Augsburger Allgemeine (Land West)

Franziskus: Verschiede­nheit ist „Reichtum“

Weihnachts­messen Der Papst ruft zu Toleranz und mehr Verbundenh­eit unter den Menschen auf. In Deutschlan­d richten einige Bischöfe einen selbstkrit­ischen Blick auf die Kirche

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Rom/Berlin Angesichts von Konflikten und Kriegen hat Papst Franziskus in seiner Weihnachts­botschaft zu Toleranz und Zusammenha­lt aufgerufen. „Unsere Verschiede­nheit schadet uns (...) nicht, sie bedeutet keine Gefahr; sie ist vielmehr ein Reichtum“, sagte das Katholiken­oberhaupt am ersten Weihnachts­feiertag von der Loggia des Petersdoms vor rund 50000 Menschen in Rom. „Es ist wie bei einem Künstler, der ein Mosaik gestalten will: Es ist besser, Steine mit vielen Farben zur Verfügung zu haben, als nur mit wenigen Farben zu arbeiten.“

In Deutschlan­d thematisie­rten einige Bischöfe an Weihnachte­n den Missbrauch­sskandal – Franziskus sparte ihn aus. Der Argentinie­r sagte, die universale Botschaft von Weihnachte­n sei, dass „wir alle Geschwiste­r sind“. „Ohne die Geschwiste­rlichkeit, die Jesus uns geschenkt hat, behalten all unsere Bemühungen um eine gerechtere Welt einen kurzen Atem, und selbst die besten Vorhaben drohen seelenlose Strukturen zu werden.“Bevor der Argentinie­r den traditione­llen „Urbi et orbi“-Segen spendete, ging er auf Konflikte und Kriege in aller Welt ein. Der Pontifex äußerte die Hoffnung, dass Israelis und Palästinen­ser mit Dialog den jahrzehnte­langen Konflikt beenden. Im Syrien-Krieg forderte er einen entschiede­nen Einsatz der internatio­nalen Gemeinscha­ft für eine politische Lösung. Mit Blick auf den Jemen hoffe er, „dass die von der internatio­nalen Gemeinscha­ft vermit- telte Waffenruhe den vielen Kindern und der von Krieg und Hunger erschöpfte­n Bevölkerun­g endlich Erleichter­ung bringen kann“.

Franziskus sprach auch die Krisen in Venezuela, Nicaragua und in der Ukraine sowie das vielerorts herrschend­e Elend in Afrika an. Nord- und Südkorea mögen „auf dem eingeschla­genen Weg der Annäherung“voranschre­iten, sagte er. Er gedachte auch der Christen, die Weihnachte­n an einigen Orten der Welt als Minderheit „in einem schwierige­n – um nicht zu sagen: feindselig­en – Umfeld feiern“. Die Weihnachts­botschaft und der päpstliche Segen sind neben der Christmett­e an Heiligaben­d die Höhepunkte der Weihnachts­feierlichk­eiten im Vatikan. An Heiligaben­d hatte Franziskus Maßlosigke­it kritisiert und zu Nächstenli­ebe aufgerufen.

In Deutschlan­d haben einige Bischöfe in ihren Weihnachts­predigten selbstkrit­isch die Institutio­n Kirche betrachtet. „Wir stehen heute vor der erschrecke­nden Tatsache, dass es eine dunkle Seite dieser Kirche gibt“, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf im Mainzer Dom. Das Licht Christi müsse neu in diese dunkle Zone hereingela­ssen werden. „Sünde und Schuld müssen ans Licht. Ich habe in den letzten Monaten neu gelernt, dass wir zu banalisier­end über Sünde reden.“

Im September hatte die Deutsche Bischofsko­nferenz eine Studie über sexuellen Missbrauch katholisch­er Kleriker an Kindern und Jugendlich­en vorgestell­t. Dabei wurden Personalak­ten zwischen 1946 und 2014 untersucht: Im Ergebnis sollen mindestens 1670 katholisch­e Geistliche 3677 meist männliche Minderjähr­ige missbrauch­t haben. Auch der Würzburger Bischof Franz Jung thematisie­rte die Fälle des sexuellen Missbrauch­s. „Mit Schrecken musste man sich schließlic­h eingestehe­n, dass selbst Heiligstes missbrauch­t werden kann wie der Schutzraum der Beichte“, sagte Jung laut Mitteilung beim Pontifikal­amt im Würzburger Kiliansdom. „Auch die priesterli­che Lebensform, die nach außen hin den Eindruck besonderer Sicherheit erweckte, garantiert­e keinen verlässlic­hen Schutz.“Papst Franziskus kam auf das Thema

Sorge um die Zukunft der Christen im Heiligen Land

Missbrauch nicht zu sprechen, äußerte aber die Hoffnung: „Das kleine frierende Kind, das wir heute in der Krippe betrachten, möge alle Kinder auf dieser Welt und jeden schwachen, wehrlosen und ausgeschlo­ssenen Menschen beschützen.“

Im Heiligen Land rief das dortige Oberhaupt der katholisch­en Kirche die Christen dazu auf, in den Städten zu bleiben, in denen Jesus geboren wurde, lebte und starb. „Jesus wurde in Bethlehem geboren“, sagte der lateinisch­e Patriarch Pierbattis­ta Pizzaballa in der St.-Katharinen­Kirche neben der Geburtskir­che in Bethlehem. Die Zahl der Christen in der Region ist angesichts der schwierige­n wirtschaft­lichen und politische­n Lage in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer weiter geschrumpf­t.

 ?? Foto: Andrew Medichini, dpa ?? Papst Franziskus streichelt ein Baby, während er zum traditione­llen Weihnachts­empfang in der Vatikanisc­hen Audienzhal­le eintrifft. Der Pontifex rief die Gläubigen weltweit zu mehr Toleranz auf.
Foto: Andrew Medichini, dpa Papst Franziskus streichelt ein Baby, während er zum traditione­llen Weihnachts­empfang in der Vatikanisc­hen Audienzhal­le eintrifft. Der Pontifex rief die Gläubigen weltweit zu mehr Toleranz auf.

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