Augsburger Allgemeine (Land West)
Missbrauch: Haftstrafe für 52-jährigen Mann
Mann zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hat sich 2002 an neunjähriger Nachbarin vergangen
Zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wurde am Freitag ein 52-jähriger Mann aus dem Landkreis verurteilt. Er hat nach Ansicht des Schöffengerichts ein neunjähriges Nachbarsmädchen mehrfach sexuell missbraucht.
Landkreis Augsburg Am Ende hielt es das Gericht für erwiesen: Eine heute 25-jährige Frau wurde vor rund 15 Jahren in einem Dorf im westlichen Landkreis von ihrem Nachbarn mehrfach sexuell missbraucht. Der heute 52-Jährige wurde deshalb zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Mehrmals habe der Angeklagte, ihr Nachbar, sie unsittlich berührt, sexuell genötigt, während sie im Ehebett der Nachbarn gelegen hatte. So hatte die Geschädigte dem Gericht ihre Erlebnisse geschildert, als sie neun Jahre alt war und in die Grundschule ging. Stimmt nicht, da war nichts, hatte der Angeklagte zu Beginn des Prozesses versichert. Unmittelbare Tatzeugen fanden sich nicht.
Am zweiten Verhandlungstag wurden die Eltern der 25-Jährigen als Zeugen angehört. Die Mutter schilderte ihre Tochter als Kind, das mit einem kosmetischen Geburtsfehler zur Welt gekommen war und anfangs Förderbedarf hatte, dann aber ganz normal die Schule abschloss und sich entwickelte. Mutter wie auch Vater beschrieben einen Hang zu ausschmückenden, teils gar erfundenen Erlebnissen bei ihrer Tochter. Beide wussten, dass das Mädchen mehrfach bei den Nachbarn über Nacht geblieben war – die damals Neunjährige übernachtete beim gleichaltrigen Sohn des Angeklagten. Die Eltern wollen nie etwas von den sexuellen Übergriffen gemerkt, auch nicht geschildert bekommen haben. Das Gegenteil hatte die Tochter und ein anderer Nachbar am ersten Verhandlungstag berichtet.
Gutachterin Psychologin Dr. Monika Aymans untersuchte, wie glaubwürdig die junge Frau ist. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diese trotz früher oder heute vorhandener psychischer Probleme nicht beein- gewesen sei. Das habe jedoch keine Aussagekraft darüber, ob das stimme, was die Frau aussage.
Staatsanwalt Nicolas Pfeil sah es in seinem Plädoyer an der Zeit, der Geschädigten zu glauben. Die junge Frau habe für ihre Anzeige und ihre Aussage kein anderes Motiv als ihren Frieden mit ihrer Vergangenheit zu finden. Dass sie in einem Automobilgeschäft ihrer Eltern oder in einer Partnerschaftsangelegenheit eine Rolle gespielt haben könne, sei nebensächlich und ohne Belang für die ihr zugefügten Straftaten. Pfeil forderte, den Angeklagten zu vier Jahren Gefängnis zu verurteilen. Nebenklagevertreterin Marion Zech schloss sich dieser Forderung an. Auch sie stellte die Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit der Geschädigten – woran sie keine Zweifel habe – ins Zentrum ihrer Ausführungen. Die Anzeige etwa 13 Jahre nach der Tat bei der Polizei sei ihr Weg, mit der Angelegenheit endlich ins Reine zu kommen. Anders sah es Hermann Kühn, der Anwalt des Angeklagten.
In der Beweisaufnahme seien Hypothesen, Mutmaßungen und Ungenauigkeiten präsentiert worden. Es gebe keine Grundlage für eine Verurteilung seines Mandanten. Rechtsanwalt Kühn sah die Schilderungen der Geschädigten vor allem veranlasst aufgrund des schwierigen Verhältnisses zu den Eltern. Zuvor hatte Kühn Aufzeichnungen vorgelegt, die verdeutlichen sollten, dass es Zweifel an der Täterschaft des 52-Jährigen gibt. Der sei nach einem schweren Betriebsunfall im Jahr 2002 immer wieder in Krankenhäusern, Kliniken, auf Reha gewesen. Auch zum Zeitpunkt der Vorwürfe sei er nicht gesund gewesen.
Das Schöffengericht um Richterin Susanne Scheiwiller verurteilte den Angeklagten schließlich zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen versuchträchtigt tem schweren sexuellen Missbrauch in fünf Fällen. Das Gericht sei überzeugt, dass die Geschädigte nicht gelogen habe. Ja, ihre Aussage sei möglicherweise von den genannten Umständen beeinflusst. Aber: Ein Satz wie „zieh’ dein Höschen aus“, den der Angeklagte dem Mädchen gesagt habe, sei nicht erfunden, sondern erlebt. Auch sei die Geschädigte offenbar psychisch belastet aufgewachsen, worunter sie bis heute leide.
Bei der Anzahl der Taten, auf der die Höhe der Haftstrafe basiert, folgte das Gericht der Schilderung, dass die Angeklagte etwa zehnmal nach dem Aufwachen bei den Nachbarn gemeinsam mit dem Nachbarssohn „zum Kuscheln“ins Ehebett des Angeklagten gegangen sei. Bei jedem zweiten Mal sei es zu Übergriffen durch den Mann gekommen. Der 52-Jährige nahm den Richterspruch ruhig, aber sichtbar erschüttert zur Kenntnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.