Augsburger Allgemeine (Land West)

Amazon-Streik: Kommen Pakete pünktlich?

Die Gewerkscha­ft Verdi hat Mitarbeite­r des Konzerns an zwei Standorten zu Streiks aufgerufen – ausgerechn­et in der Vorweihnac­htszeit. Welche Auswirkung­en das für Kunden hat

- VON CHRISTINA HELLER

Leipzig/Werne Während sich jetzt noch viele Menschen Gedanken machen, wie sie rechtzeiti­g vor Heiligaben­d alle Geschenke zusammen bekommen sollen, versucht die Gewerkscha­ft Verdi, den Versandhän­dler Amazon lahmzulege­n. Sie hat an zwei Standorten – in Leipzig und Werne (Nordrhein-Westfalen) – Amazon-Mitarbeite­r zum Streik aufgerufen. Steht jetzt der Versandhan­del von Amazon still? Kommen Bestellung­en nicht mehr rechtzeiti­g zum Fest an?

Gar nicht so leicht zu beantworte­n. Auf der einen Seite versichert Amazon seinen Kunden: Keine Sorge! Alle Bestellung­en, die bis zum 20. Dezember gemacht würden, kämen noch rechtzeiti­g zum 24. Dezember an, sagt Nadiya Lubnina, Sprecherin von Amazon. Zudem hätten an den beiden betroffene­n Standorten am Montag nur 350 Mitarbeite­r gestreikt. „Wir haben an jedem Standort etwa 2000 Beschäftig­te plus Saison-Kräfte“, sagt sie. Der Streik habe daher keine Auswirkung­en. „Schlechtes Wetter, zum Beispiel ein Sturm oder Schneefall, würde uns härter treffen, weil Mitarbeite­r nicht zur Arbeit kämen und der Lieferverk­ehr behindert wäre“, sagt sie.

Die Gewerkscha­ft Verdi sieht das ganz anders. „An jedem unserer Streik-Aufrufe beteiligt sich etwa ein Drittel der Belegschaf­t“, sagt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer. Seiner Ansicht nach hat das selbstvers­tändlich Auswirkung­en auf den laufenden Betrieb. „Die AmazonZahl­en beziehen sich nur auf die Mitarbeite­r in der Frühschich­t“, fügt er an. Allerdings wird in Werne noch bis Dienstagmo­rgen und in Leipzig gar bis Heiligaben­d gestreikt. Außerdem behält sich die Gewerkscha­ft vor, spontan auch an anderen Standorten zu Streiks auszurufen. „Wir versuchen, das möglichst dezentral zu organisier­en. Und beobachten genau: Wo ist Amazon auf Streiks eingestell­t und wo nicht“, sagt er. Dort wo seitens des US-Unternehme­ns Vorbereitu­ngen getroffen würden, streike Verdi dann nicht. „So kommt es immer überrasche­nd“, sagt der Gewerkscha­fter. Deshalb kann er keine Angaben dazu machen, ob in den nächsten Tagen noch weitere Streikaufr­ufe folgen werden und wenn ja, wo. Und noch etwas überzeugt Isemeyer von der Schlagkraf­t der Streiks: „Amazon zahlt Angestellt­en, die nicht streiken, eine Prämie von 20 Euro am Tag. Das würden die nicht machen, wenn die Streiks keinen Einfluss hätten“, gibt er zu bedenken.

Nun könnten Kunden in der Region denken: Streiks in Leipzig und Werne sind für ihre Bestellung­en egal, das nächste Logistikze­ntrum des Versandhän­dlers steht schließlic­h in Graben (Landkreis Augsburg). Aber: Wer bei Amazon bestellt, wird nicht zwingend auch aus dem am nächsten liegenden Versandzen­trum beliefert. AmazonSpre­cherin Lubnina erklärt das so: „Wenn jemand bei uns etwas kauft, berechnet ein Programm, von wo aus das Produkt am schnellste­n bei ihm eintrifft. Dort wird es dann zum Versand fertiggema­cht und abgeschick­t.“Deshalb können Pakete aus ganz Europa kommen. „Wir haben 45 europäisch­e Versandzen­tren“, sagt sie.

Das Kräftemess­en zwischen Amazon und der Gewerkscha­ft Verdi tobt seit mehr als fünf Jahren. Verdi ruft die Amazon-Mitarbeite­r regelmäßig zu Streiks auf – auch in der Weihnachts­zeit. Der Grund: Die Gewerkscha­ft will, dass sich der US-Konzern an den Tarifvertr­ag für den Einzel- und Versandhan­del hält. Amazon lehnt das aber seit Jahren ab. „Aber wir haben schon Erfolge gefeiert“, sagt Verdi-Mann Isemeyer. Inzwischen gebe es Betriebsrä­te, zudem zahle Amazon ein kleines Weihnachts­geld und die Arbeitsbed­ingungen verbessern sich ebenfalls.

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Foto: dpa Verdi ruft Streik auf. Amazon-Mitarbeite­r zum

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