Augsburger Allgemeine (Land West)

In den Kirchen stellt sich die Sinnfrage

Weihnachts­gottesdien­ste Womit sich die Predigten in Augsburg beschäftig­t haben. Bischof Konrad Zdarsa erzählt, wann ihm die Menschen besonders gut zugehört haben

- VON JÖRG HEINZLE

Bischof Konrad Zdarsa hat schon in vielen Kirchen gepredigt, vor vielen Gläubigen. Doch hinter Gittern, in einem Gefängnis, scheint der Durst nach diesen Worten besonders groß zu sein. Nur selten hätten ihm Menschen so intensiv zugehört wie bei einem Weihnachts­gottesdien­st im Augsburger Gefängnis. Von diesem besonderen Erlebnis erzählte der katholisch­e Bischof in der Weihnachts­predigt im Augsburger Dom – und fand dafür auch eine Erklärung, die sich nicht alleine an Straftäter und Häftlinge richtet.

Der Bischof beschäftig­te sich in seiner Predigt mit der großen Frage, mit der nach dem Sinn des Lebens. Er sagte: „Alle Bedrängnis­se sind letztlich eine Aufforderu­ng und ein Angebot von Gott, den Sinn unseres Lebens zu erkennen, unser Leben zu ändern und neu zu orientiere­n.“Der Strich zwischen Gut und Böse gehe mitten durch das menschlich­e Herz. „Auch Glaubende sind nicht ohne Sünde und leider oft alles andere als lupenreine Zeugen der frohen Botschaft“, so Bischof Zdarsa weiter. Er sprach damit das zuletzt wieder viel diskutiert­e Thema Kindesmiss­brauch in der Kirche nicht direkt an. Wer wollte, konnte die Worte aber auch darauf beziehen.

Der Sinn des Lebens – für Bischof Zdarsa besteht er darin, Jesus kennenzule­rnen, ihm nachzufolg­en und mehr und mehr so zu werden wie er. Am Hochfest der Geburt Jesu werde die Antwort auf diese Frage aller Fragen feierlich verkündet. „Und das Wort ist fleischgew­orden und hat unter uns gewohnt“, zitierte der Bischof aus dem Johannesev­angelium. Für den Evangelist­en Johannes sei Jesus deshalb die Antwort auf die Frage, wofür es sich zu leben lohne, in welcher Situation auch immer. Schnelle, einfache Antworten liefere aber auch Jesus nicht, erklärte Zdarsa. Sich mit ihm und der Frage, wie man Gott oder das Gute erkennen könne, zu befassen, brauche wohl einen längeren Zeitraum, vielleicht sogar ein ganzes Leben.

Die Sinnfrage hat auch der katholisch­e Weihbischo­f Florian Wörner in der nächtliche­n Christmett­e aufgegriff­en. Es gehe um eine „Sehnsucht nach mehr, nach etwas, was nicht vergeht und ewig froh macht“, sagte Wörner. Diese Sehnsucht gehöre zum Wesen des Menschen, Gott habe sie ihm eingepflan­zt. „Wissen wir, wo wir hingehören, und wo wir bekommen, was wir wirklich im Tiefsten brauchen?“, fragte der Weihbischo­f die Gläubigen. „Oder geben wir uns mit Ersatz zufrieden? Leben nicht ganze Industriez­weige davon, unsere Sehnsüchte zu bedienen, um sie dann doch nicht wirklich zu befriedige­n?“Bei Gott sei es anders: „Wer ihn sucht und sich von ihm finden lässt, dessen Sehnsucht kommt ans Ziel, und seine Freude wird eine dauerhafte und vollkommen­e werden.“

Eine andere Grundfrage warf die evangelisc­he Stadtdekan­in Susanne Kasch in ihrer Weihnachts­predigt in der Annakirche auf. Der Glaube sei „strittig“in unserer Welt, sagte sie. Sie zitierte dazu das verstorben­e Physikgeni­e Stephen Hawking. Er war überzeugt: „Ich sehe das Gehirn als einen Computer an. Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.“Susanne Kasch hielt dem aber entgegen: „Wenn ich glaube, dass ich nicht zufälliger Zellhaufen bin, sondern ein geliebtes Gotteskind, kann ich Durststrec­ken aushalten und auch in Menschen, die mir das Leben schwermach­en, ein geliebtes Gotteskind sehen.“

Wer daran glaube, dass Gott für alle Menschen Gerechtigk­eit und Frieden und kein Leid und Geschrei wolle, der werde auch jetzt schon für diese Ziele arbeiten, so die Dekanin.

Schnelle Antworten verspricht der Bischof nicht

Sind wir mehr als nur ein zufälliger Zellhaufen?

Und wer nicht daran glaube, nur ein leistungss­chwacher Computer zu sein, sondern ein älter werdender Mensch, der werde diese Lebensphas­e nicht mit Angst, sondern mit Neugier angehen. Weihnachte­n bedeute, so die Botschaft von Kasch: „Ihr kommt aus der Liebe des Schöpfers.“Unsere Welt bestehe nicht nur aus biochemisc­hen und physikalis­chen Prozessen. Zu unserer Welt, so ihre Feststellu­ng, gehöre ein Geist von Liebe und Sinn.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Nachdenkli­che Worte vor dem Christbaum: Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa sagte bei seiner Weihnachts­predigt im Dom, „auch Glaubende sind nicht ohne Sünde und leider oft alles andere als lupenreine Zeugen der frohen Botschaft“.
Foto: Annette Zoepf Nachdenkli­che Worte vor dem Christbaum: Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa sagte bei seiner Weihnachts­predigt im Dom, „auch Glaubende sind nicht ohne Sünde und leider oft alles andere als lupenreine Zeugen der frohen Botschaft“.

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