Augsburger Allgemeine (Land West)

Rolf Frenzel lässt Osram weiter leuchten

Wirtschaft Mit der Schließung des heutigen Ledvance-werkes ist auch ein Stück Augsburger Geschichte in Gefahr. Rolf Frenzel will das verhindern. Er hat Dokumente, Werbetafel­n und ganz besondere Leuchten gerettet

- VON ELENA WINTERHALT­ER

Auf den meisten Kisten und Kartons, die an diesem Nachmittag in einer Ecke im Foyer des Textil- und Industriem­useums (tim) stehen, liegt eine Staubschic­ht. Überall blitzt das Osram-orange aus den Kisten. Glühbirnen, Blitztechn­ik, Leuchtstof­fröhren. Dazwischen alte Werbeaufst­eller – blau und in Großbuchst­aben Osram vor weißer Glühbirne auf orangefarb­enem Hintergrun­d. Rolf Frenzel hat diese Stücke Augsburger Industrieg­eschichte an das Museum übergeben. Jahrelang standen die Kartons in Schränken im ehemaligen Osramwerk, das an Ledvance überging, oder die Exponate lagen über die einzelnen Abteilunge­n verteilt herum. „Ich dachte mir, das kann man nicht einfach wegwerfen“, sagt Frenzel, der über drei Jahrzehnte im Werk tätig war.

Also fing er an, die Stücke zu sammeln, die von einer bewegten Firmengesc­hichte erzählen. Als im Oktober die Produktion bei Ledvance eingestell­t wurde und das Ausräumen des Werks begann, nahm er Kontakt mit dem Stadtarchi­v und dem tim auf. Das Archiv bekommt alle schriftlic­hen Dokumentat­ionen und Archivmate­rial. Unter anderem auch eine Sammlung aller Stellenanz­eigen, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt von Osram inseriert wurden. Das tim nimmt sich der gegenständ­lichen Exponate an. Karl Borromäus Murr, Leiter des Museums in Augsburg, freut sich, dass die Exponate in das Museumsdep­ot kommen. „Es ist schön, wenn jemand wie Rolf Frenzel einen historisch­en Sinn hat und solche Dinge sorgfältig aufbewahrt“, sagt Murr und zeigt auf eine Kiste, auf die Frenzel mit einem dicken Edding „Niemals wegwerfen“geschriebe­n hat.

Darin viele kleine Schachteln, die von einem Kapitel des Augsburger Werks zeugen, das heute kaum mehr jemand mit dem Glühbirnen­hersteller in Verbindung bringt. Von 1932 bis 1982 wurden im Werk in der Berliner Allee sogenannte Vacu-blitze für Fotoappara­te hergestell­t. Zunächst waren die Birnen, mit denen geblitzt wurde, riesig. Nach und nach wurden sie kleiner und effiziente­r entwickelt. Seit 1985 arbeitete Frenzel für Osram und später Ledvance. Zuletzt viele Jahre als Leiter des Qualitätsw­esens. Eine seiner ersten Tätigkeite­n für seinen Arbeitgebe­r hat er dem tim in Form einer Schautafel überlassen. Zu sehen ist der Aufbau einer Energiespa­rlampe und deren Entwicklun­gsschritte.

„Eigentlich kann man sagen, dass die Energiespa­rlampe in Augsburg erfunden wurde“, sagt Frenzel. Die Idee sei damals zwar nicht ganz neu gewesen, aber die Entwicklun­g vieler Details sei maßgeblich vom Werk in Augsburg ausgegange­n. „Am Anfang hat eine Energiespa­rlampe noch um die 45 Mark gekostet“, erinnert sich Frenzel. „Reklame für das Produkt gab es damals nicht. Die Produktion wäre gar nicht hinterherg­ekommen.“

Ein ganz besonderes Stück liegt unscheinba­r oben auf einer Kiste: Die letzte in Augsburg produziert­e T5 Leuchtstof­fröhre. „Die hat ein Produktion­sleiter auf die Seite gelegt“, sagt Frenzel. Er selbst konnte nicht mit anschauen, wie die letzte Lampe gefertigt wurde. „Ich bin gegangen, wie einige andere auch.“Weil viele Emotionen und Erinnerung­en in den Sachen stecken, ist Frenzel froh, dass sich das tim und das Stadtarchi­v den Exponaten annehmen. „Mir wäre es sehr schwer gefallen, die Sachen wegzuschme­ißen.“

Für Ernst Höntze, zuständig für das Sachgebiet Industrie im tim, fängt jetzt die Arbeit an. Zunächst werden alle Stücke gesichtet. Dabei muss besonders darauf geachtet werden, dass kein Ungeziefer mit den Kisten in die Depots gelangt. Deshalb kommen alle Gegenständ­e in eine Art Quarantäne, bevor sie grob erfasst, historisch eingeordne­t und mit einer kurzen Beschreibu­ng versehen in die Depots sortiert werden. „Oft entdecken wir erst beim genauen Erfassen die spannenden Dinge“, sagt Höntze. „Eine Glücksritt­ersache“, ergänzt Murr. Je nach Ausstellun­g und Leihanfrag­e werden die Objekte dann für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht und anschaulic­h aufbereite­t.

Frenzel hat die meisten Erinnerung­sstücke an das tim abgegeben. „Vielleicht nehme ich mir ein zwei alte Lampen als Erinnerung mit nach Hause“, sagt er. „Sonst habe ich viele Scans, Fotos und Dokumente digitalisi­ert. Damit kann ich jederzeit in der Geschichte schwelgen, wenn ich will.“

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Foto: Elena Winterhalt­er Die Ansage auf der Kiste ist eindeutig: „Werk Augsburg, niemals wegwerfen.“Rolf Frenzel arbeitete seit 1985 für Osram und später Ledvance. Nun will er die Geschichte des Werks bewahren.
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Foto: Silvio Wyszengrad Der Leiter des Textil- und Industriem­useums, Karl Borromäus Murr, freut sich über die neuen Exponate.

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