Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie der Schäfflertanz nach Dinkelscherben kam
Serie Der uralte Brauch ist nicht mehr aus der Marktgemeinde wegzudenken. Dabei entstand er eigentlich woanders. Wie die Tradition in die Kommune kam und weshalb es mehrere Theorien zu deren Ursprung gibt
Dinkelscherben Nach siebenjähriger Pause erwacht am 6. Januar in Dinkelscherben wieder eine alte Tradition. Die Rede ist vom Schäfflertanz, der vor über 100 Jahren von München nach Dinkelscherben geholt wurde. Mit diesem Thema befasst sich der erste Teil unserer Serie.
Der erste Schäfflertanz fand in München statt. Dies belegen alte Schriftdokumente und Zeichnungen, welche seit jeher nur die Landeshauptstadt mit den Wurzeln dieser Tradition in Verbindung bringen. Allseits bekannt sind die tanzenden Schäfflerfiguren am Münchner Rathaus am Marienplatz. Weiterhin gibt es in der Münchner Innenstadt ebenso wie in Dinkelscherben eine Schäfflerstraße, deren Einfahrt ebenfalls von solchen hölzernen Figuren verziert wird.
Es gibt allerdings zwei verschiedene Behauptungen, wann der Tanz in München uraufgeführt wurde. Am weitesten verbreitet ist die Geschichte, dass der Schäfflertanz zum ersten Mal im Pestjahr 1517 stattfand. Nachdem die Pest tausende Menschen dahingerafft hatte, seien es die Schäffler gewesen, die als erstes wieder ihren Arbeiten nachgingen und mit ihrem Tanz die eingeschüchterten Menschen wieder aus den Häusern und auf die Straße lockten. Diese Version der Entstehung ist heute die gängigste.
Der Augsburger Professor für Volkskunde, Günther Kapfhammer, griff jedoch eine zweite, wesentlich nüchternere Entstehungsgeschichte des Münchner Schäfflertanzes auf. Seine Thesen schildert er in einem Buch, welches anlässlich des 100-jährigen Tanzjubiläums in Dinkelscherben veröffentlicht wurde. Demnach ließ sich erst 1571 ein Beleg zu einem solchen Handwerkerbrauch finden. Damals tanzten die Schäffler jedoch nicht in der heutigen Form, sondern trugen mit Kübelstechen und Fechten zur Unterhaltung am herzoglichen Hofe bei. Im Februar 1702 wurde dann ein erster konkreter Hinweis auf den heutigen Schäfflertanz gefunden. Die Fassmacher verschiedener Brauereien baten den Stadtrat, während der Fastnachtszeit den bisher gewöhnlichen Schäfflertanz aufzuführen. „Wichtig ist die Formulierung ‚gewöhnlich’, das heißt, es handelte sich um einen Tanz, der eine gewisse Tradition hatte“, so Kapfhammer. Genauere Beschreibungen zum Aussehen des Tanzes ließen sich über diese Zeit jedoch nicht finden, weshalb das Datum der Uraufführung weiterhin rätselhaft bleibt. Solche Darstellungen fanden sich erst knapp 30 Jahre später und 1760 wurde in den kurfürstlichen Kabinettsrechnungen erstmals von dem „alle sieben Jahre zur Fastnachtszeit gewöhnlichen, öffentlichen Reiftanz“gesprochen.
Es dauerte noch bis 1893, dann wurde der erste Schäfflertanz in Dinkelscherben aufgeführt. Zwar waren bereits seit 1830 wandernde Schäfflergesellen mit ihrem Tanz durch ganz Bayern, und teilweise auch darüber hinaus gezogen, doch waren Friedrich Viehauser, Lud- Altstetter und Joseph Lutz die ersten Dinkelscherber, die 1891/1892 das Aufführungsrecht des Schäfflertanzes fest in ihre Gemeinde holten.
Einige Jahre früher dran, 1846, und damit der nachweislich älteste
Schäfflertanz nach Münchner Vorbild, war Nonnenhorn am Bodensee. Dinkelscherben ist somit die Nummer Zwei in ganz Schwaben.
Über die erste Dinkelscherber Tanzaufführung im Jahre 1893 ist nur wenig bekannt. Sicher ist jewig
doch, dass sich die Schäffler vom ersten Mal an zur Probe in ihrer Herberge, dem Gasthaus „Zum Adler“trafen und von dort auch zum Tanz aufbrachen. Die sogenannte „Schäfflerherberge“hielt sich bis 2005. 2012 musste aufgrund der großen Anzahl der Teilnehmer (62 Schäffler) erstmals auf den Pfarrsaal ausgewichen werden. Was damals wie heute allerdings gleich geblieben ist, ist das ungeschriebene Gesetz, dass die Mitwirkenden alle über 18 Jahre alt und unverheiratet sein sowie ihren Wohnsitz in Dinkelscherben haben mussten. Gelockert hat sich die Regelung nur was den beruflichen Stand angeht: 1893 mussten die Tänzer noch aus einer Handwerker- oder Bauernfamilie kommen.
Zwar stützten sich die Dinkelscherber stark an das Münchner Vorbild, doch entwickelten sie im Laufe der Jahre auch eine eigene, besondere Note. Dies lässt sich beispielsweise an der Altersstruktur der Teilnehmer erkennen. Im Gegensatz zu München, wo einige Tänzer noch wirklich aus dem Schäfflerhandwerk kommen, tanzen in Dinkelscherben ausschließlich junge Burschen. Vom 6. Januar 2019 bis zum Faschingsdienstag wird übrigens in allen drei Gemeinden, Nonnenhorn am Bodensee, Dinkelscherben und auch in München getanzt. Info Im nächsten Teil unserer Serie zum Dinkelscherber Schäfflertanz lesen sie mehr zum Verlauf und den vergangenen 15 Tanzjahren in Dinkelscherben.