Augsburger Allgemeine (Land West)

Missbrauch: Haftstrafe für 52-jährigen Mann

Mann zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er hat sich 2002 an neunjährig­er Nachbarin vergangen

- VON MICHAEL SIEGEL

Zu einer Gefängniss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten wurde am Freitag ein 52-jähriger Mann aus dem Landkreis verurteilt. Er hat nach Ansicht des Schöffenge­richts ein neunjährig­es Nachbarsmä­dchen mehrfach sexuell missbrauch­t.

Landkreis Augsburg Am Ende hielt es das Gericht für erwiesen: Eine heute 25-jährige Frau wurde vor rund 15 Jahren in einem Dorf im westlichen Landkreis von ihrem Nachbarn mehrfach sexuell missbrauch­t. Der heute 52-Jährige wurde deshalb zu einer Gefängniss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Mehrmals habe der Angeklagte, ihr Nachbar, sie unsittlich berührt, sexuell genötigt, während sie im Ehebett der Nachbarn gelegen hatte. So hatte die Geschädigt­e dem Gericht ihre Erlebnisse geschilder­t, als sie neun Jahre alt war und in die Grundschul­e ging. Stimmt nicht, da war nichts, hatte der Angeklagte zu Beginn des Prozesses versichert. Unmittelba­re Tatzeugen fanden sich nicht.

Am zweiten Verhandlun­gstag wurden die Eltern der 25-Jährigen als Zeugen angehört. Die Mutter schilderte ihre Tochter als Kind, das mit einem kosmetisch­en Geburtsfeh­ler zur Welt gekommen war und anfangs Förderbeda­rf hatte, dann aber ganz normal die Schule abschloss und sich entwickelt­e. Mutter wie auch Vater beschriebe­n einen Hang zu ausschmück­enden, teils gar erfundenen Erlebnisse­n bei ihrer Tochter. Beide wussten, dass das Mädchen mehrfach bei den Nachbarn über Nacht geblieben war – die damals Neunjährig­e übernachte­te beim gleichaltr­igen Sohn des Angeklagte­n. Die Eltern wollen nie etwas von den sexuellen Übergriffe­n gemerkt, auch nicht geschilder­t bekommen haben. Das Gegenteil hatte die Tochter und ein anderer Nachbar am ersten Verhandlun­gstag berichtet.

Gutachteri­n Psychologi­n Dr. Monika Aymans untersucht­e, wie glaubwürdi­g die junge Frau ist. Sie kam zu dem Ergebnis, dass diese trotz früher oder heute vorhandene­r psychische­r Probleme nicht beein- gewesen sei. Das habe jedoch keine Aussagekra­ft darüber, ob das stimme, was die Frau aussage.

Staatsanwa­lt Nicolas Pfeil sah es in seinem Plädoyer an der Zeit, der Geschädigt­en zu glauben. Die junge Frau habe für ihre Anzeige und ihre Aussage kein anderes Motiv als ihren Frieden mit ihrer Vergangenh­eit zu finden. Dass sie in einem Automobilg­eschäft ihrer Eltern oder in einer Partnersch­aftsangele­genheit eine Rolle gespielt haben könne, sei nebensächl­ich und ohne Belang für die ihr zugefügten Straftaten. Pfeil forderte, den Angeklagte­n zu vier Jahren Gefängnis zu verurteile­n. Nebenklage­vertreteri­n Marion Zech schloss sich dieser Forderung an. Auch sie stellte die Glaubwürdi­gkeit und die Glaubhafti­gkeit der Geschädigt­en – woran sie keine Zweifel habe – ins Zentrum ihrer Ausführung­en. Die Anzeige etwa 13 Jahre nach der Tat bei der Polizei sei ihr Weg, mit der Angelegenh­eit endlich ins Reine zu kommen. Anders sah es Hermann Kühn, der Anwalt des Angeklagte­n.

In der Beweisaufn­ahme seien Hypothesen, Mutmaßunge­n und Ungenauigk­eiten präsentier­t worden. Es gebe keine Grundlage für eine Verurteilu­ng seines Mandanten. Rechtsanwa­lt Kühn sah die Schilderun­gen der Geschädigt­en vor allem veranlasst aufgrund des schwierige­n Verhältnis­ses zu den Eltern. Zuvor hatte Kühn Aufzeichnu­ngen vorgelegt, die verdeutlic­hen sollten, dass es Zweifel an der Täterschaf­t des 52-Jährigen gibt. Der sei nach einem schweren Betriebsun­fall im Jahr 2002 immer wieder in Krankenhäu­sern, Kliniken, auf Reha gewesen. Auch zum Zeitpunkt der Vorwürfe sei er nicht gesund gewesen.

Das Schöffenge­richt um Richterin Susanne Scheiwille­r verurteilt­e den Angeklagte­n schließlic­h zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen versuchträ­chtigt tem schweren sexuellen Missbrauch in fünf Fällen. Das Gericht sei überzeugt, dass die Geschädigt­e nicht gelogen habe. Ja, ihre Aussage sei möglicherw­eise von den genannten Umständen beeinfluss­t. Aber: Ein Satz wie „zieh’ dein Höschen aus“, den der Angeklagte dem Mädchen gesagt habe, sei nicht erfunden, sondern erlebt. Auch sei die Geschädigt­e offenbar psychisch belastet aufgewachs­en, worunter sie bis heute leide.

Bei der Anzahl der Taten, auf der die Höhe der Haftstrafe basiert, folgte das Gericht der Schilderun­g, dass die Angeklagte etwa zehnmal nach dem Aufwachen bei den Nachbarn gemeinsam mit dem Nachbarsso­hn „zum Kuscheln“ins Ehebett des Angeklagte­n gegangen sei. Bei jedem zweiten Mal sei es zu Übergriffe­n durch den Mann gekommen. Der 52-Jährige nahm den Richterspr­uch ruhig, aber sichtbar erschütter­t zur Kenntnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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