Augsburger Allgemeine (Land West)
Er legte Feuer, weil er sauer war
Justiz Ein 20-Jähriger wird wegen einer Brandstiftung verurteilt. Im Prozess geht es um einen jungen Mann, der aus der Spur geraten ist, aber auch um eine für viele Menschen extrem gefährliche Tat im Univiertel
Den Bericht der Jugendgerichtshilfe nennt Richter Bernhard Kugler „erschreckend“. Wenn ein junger Mann wie der Angeklagte sage, ihm gefalle es im Gefängnis, dann sei das schon sehr bedenklich. Der 20-Jährige, der sich wegen schwerer Brandstiftung vor dem Jugendschöffengericht verantworten muss, ist ein schmächtiger Bursche, der einen viel zu großen Pulli trägt. Vor einigen Jahren, als sein Vater starb, ist der junge Mann völlig aus der Spur gekommen, in die Obdachlosigkeit abgeglitten, hat keinen Halt mehr gefunden, wurde straffällig. Alle Versuche, ihn zu betreuen, scheiterten. Im Juni 2018 steckte er nachts aus Verärgerung über einen Bekannten in einem Mehrfamilienhaus in der Josef-priller-straße im Univiertel ein Kellerabteil in Brand. Das Feuer war extrem gefährlich.
Denn durch die Entlüftungsanlage des Hauses zog giftiger Rauch durch Mauerritzen, Schaltkästen und Steckdosen in einige Appartements. Weil ein Bewohner, der gegen 1 Uhr glücklicherweise noch wach war, den Rauch entdeckte und die Feuerwehr sofort alarmierte, kam niemand zu Schaden. Rund 90 Bewohner hatten damals kurzfristig ihre Wohnungen verlassen müssen. Der Brandschaden belief sich auf rund 20000 Euro.
Wegen des Verdachts auf Drogenhandel war der obdachlose junge Mann damals per Haftbefehl von der Polizei gesucht worden. Er fand Unterschlupf bei einem Bekannten im Univiertel, hatte einen Schlüssel zu der Wohnung. Doch nach einem Streit warf ihn der Bekannte hinaus, wechselte das Schloss aus. In jener Juninacht hatte der Angeklagte versucht, wieder in das Appartement zu gelangen. Der Bekannte war nicht zu Hause. Doch der Türschlüssel passte nicht mehr. Aus lauter Frust ging der 20-Jährige in den Keller, zündete dort mit einem Feuerzeug im Verschlag seines Bekannten eine Schaumstoffmatratze und Altpapier an. Dann schloss er die Türe und ging. Die Kripo konnte den Brandstifter später über einen weiteren Obdachlosen, den die Feuerwehr schlafend im Hausflur entdeckt hatte, ermitteln.
„Ja, es ist richtig. Ich hab das getan, weil ich mich geärgert habe“, räumt der 20-Jährige (Verteidiger: Michael Bauer) ohne Umschweife ein. Er habe ja die Brandschutztüre im Keller zugemacht und gedacht, es könne nicht viel passieren. Eine Bemerkung, die den Vorsitzenden Richter Kugler zu der Feststellung veranlasst: „Aber Sie sind doch kein Brandsachverständiger“. Wie extrem gefährlich der Kellerbrand war, verdeutlicht der ermittelnde Kripobeamte. Durch den Brand der Schaumstoffmatratze seien hochgiftige Gase über die Abluftanlage des Hauses in zwei Appartements gelangt. Der Rauch hätte, eingeatmet im Schlaf, zum Tode von Bewohnern führen können. Zum Glück habe ein Hausinwohner den Qualm rechtzeitig bemerkt. Nach der Festnahme des Angeklagten, der seit Oktober in Untersuchungshaft sitzt, konnte die Kripo über den Vergleich von Dna-spuren eine weitere Brandstiftung klären. So steht der 20-Jährige nun auch im Verdacht, zusammen mit einem Bekannten im Mai 2016 auf dem Dachboden eines Mehrfamilienhauses in der Gabelsbergerstraße in Göggingen gezündelt zu haben. Dabei war der Dachstuhl in Brand geraten. Es entstand ein Schaden von 50000 Euro. Das Duo war über ein Baugerüst in den Dachboden eingedrungen und hatte dort einige Tage gelebt.
Staatsanwältin Andrea Hobert spricht im Plädoyer von einer „extrem gefährlichen“Brandstiftung, dessen Folgen der Angeklagte gar nicht habe absehen können. Sie fordert eine Jugendstrafe von drei Jahren. Verteidiger Michael Bauer weist auf die schwierigen Lebensumstände seines Mandanten hin, der wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank sitze. „Er hat in jungen Jahren schon all das erlebt, was sich sonst keiner wünscht“. Das Gericht folgt im Urteil dem Antrag der Staatsanwältin. Richter Kugler: „In der Vergangenheit gab es viele Versuche, den Angeklagten in Freiheit an der Hand zu nehmen. Das ist gescheitert“. Die Jugendstrafe biete ihm eine Chance, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Dies sieht der 20-Jährige auch so. „Ich will im Gefängnis wieder auf die Füße kommen“, sagt er und nimmt das Urteil an. Wird er auch für die weitere Brandstiftung verurteilt, muss er mit einem Zuschlag auf die nun rechtskräftige dreijährige Jugendstrafe rechnen.