Augsburger Allgemeine (Land West)
Düstere Börsen-Zeiten
Anlage Die Teilnehmer an den Aktienmärkten reagieren zunehmend verunsichert. In den USA stichelt Trump gegen die Notenbank. Am Mittwoch aber steigt der Dow Jones um fast 5 Prozent
Washington/Frankfurt Der US-Aktienmarkt hat am Mittwoch nach dem desaströsen Wochenstart furios zugelegt und ist in einer wilden Rally um knapp 5 Prozent gestiegen. Beim Ertönen der Schlussglocke zeigte die Kurstafel ein Plus von 4,98 Prozent auf 22 878,45 Punkte. US-Präsident Donald Trump hatte zuvor Investoren empfohlen, die zuletzt gefallenen Kurse zum Aktienkauf zu nutzen: „Ich denke, es ist eine großartige Gelegenheit zu kaufen. Wirklich eine großartige Gelegenheit zu kaufen.“
Trump reagiert mit zunehmendem Zorn auf die derzeit schwachen Märkte. Im Zentrum seiner Kritik steht die Notenbank, da die Federal Reserve – kurz Fed – die Zinssätze unter Hinweis auf die guten Wirtschaftsdaten und Inflationsgefahren langsam, aber stetig erhöht hat.
„Sie erhöhen die Zinsen zu schnell, das ist meine Meinung“, sagte Trump. Doch weitere schrittweise Zinserhöhungen sind nach Angaben der Fed wahrscheinlich. Allerdings erwartet die US-Notenbank nur zwei Zinserhöhungen im kommenden Jahr anstatt drei, wie noch im September angedeutet.
Trumps Finanzminister Steven Mnuchin versuchte, einzugreifen und die Märkte zu beruhigen. Er versprach, der Präsident plane nicht, den Fed-Chef Jerome Powell zu entlassen. Telefonate Mnuchins mit den Chefs einiger der größten US-Banken, scheinen die Investoren allerdings eher weiter beunruhigt zu haben. Die wichtigsten US-Aktienindizes hatten so am Montag weiter an Boden verloren, wobei der Dow Jones um fast drei Prozent und der S&P 500 um rund 2,5 Prozent zurückging. Die Indizes bewegen sich für das Gesamtjahr im negativen Bereich. Am Dienstag waren die USBörsen wegen des Weihnachtsfeiertags geschlossen. In Deutschland blieb die Börse komplett über Weihnachten zu.
Auslöser der Talfahrt an den Aktienmärkten ist vor allem der Haushaltsstreit zwischen Trump und den Demokraten. Investoren befürchten eine Schwächung der US-Wirtschaft. Hinzu kam die neue Attacke von Trump gegen die Fed. Der Dow-Jones-Index hat damit innerhalb von drei Monaten rund 17 Prozent eingebüßt. Analysten befürchten, dass der Dezember dieses Jahres an der Wall Street der schlechteste Börsenmonat seit Anfang der 1930er Jahre werden könnte.
Doch Trump sorgt weiter für Unruhe. Er attackiert unverdrossen die US-Notenbank: „Das einzige Problem, das unsere Wirtschaft hat, ist die Fed.“Die Notenbanker hätten kein Gespür für den Markt: „Die Fed ist wie ein mächtiger Golfspieler, der nicht punkten kann, weil er kein Gefühl hat – er kann nicht einlochen!“
Trump hatte den von ihm selbst nominierten Fed-Chef Jerome Powell wegen der Zinserhöhungen schon mehrfach ungewöhnlich scharf kritisiert. Trump glaubt, dass durch unnötig hohe Zinsen die USKonjunktur abgewürgt werden könnte. Auf eine Frage nach der Zukunft Powells säte Trump mit seiner Antwort eher Zweifel: „Na ja, wir werden sehen. Aber sie erhöhen die Zinsen zu schnell, das ist meine Meinung.“Zugleich stellte er sich hinter seinen Finanzminister Mnuchin. Auf die Frage, ob er Vertrauen in Mnuchin habe, sagte der Präsident: „Ja, das habe ich. Sehr talentierter Typ. Sehr schlaue Person.“
In der verkürzten Weihnachtswoche hoffen die Anleger am deutschen Aktienmarkt auf ein halbwegs versöhnliches Ende eines verkorksten Jahres. Doch am heutigen Donnerstag und morgigen Freitag dürfte es kaum gelingen, die bislang miese Bilanz noch entscheidend aufzupolieren. Zudem endet der Handel am Freitag bereits um 14 Uhr, an Silvester bleibt die Frankfurter Börse geschlossen.
Am Freitag war der Dax um 0,21 Prozent auf 10 633,82 Punkte gestiegen. Auf Wochensicht steht aber ein Minus von 2,13 Prozent zu Buche. Die Vorzeichen für die kurze Handelswoche sind jedenfalls düster: „Die Stimmung der Anleger hat inzwischen Züge der Kapitulation angenommen“, beschrieb Guido Schäfers im Bernecker-Börsenbrief Termin-Börse die aktuelle Lage. Belastungsfaktoren wie die Sorge vor steigenden Zinsen, die Anleihen attraktiver machen könnten, die internationalen Handelsstreitigkeiten oder der Brexit dürften Börsianern zufolge dafür sorgen, dass der deutschen Leitindex Dax nach sechs Gewinnjahren in Folge 2018 nun wohl im Minus endet.
Auch Jochen Stanzl, Analyst beim Handelshaus CMC Markets, äußerte sich skeptisch. Trotz hoher Rabatte auf die Kurse noch vor zwölf Monaten wolle keiner so recht bei Aktien zugreifen. Der Dax dürfte 2018 auf einem Jahrestief beenden, es sei denn, „zwischen den Jahren“komme in Erwartung eines furiosen Starts in das Jahr 2019 noch einmal so richtig Kauflaune auf – dies sei allerdings ein sehr unwahrscheinliches Szenario. Mit der aufkommenden Unruhe im Weißen Haus wegen eines drohenden Regierungsstillstands in den USA hat sich Stanzl zufolge ein weiterer Risikofaktor zu den altbekannten politischen Krisen hinzugesellt. Auch aus markttechnischer Sicht ist das Bild trübe. „Die jüngsten Stabilisierungstendenzen beim Dax waren wie vermutet lediglich eine Reaktion auf die erlittenen Verluste“, schrieb Analyst Hans-Peter Reichhuber von der Landesbank BayernLB. Mittlerweile sei der Leitindex auf neue zyklische Tiefs gefallen und setze damit seinen Weg nach unten fort.