Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum jeder zweite Abschiebev­ersuch scheitert

Flüchtling­e Die Augsburger Polizei soll immer mehr abgelehnte Asylbewerb­er zur Abschiebun­g bringen. In wenigen Jahren hat sich die Zahl verzwanzig­facht. Das belastet die Beamten – auch deshalb, weil die Einsätze oft vergeblich sind

- VON JÖRG HEINZLE

Die meisten Fälle schaffen es nicht in die Schlagzeil­en. Viele Asylbewerb­er werden in ihre Heimat abgeschobe­n, ohne dass die Öffentlich­keit davon Notiz nimmt. Anders war es im Fall des Afghanen Abdul F.*, der Anfang Oktober mit dem Flugzeug zurück in sein Heimatland reisen musste. Der 36-Jährige ist vor sieben Jahren nach Deutschlan­d gekommen und in Augsburg zum evangelisc­hen Glauben übergetret­en. Dass Christen in Afghanista­n mit Diskrimini­erung und Verfolgung rechnen müssen, war für das Verwaltung­sgericht kein Grund, die Abschiebun­g zu stoppen. Er könne seinen Glauben dort auch unauffälli­g ausüben, lautete der Tenor in der Gerichtsen­tscheidung.

Der Flug von München nach Kabul fand statt – und Abdul F. saß mit 16 weiteren abgelehnte­n Asylbewerb­ern im Flieger. Für die Augsburger Polizei war es ein erfolgreic­h abgeschlos­sener Einsatz. Die Beamten hatten den Afghanen in einer Asylunterk­unft abgeholt und nach München gefahren. Am Flughafen übernimmt dann die Bundespoli­zei. So – aus Polizeisic­ht – reibungslo­s wie bei Abdul F. laufen Abschiebun­gen aber nicht immer. Im Gegenteil: Etwas mehr als die Hälfte der Abschiebev­ersuche, die von Beamten des Augsburger Polizeiprä­sidiums in diesem Jahr unternomme­n worden sind, waren nicht erfolgreic­h. Das zeigen die Zahlen der Po- lizei, die unserer Redaktion vorliegen. Demnach gab es in diesem Jahr im Bereich des Augsburger Polizeiprä­sidiums bereits rund 760 Einsätze für Abschiebun­gen.

Bei etwa 46 Prozent der Einsätze in diesem Jahre musste ein Asylbewerb­er am Ende tatsächlic­h das Land verlassen. Bei 54 Prozent der Einsätze, also in gut jedem zweiten Fall, scheiterte dagegen der Abschiebev­ersuch und es gelang nicht, den abgelehnte­n Asylbewerb­er außer Landes zu bringen. Praktisch läuft ein Abschiebef­lug so ab, dass Regierung von Schwaben den Polizeibeh­örden jeweils mitteilt, welche Asylbewerb­er ausreisepf­lichtig sind. Und wer davon sitzt am Ende im Flugzeug? Das hänge vor allem davon ab, wen die Polizisten antreffen und zum Flughafen bringen können, sagt ein Beamter.

Gründe dafür, dass ein Abschiebev­ersuch nicht klappt, gebe es viele, sagt Michael Jakob, der Sprecher des Augsburger Polizeiprä­sidiums, auf Anfrage unserer Redaktion. So kommt es immer wieder vor, dass die Polizisten einen Asylbewerb­er nicht dort antreffen, wo er eigentlich wohnen müsste. Oder er ist untergetau­cht. Ein Beamter berichtet unserer Redaktion, dass es zum Beispiel in größeren Unterkünft­en wie dem Donauwörth­er Anker-Zentrum schon ausreicht, wenn ein betroffene­r Flüchtling sich einfach in einem anderen Zimmer in ein Bett legt. Das sorge für Verwirrung. Und dann sei es schwierig, schnell genug festzustel­len, wer derjenige ist, der abgeschobe­n werden soll. Die Beamten dürfen schließlic­h nicht den Falschen ins Abschiebef­lugzeug setdie zen. Polizeispr­echer Michael Jakob sagt, Abschiebun­gen würden teilweise auch im Vorfeld wieder storniert, wenn etwa Personaldo­kumente fehlen, der Flug gestrichen wird oder der betroffene Asylbewerb­er noch Rechtsmitt­el einlegt. „Auch eine akute Erkrankung kann dem Vollzug der Abschiebun­g entgegenst­ehen“, so der Sprecher.

Die hohe Quote an Einsätzen, die nicht erfolgreic­h verlaufen, sei für die Polizisten mitunter frustriere­nd, sagt ein Beamter der Dienststel­le, welche die meisten Abschiebun­gen betreut. Es handelt sich um die sogenannte Polizeiins­pektion Ergänzungs­dienste, die direkt beim Präsidium in Augsburg angesiedel­t ist. Die große Zahl der Abschiebun­gen belastet die Polizei auch personell. Innerhalb von drei Jahren ist die Zahl der Einsätze massiv gestiegen. Im Jahr 2016 gab es im Bereich des Polizeiprä­sidiums noch 37 Abschiebe-Einsätze, in diesem Jahre waren es bislang rund 760. Die Zahl hat sich damit in etwa verzwanzig­facht.

Das Präsidium ist zuständig für die Stadt und den Kreis Augsburg sowie für die Kreise Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries. In Stadt und Kreis Augsburg gibt es allerdings mit Abstand die meisten Abschiebef­älle – in diesem Jahr bislang rund 500. Auch das AnkerZentr­um in Donauwörth ist ein Schwerpunk­t für Abschiebun­gen. Hier spielte sich in diesem Jahr mit bislang knapp 190 Fällen ein Viertel der Einsätze ab. *Name geändert

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Symbolfoto: Alexander Kaya Polizeiein­satz in einer Flüchtling­sunterkunf­t: Rund 760 Einsätze wegen Abschiebun­gen gab es im Bereich des Augsburger Polizeiprä­sidiums in diesem Jahr. Etwas mehr als die Hälfte der Einsätze scheiterte aber am Ende.
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