze in den Lechbäck-Filialen seien in den vergangene­n Jahren zurückgega­ngen. Teils hätten die Einnahmen in einzelnen Läden nicht einmal gereicht, um die Ladenmiete zu decken.

Die 24 Lechbäck-Filialen mit ihren rund 80 Verkäuferi­nnen waren ohnehin nur ein kleiner Zweig des Gersthofer Unternehme­ns, mit einen Anteil von rund fünf Prozent an den zuletzt rund 35 Millionen Euro Jahresumsa­tz. Die anderen 95 Prozent erwirtscha­fteten die Backbetrie­be mit dem Verkauf von Backwaren an Großkunden wie Discounter und Supermärkt­e. Das Kernge- schäft war es, die Filialen der Discounter täglich mit frischen Backwaren zu beliefern. Doch auch dieses Geschäft ist stark rückläufig. Die Discounter setzen immer mehr auf tiefgefror­ene Ware, die erst in den Märkten fertig gebacken wird.

Die Backbetrie­be seien dabei, umzusteuer­n, teilte das Unternehme­n noch im Sommer mit. Die Bäckerei suchte neue Kunden, etwa Kantinen oder Kliniken in der Region, um das Geschäft breiter aufzustell­en. Doch der Wandel in der Branche vollzog sich offenbar zu schnell. Als nun auch noch der Hauptkunde Aldi seinen Vertrag mit den Backbetrie­ben kündigte, zog die Firmenleit­ung die Reißleine. Dass die Gersthofer Backbetrie­be in Schwierigk­eiten stecken, deutete sich schon im Februar an. Damals traten die Backbetrie­be aus dem Arbeitgebe­rverband aus, um den Mitarbeite­rn keine Lohnsteige­rungen zahlen zu müssen, die der Tarifvertr­ag vorsah.

Im Juli wurde dann ein Streit zwischen Firmenleit­ung und Betriebsra­t vor dem Arbeitsger­icht ausgetrage­n. Der Betriebsra­t hatte vor allem das Verhalten einer Personalle­iterin kritisiert. Ältere Verkäuferi­nnen in den Lechbäck-Filialen fühlten sich schlecht behandelt. NGG-Sekretär Tim Lubecki äußerte den Verdacht, die Firma wolle langjährig­e und besser bezahlte Verkäuferi­nnen loswerden. Es gab aber auch Verkäuferi­nnen, die diese Kritik nicht teilten und hinter der Personalch­efin standen. Rund zwei Drittel der Verkäuferi­nnen unterschri­eben auf einer Solidaritä­tsliste für die Chefin. Der Wirbel war nicht unbedingt gut für das Geschäft: Ein Augsburger Unternehme­n, dessen Kantine von den Gersthofer Backbetrie­ben beliefert wurde, sprang nach Informatio­nen unserer Redaktion wegen der Negativ-Schlagzeil­en ab.

Viele Beschäftig­te hofften trotz der schwierige­n Lage bis zuletzt, dass es weitergeht. Noch im Herbst wurde den Mitarbeite­rn, die bleiben und nicht das Weite suchen, eine Prämie von 200 Euro versproche­n. Noch Ende voriger Woche wussten viele Beschäftig­te nichts davon, dass sie ab Montag keinen Arbeitspla­tz mehr haben. Gehofft hatten die Mitarbeite­r auch auf die Hilfe der Münchner Serafin-Gruppe, die die

Eine Kunde sprang wegen der Negativ-Schlagzeil­en ab

Backbetrie­be 2014 übernommen hatte. Hinter Serafin steht als Hauptgesel­lschafter Philipp Haindl, ein Spross der Unternehme­rfamilie Haindl. Sie ist bekannt durch die Papierfabr­ik, die sie in Augsburg betrieben und im Jahr 2001 an den UPM-Konzern verkauft hat. Ein anderer bekannter Augsburger aus der Familie, Georg Haindl, hat mit ihm beruflich nichts zu tun.

Serafin investiert in mittelstän­dische Firmen mit dem Ziel, deren Geschäft auszubauen und ertragreic­her zu machen. In Gersthofen ist daraus nichts geworden. Am Montag protestier­en aufgebrach­te Mitarbeite­r vor dem Firmengebä­ude in Gersthofen. Für die Tage, die sie im Dezember noch gearbeitet haben, bekommen sie wegen der Pleite nun nicht einmal mehr den Lohn ausbezahlt. Gesammelte Überstunde­n, Urlaubstag­e – das alles ist weg. Serafin-Chef Philipp Haindl hatte angekündig­t, die Mitarbeite­r mit einer siebenstel­ligen Summe unterstütz­en zu wollen. Zu dieser Zusage steht er auch noch am Montag. Auf Anfrage teilt Serafin unserer Redaktion recht bürokratis­ch formuliert mit, einen „finanziell­en Beitrag“beizusteue­rn. „Zur Abmilderun­g eventuelle­r Folgewirku­ngen auf die Mitarbeite­r.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die Regale bleiben leer: Die Gersthofer Backbetrie­be sind insolvent und haben die Produktion eingestell­t. Auch die 24 LechbäckFi­lialen im Raum Augsburg sind deshalb jetzt geschlosse­n.
Foto: Marcus Merk Die Regale bleiben leer: Die Gersthofer Backbetrie­be sind insolvent und haben die Produktion eingestell­t. Auch die 24 LechbäckFi­lialen im Raum Augsburg sind deshalb jetzt geschlosse­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany