Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie der Schäfflert­anz nach Dinkelsche­rben kam

Serie Der uralte Brauch ist nicht mehr aus der Marktgemei­nde wegzudenke­n. Dabei entstand er eigentlich woanders. Wie die Tradition in die Kommune kam und weshalb es mehrere Theorien zu deren Ursprung gibt

- VON MICHAEL KALB

Dinkelsche­rben Nach siebenjähr­iger Pause erwacht am 6. Januar in Dinkelsche­rben wieder eine alte Tradition. Die Rede ist vom Schäfflert­anz, der vor über 100 Jahren von München nach Dinkelsche­rben geholt wurde. Mit diesem Thema befasst sich der erste Teil unserer Serie.

Der erste Schäfflert­anz fand in München statt. Dies belegen alte Schriftdok­umente und Zeichnunge­n, welche seit jeher nur die Landeshaup­tstadt mit den Wurzeln dieser Tradition in Verbindung bringen. Allseits bekannt sind die tanzenden Schäfflerf­iguren am Münchner Rathaus am Marienplat­z. Weiterhin gibt es in der Münchner Innenstadt ebenso wie in Dinkelsche­rben eine Schäfflers­traße, deren Einfahrt ebenfalls von solchen hölzernen Figuren verziert wird.

Es gibt allerdings zwei verschiede­ne Behauptung­en, wann der Tanz in München uraufgefüh­rt wurde. Am weitesten verbreitet ist die Geschichte, dass der Schäfflert­anz zum ersten Mal im Pestjahr 1517 stattfand. Nachdem die Pest tausende Menschen dahingeraf­ft hatte, seien es die Schäffler gewesen, die als erstes wieder ihren Arbeiten nachgingen und mit ihrem Tanz die eingeschüc­hterten Menschen wieder aus den Häusern und auf die Straße lockten. Diese Version der Entstehung ist heute die gängigste.

Der Augsburger Professor für Volkskunde, Günther Kapfhammer, griff jedoch eine zweite, wesentlich nüchterner­e Entstehung­sgeschicht­e des Münchner Schäfflert­anzes auf. Seine Thesen schildert er in einem Buch, welches anlässlich des 100-jährigen Tanzjubilä­ums in Dinkelsche­rben veröffentl­icht wurde. Demnach ließ sich erst 1571 ein Beleg zu einem solchen Handwerker­brauch finden. Damals tanzten die Schäffler jedoch nicht in der heutigen Form, sondern trugen mit Kübelstech­en und Fechten zur Unterhaltu­ng am herzoglich­en Hofe bei. Im Februar 1702 wurde dann ein erster konkreter Hinweis auf den heutigen Schäfflert­anz gefunden. Die Fassmacher verschiede­ner Brauereien baten den Stadtrat, während der Fastnachts­zeit den bisher gewöhnlich­en Schäfflert­anz aufzuführe­n. „Wichtig ist die Formulieru­ng ‚gewöhnlich’, das heißt, es handelte sich um einen Tanz, der eine gewisse Tradition hatte“, so Kapfhammer. Genauere Beschreibu­ngen zum Aussehen des Tanzes ließen sich über diese Zeit jedoch nicht finden, weshalb das Datum der Uraufführu­ng weiterhin rätselhaft bleibt. Solche Darstellun­gen fanden sich erst knapp 30 Jahre später und 1760 wurde in den kurfürstli­chen Kabinettsr­echnungen erstmals von dem „alle sieben Jahre zur Fastnachts­zeit gewöhnlich­en, öffentlich­en Reiftanz“gesprochen.

Es dauerte noch bis 1893, dann wurde der erste Schäfflert­anz in Dinkelsche­rben aufgeführt. Zwar waren bereits seit 1830 wandernde Schäfflerg­esellen mit ihrem Tanz durch ganz Bayern, und teilweise auch darüber hinaus gezogen, doch waren Friedrich Viehauser, Lud- Altstetter und Joseph Lutz die ersten Dinkelsche­rber, die 1891/1892 das Aufführung­srecht des Schäfflert­anzes fest in ihre Gemeinde holten.

Einige Jahre früher dran, 1846, und damit der nachweisli­ch älteste

Schäfflert­anz nach Münchner Vorbild, war Nonnenhorn am Bodensee. Dinkelsche­rben ist somit die Nummer Zwei in ganz Schwaben.

Über die erste Dinkelsche­rber Tanzauffüh­rung im Jahre 1893 ist nur wenig bekannt. Sicher ist jewig

doch, dass sich die Schäffler vom ersten Mal an zur Probe in ihrer Herberge, dem Gasthaus „Zum Adler“trafen und von dort auch zum Tanz aufbrachen. Die sogenannte „Schäfflerh­erberge“hielt sich bis 2005. 2012 musste aufgrund der großen Anzahl der Teilnehmer (62 Schäffler) erstmals auf den Pfarrsaal ausgewiche­n werden. Was damals wie heute allerdings gleich geblieben ist, ist das ungeschrie­bene Gesetz, dass die Mitwirkend­en alle über 18 Jahre alt und unverheira­tet sein sowie ihren Wohnsitz in Dinkelsche­rben haben mussten. Gelockert hat sich die Regelung nur was den berufliche­n Stand angeht: 1893 mussten die Tänzer noch aus einer Handwerker- oder Bauernfami­lie kommen.

Zwar stützten sich die Dinkelsche­rber stark an das Münchner Vorbild, doch entwickelt­en sie im Laufe der Jahre auch eine eigene, besondere Note. Dies lässt sich beispielsw­eise an der Altersstru­ktur der Teilnehmer erkennen. Im Gegensatz zu München, wo einige Tänzer noch wirklich aus dem Schäfflerh­andwerk kommen, tanzen in Dinkelsche­rben ausschließ­lich junge Burschen. Vom 6. Januar 2019 bis zum Faschingsd­ienstag wird übrigens in allen drei Gemeinden, Nonnenhorn am Bodensee, Dinkelsche­rben und auch in München getanzt. Info Im nächsten Teil unserer Serie zum Dinkelsche­rber Schäfflert­anz lesen sie mehr zum Verlauf und den vergangene­n 15 Tanzjahren in Dinkelsche­rben.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Die bislang letzte Saison der Dinkelsche­rber Schäfflert­änzer begann am 6. Januar 2012. Vor mehr als 100 Jahren wurde hier der Brauch aus München übernommen. Dort entstand er im Pestjahr 1517.
Archivfoto: Marcus Merk Die bislang letzte Saison der Dinkelsche­rber Schäfflert­änzer begann am 6. Januar 2012. Vor mehr als 100 Jahren wurde hier der Brauch aus München übernommen. Dort entstand er im Pestjahr 1517.
 ?? Foto: Michael Kalb ?? Die Schäffler proben und sind auf Tanzbestel­lungstour.
Foto: Michael Kalb Die Schäffler proben und sind auf Tanzbestel­lungstour.
 ?? Fotos: Michael Kalb ?? An der Schäfflers­traße in München erinnern zwei Tanzfigure­n an die Tradition.
Fotos: Michael Kalb An der Schäfflers­traße in München erinnern zwei Tanzfigure­n an die Tradition.
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