Augsburger Allgemeine (Land West)

Für eine Freundin hat er jetzt keine Zeit

Serie Marius Herb steckt mitten in seinem Studium und er merkt, wie viel es für ihn als angehenden Organisten zu lernen gibt und dass sich das wahrschein­lich nie ändern wird

- VON RICHARD MAYR

Ein bisschen mehr Freizeit nimmt sich Marius Herb jetzt auch. Wenn der 18-Jährige das sagt, meint er ein paar Stunden am Sonntag. Ansonsten dreht sich sein Leben ganz und gar um die Musik. Er ist im fünften Semester seines Kirchenmus­ikStudiums in Regensburg angekommen. Mittlerwei­le ist noch ein zweites Hauptfach hinzugekom­men: Konzertorg­el. Noch mehr Stunden unter der Woche, noch mehr Üben. Und Marius ahnt, dass er den Bogen nicht vollkommen überspanne­n darf – deshalb hat er sich ein „bisschen mehr Freizeit“zugestande­n.

Aber dann sieht er in Regensburg eben auch die Studenten, die Freizeit viel größer schreiben und ihr Studium nur halbherzig angehen. Das möchte er nicht. Marius weiß, dass er jetzt die Grundlage für das Leben als Kirchenmus­iker schaffen muss, dass er im Studium die Basis für alles Spätere legt. Mehr Zeit zum Üben, Spielen, Verbessern, Verstehen wird er später nicht haben. Deshalb lässt Marius sich nicht ablenken. Eine Freundin? „Dafür habe ich jetzt keine Zeit“, sagt er.

Bevor der Unterricht und die Seminare beginnen, sitzt Marius jeden Morgen an einer der Übungsorge­ln. Im Idealfall zwei, zweieinhal­b Stunden, damit er abends nach den Einzelstun­den und den Seminaren nicht mehr so viel machen muss. „Von meinen Professore­n bekomme ich Impulse“, sagt er. Wie er damit umgeht, was er aus diesen Impulsen macht, das hängt entscheide­nd von seinem Fleiß ab, und an dem soll es nicht scheitern.

Vor drei Jahren, als Marius noch in die Realschule ging und davon träumte, die Aufnahmepr­üfung an der Kirchenmus­ikhochschu­le in Regensburg zu bestehen, war der Blick auf die Musik und das Kommende noch ein anderer. Die bestandene Aufnahmepr­üfung ist nicht das Ziel allen Strebens, sondern der Anfang; damals hatte er es nicht geschafft, damals fing etwas an, nämlich das Orgelspiel mit nicht geahnter Intensität zu erlernen und zu studieren. Nun, nach fünf Semestern, ist bei Marius zu spüren, dass er erkennt, dass das Lernen nie aufhören wird, wenn er seinen Weg mit dieser Ernsthafti­gkeit weitergeht, dass all das Üben an der Hochschule nur ein Anfang sein kann, weil es so viel zu spielen gibt, weil die Musik so viel zu bieten hat, sie so reich, vielfältig und unterschie­dlich ist, dass ein Studium dafür nicht genügt.

Lernen heißt für Marius, nicht nur neue Werke zu entdecken, manchmal sind es auch Instrument­e. Anfang dieses Jahres waren Regensburg­er Studenten in Paris, um dort in den großen Kirchen die Orgeln zu hören und auch zu spielen: Sie waren unter anderem in Notre-Dame, Saint-Sulpice, St.-Trinité auf den Spuren von großen Komponiste­n und gleichzeit­ig im Gespräch und begleitet von großen Organisten, etwa Olivier Latry und Daniel Roth. „Einer der besten Organisten der Welt“, sagt Marius. Und dieser zeigte ihnen „seine“Orgel in SaintSulpi­ce – „ein tolles Instrument“, findet Marius. Und er hatte keine Scheu, sich als junger Student an dieser Orgel auszuprobi­eren. Etwas von Luis Vierne, das dieser in seiner Zeit als stellvertr­etender Organist in St.-Sulpice komponiert hatte. „Seine Musik wirkt an diesem Ort noch authentisc­her.“Überhaupt ist Marius von der französisc­hen Orgelsinfo­nik begeistert. Es beeindruck­te ihn schwer, dass er die Orgeln spielen konnte, an denen Widor, Vierne, Messiaen als Organisten und Komponiste­n tätig waren.

So toll diese Erfahrung in Paris auch war, so sehr schwärmt Marius immer noch von der Orgel der Ulrichsbas­ilika in Augsburg. Dort spielte er das erste Mal auf einem großen Instrument. Wenn Marius jetzt an den Wochenende­n bei seinen Eltern zu Hause in Hirblingen ist, kann es gut sein, dass er Peter Bader, den Kirchenmus­iker von St. Ulrich und Afra, bittet, ihn dort üben zu lassen. „Im großen Kirchenrau­m zu spielen, ist immer etwas ganz anderes“, sagt Marius. Und sein Professor Franz Josef Stoiber bemerkt das in der nächsten Einzelstun­de sofort: „Sie haben in einem großen Raum geübt?“

Sein Amt als Studentens­precher hat Marius nach zwei Semestern wieder abgegeben. Jetzt sind andere gefordert, die Kommiliton­en zur Mitarbeit und zum Mitorganis­ieren zu bewegen. Er trommelt lieber Freunde an der Hochschule für private Exkursione­n zusammen, um

So viel gibt es in der Musik zu entdecken

Wenn er sich etwas wünschen könnte, dann Paris

anderswo neue Orgeln zu hören und auszuprobi­eren.

Noch hat Marius einige Semester an der Musikhochs­chule in Regensburg vor sich. Aber wenn er den Blick nach vorn richtet und wenn er sich etwas wünschen dürfte nach seinem Bachelorst­udium, dann würde er sehr gerne in Paris seinen Master machen, am liebsten bei Daniel Roth. Ob er dort in ein paar Jahren tatsächlic­h sein wird? Auf jeden Fall geht Marius seinen Weg als Musiker entschiede­n an – mit aller Kraft und allem Einsatz. Gute Voraussetz­ungen also.

 ?? Foto: Augustin Meija Vargas ?? Ein Höhepunkt im Jahr von Marius Herb: in Paris in den großen Kirchen Orgel spielen zu können. Auf dem linken Bild an der Cavaillé-Coll-Orgel in Notre-Dame, auf dem rechten sitzt Marius an der Cavaillé-Coll-Orgel in St.-Antoine-des-Quinze-Vingts.
Foto: Augustin Meija Vargas Ein Höhepunkt im Jahr von Marius Herb: in Paris in den großen Kirchen Orgel spielen zu können. Auf dem linken Bild an der Cavaillé-Coll-Orgel in Notre-Dame, auf dem rechten sitzt Marius an der Cavaillé-Coll-Orgel in St.-Antoine-des-Quinze-Vingts.
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