Augsburger Allgemeine (Land West)
Seehofer dankt für Würdigung
OB Gribl telefonierte am Freitag mit ihm
Am Freitag gab es ein Telefonat zwischen Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Es ging um die Auszeichnung der Stadt Augsburg, Seehofer zum Ehrenbürger zu ernennen. Gribl sagte nach dem Telefonat: „Seehofer freut sich über die Ehrung und er hat sich bedankt. Die Ehrenbürgerwürde sei für ihn eine große Ehre.“Wann die Verleihung stattfindet, steht noch nicht fest. Die Terminabsprache läuft. Die Verleihung wird wie zuletzt bei anderen Ehrenbürgern im Goldenen Saal des Rathauses sein.
Wie Gribl ausführte, hat der frühere Ministerpräsident sich im Telefonat erinnert, „wie ungewöhnlich die Aufgabe auch für ihn gewesen ist“. Es ging eben nicht allein darum, die drei Worte ,Die Uni-klinik‘ ins Goldene Buch zu schreiben. Seehofer habe, so sagt er selbst, „die sofortige Abwehrhaltung von vielen Stellen erlebt“. Um so mehr freue es ihn nun, dass die Uniklinik zum 1. Januar 2019 da ist.
Aus der Perspektive eines Lokalpatrioten steht es außer Frage, dass Horst Seehofer die Ehrenbürgerwürde der Stadt Augsburg verdient hat. Die von ihm angeschobene Uniklinik ist tatsächlich eine Jahrhundert-chance für die Entwicklung der Schwaben-metropole. Die Sicherung der Spitzenmedizin für die Region, die vorhergesagten 6500 Arbeitsplätze im Umfeld dieses neuen Kompetenzzentrums für Gesundheit und Forschung sowie die prognostizierte offenbar nachhaltige Wertschöpfung von 400 Millionen Euro jährlich sind eine Wertschätzung für die Menschen im Großraum Augsburg, die ihnen jahrzehntelang verwehrt blieb.
Aber hat Seehofer als Ministerpräsident nicht einfach nur seinen Job gemacht? Nein. Vier Csu-ministerpräsidenten vor ihm – Franz Josef Strauß, Max Streibl, Edmund Stoiber und Günther Beckstein – haben ihren Job gemacht, als sie Augsburg jahrzehntelang eine Uniklinik verwehrten und alle den Lobbyisten, Verwaltungsjuristen, Lokalpolitikern und Ministerialbeamten in München und anderen Landesteilen nachgaben, die die Milliardenförderungen lieber unter den fünf bestehenden bayerischen Unikliniken aufteilen wollten. „Die in Augsburg sollen ihr Krankenhaus alleine finanzieren“, hieß es.
Seehofer hat diese Ungerechtigkeit zunächst mit seiner Feder durchbrochen. „Die Uni-klinik kommt!!!“, schrieb er am 16.2.2009 mit drei Ausrufezeichen ins Goldene Buch der Stadt. Anschließend nahm er das Schwert in die Hand. Wer mit Beteiligten des jahrelangen Prozesses der Klinikwerdung spricht erfährt, wie Seehofer aus seiner Staatskanzlei angeschoben, gelenkt und Widerstände durchbrochen hat. Man kann trefflich spekulieren, was ihn zu dieser regionalpolitischen Leistung motiviert hat. Die Rückeroberung des Augsburger Rathauses aus SPDHAND durch Kurt Gribl, der nach seiner Wahl 2008 in die CSU eintrat, mag eine Rolle gespielt haben.
Und dennoch kann man angesichts der 20 Gegenstimmen im Augsburger Stadtrat nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Augsburg verleiht die Ehrenbürgerwürde seit 1820. Doch es ist nicht überliefert, dass es jemals Gegenstimmen gab. Es war gute Sitte, die Ehrenbürgerwürde an verdiente Persönlichkeiten im Einvernehmen zu übertragen. Im Falle Seehofer konnten Sozialdemokraten und Grüne die Entscheidung nicht mittragen. Stadträte wie Verena von Mutius und Matthias Lorentzen posteten und twitterten wütend noch aus der Sitzung ihre Ablehnung in die Welt. Auch im Augsburger Kreistag gab es Anfang des Jahres, als Seehofer dort aus gleichem Grund die höchste Auszeichnung – den Ehrenring mit Brillant – verliehen wurde, zehn Gegenstimmen.
Asyl-scharfmacher
und Klinik-förderer
Vielleicht hat es mit dem aufziehenden Kommunalwahlkampf zu tun, dass der Widerstand in der Stadt noch ein Stück heftiger war.
Aber natürlich ist die grundsätzliche Kritik an dem Politiker Seehofer nachvollziehbar. Als Bundesinnenminister hat er in den vergangenen Monaten mit seiner har- ten Linie in der Flüchtlingspolitik („Migration ist die Mutter aller Probleme“) heftige Konflikte mit CDU und SPD ausgelöst. Für die Grünen ist er schon länger der personifizierte Buhmann. Seine maßlosen Attacken auf Kanzlerin Angela Merkel („Ich kann mit der Frau nicht arbeiten“) haben Seehofers Sympathiewerte in den Keller rauschen lassen. Selbst in der eigenen Partei sah er sich nach dem Absturz bei der Landtagswahl als „Watschnbaum“. Viele Csu-mitglieder sind froh, dass der „Vater vieler Probleme“den Parteivorsitz am 19. Januar endlich abgibt. Kann man den Asyl-scharfmacher Seehofer trennen vom Klinik-förderer? Man kann. Der Bundesinnenminister hat nichts Unrechtes getan. Er hat eine Politik vertreten, die ihn an die Spitze von Deutschlands unbeliebtesten Ministern gerückt und seine Laufbahn als Politiker beendet hat. Doch um Augsburg hat sich der damalige Ministerpräsident mit seinem Einsatz für die Uniklinik außerordentlich verdient gemacht. Wenn die Stadtregierung die Auswüchse der dynamischen Klinik-entwicklung mit den zu stark wachsenden Mieten in den Griff bekommt, werden viele Familien im Großraum Augsburg von Spitzenmedizin und vom erwarteten Wirtschaftsaufschwung profitieren. Deshalb ist er dieser Auszeichnung würdig. Auch wenn seine Ehrenbürgerschaft durch sein politisches Gesamtwirken ein paar tiefe Kratzer erhalten hat.