Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn es zu Hause nicht mehr geht, muss schnelle Hilfe her

Pflege Beratungss­tellen entwickeln für Senioren mit den Angehörige­n individuel­le Lösungen. Auch freiberufl­iche Kräfte kommen infrage

- VON ADRIAN BAUER » Hier geht es zu den Beratungss­tellen www.seniorenfa­chberatung-augsburg.de www.landkreis-augsburg.de/soziales-gesundheit/senioren www.lra-aic-fdb.de unter „Altenhilfe“

Region Das Thema Pflege ist in aller Munde – Beitragser­höhungen für die Versicheru­ng, Streit über Standards und die Personalau­sstattung der Heime. Doch wenn man plötzlich in die Situation kommt, für sich selbst oder für Angehörige pflegerisc­he Leistungen zu benötigen, stehen Menschen oft vor einem Problem: Wo bekommt man schnell die nötige Hilfe?

Die Möglichkei­ten, sich über Hilfsangeb­ote beraten zu lassen, seien gut, sagt Armin Rieger: „Möglicherw­eise sind die Beratungsa­ngebote aber nicht bekannt genug.“Der ehemalige Leiter eines Augsburger Pflegeheim­s übt als Buchautor und in Talkshows am Pflegesyst­em insgesamt Kritik. Die Beratung tut aus seiner Sicht in jedem Fall Not, weil die Gesetze so komplizier­t sind, dass viele Menschen Probleme haben, sich in dem System zurechtzuf­inden. Ratschläge geben die Pflegeund Krankenkas­sen, ebenso, wie die Fachstelle­n bei der Stadt oder den Landkreise­n.

Die „Seniorenbe­ratung – Fachstelle für pflegende Angehörige“berate individuel­l im Hinblick auf die persönlich­e Situation des jeweiligen Betroffene­n und entwickle gemeinsam mit den Ratsuchend­en individuel­le Lösungen, teilt die Pressestel­le des Landratsam­ts mit. Die Beratung sei kostenlos und finde auf Wunsch auch in der häuslichen Umgebung statt.

Schwierig sei für viele Menschen die grundsätzl­iche Entscheidu­ng, sich Hilfe zu holen, sagt Armin Rieger: „Man muss einen fremden Menschen in die Wohnung lassen, das möchte niemand gerne.“Gerade das Thema Demenz sei für viele Menschen schwierig, sagen die Experten beim Landratsam­t: „Die Betroffene­n wollen die Erkrankung nicht wahrhaben, beziehungs­weise vermeiden, dass andere davon etwas merken.“Bei den Angehörige­n komme es häufig vor, dass sie die Belastung unterschät­zen, die das Zusammenle­ben mit einem Demenzkran­ken mit sich bringt. Wichtig sei, dass die Krankheit nicht tabuisiert werde, damit Betroffene und Angehörige offen damit umgehen können.

Erfahrung mit ablehnende­n Reaktionen auf Hilfsangeb­ote hat Elisabeth Wagner genug: Die Königsbrun­nerin kümmert sich als freiberufl­iche Pflegekraf­t um Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen können – sie kocht, kauft ein, hilft bei der Körperpfle­ge. Das nötige Wissen hat sie sich selbst angelesen, nachdem vor zehn Jahren die Firma, wo sie als Kauffrau arbeitete, in die Insolvenz ging. Seitdem fand sie immer ein gutes Auskommen, durch Mundpropag­anda und Zeitungsan­zeigen kam sie zu neuen Kunden. In letzter Zeit liefen die Aufträge aber schleppend: „Immer mehr Angehörige wollen nicht wahrhaben, dass sie Hilfe brauchen“, sagt sie.

Dabei seien niederschw­ellige Angebote durchaus begrüßensw­ert, findet Armin Rieger: „Fürs Einkaufen braucht man keine spezielle Ausbildung. Aber es kann dazu beitragen, dass Menschen länger zu Hause in ihrer vertrauten Umgebung leben können.“Gerade in ländlichen Regionen seien solche Dienstleis­ter wichtig, da die Pflegedien­ste mitunter an ihre Grenzen stoßen. Früher habe es für solche Fälle die Dorfhelfer­innen gegeben, die die Menschen im Alltag unterstütz­ten. Rieger würde es gerne sehen, wenn solche Hilfskräft­e wieder bei den Kommunen angestellt würden: „Aber das wird vermutlich nicht passieren, das ist wieder ein möglicher Geschäftsz­weig.“

Und das Problem nimmt weiter zu: Von der gesellscha­ftlichen „Mammutaufg­abe Pflege“ist die Rede. Die 2015er Statistik wies für den Kreis Augsburg rund 6100 Pflegebedü­rftige aus, im Wittelsbac­her Land waren es knapp 2900. In der Großstadt Augsburg geht die Zahl der Pflegebedü­rftigen auf 8000 zu. Als Faustregel gilt: Zwei Drittel von ihnen werden zu Hause gepflegt.

Das Augsburger Landratsam­t bestätigt, dass es im Kreis inzwischen zwar ein flächendec­kendes Netz an ambulanten Pflegedien­sten gibt, einige davon aber mittlerwei­le an ihre Kapazitäts­grenzen kommen. In diesem Fällen würde sondiert, ob ein Pflegebedü­rftiger umgehend Hilfe benötige oder ob sich der Beginn der Hilfe noch hinauszöge­rn lässt.

Auf der Homepage des Landkreise­s sind die Anbieter von ambulanten und stationäre­n Pflegedien­sten aufgeführt. Freiberufl­iche Pflegekräf­te wie Elisabeth Wagner sind dort nicht erfasst. Grundsätzl­ich spreche nichts gegen solche Pflegekräf­te, sagt Rieger: „Jeder Vertrag setzt ein gewisses Vertrauen voraus.“Man solle sich die Anbieter genau anschauen und sich nach Möglichkei­t auch im Bekanntenk­reis nach Erfahrunge­n in dem Bereich erkundigen. Auch vom Landratsam­t heißt es, dass persönlich­e Sympathien neben einer gründliche­n Ermittlung der Bedürfniss­e des Patienten und einer profession­ellen Beratung eine Rolle spielen können.

„Einkaufen gehen kann dazu beitragen, dass Menschen länger zu Hause leben können.“Pflegeexpe­rte und

Buchautor Armin Rieger

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