Augsburger Allgemeine (Land West)
In den Kirchen stellt sich die Sinnfrage
Weihnachtsgottesdienste Womit sich die Predigten in Augsburg beschäftigt haben. Bischof Konrad Zdarsa erzählt, wann ihm die Menschen besonders gut zugehört haben
Bischof Konrad Zdarsa hat schon in vielen Kirchen gepredigt, vor vielen Gläubigen. Doch hinter Gittern, in einem Gefängnis, scheint der Durst nach diesen Worten besonders groß zu sein. Nur selten hätten ihm Menschen so intensiv zugehört wie bei einem Weihnachtsgottesdienst im Augsburger Gefängnis. Von diesem besonderen Erlebnis erzählte der katholische Bischof in der Weihnachtspredigt im Augsburger Dom – und fand dafür auch eine Erklärung, die sich nicht alleine an Straftäter und Häftlinge richtet.
Der Bischof beschäftigte sich in seiner Predigt mit der großen Frage, mit der nach dem Sinn des Lebens. Er sagte: „Alle Bedrängnisse sind letztlich eine Aufforderung und ein Angebot von Gott, den Sinn unseres Lebens zu erkennen, unser Leben zu ändern und neu zu orientieren.“Der Strich zwischen Gut und Böse gehe mitten durch das menschliche Herz. „Auch Glaubende sind nicht ohne Sünde und leider oft alles andere als lupenreine Zeugen der frohen Botschaft“, so Bischof Zdarsa weiter. Er sprach damit das zuletzt wieder viel diskutierte Thema Kindesmissbrauch in der Kirche nicht direkt an. Wer wollte, konnte die Worte aber auch darauf beziehen.
Der Sinn des Lebens – für Bischof Zdarsa besteht er darin, Jesus kennenzulernen, ihm nachzufolgen und mehr und mehr so zu werden wie er. Am Hochfest der Geburt Jesu werde die Antwort auf diese Frage aller Fragen feierlich verkündet. „Und das Wort ist fleischgeworden und hat unter uns gewohnt“, zitierte der Bischof aus dem Johannesevangelium. Für den Evangelisten Johannes sei Jesus deshalb die Antwort auf die Frage, wofür es sich zu leben lohne, in welcher Situation auch immer. Schnelle, einfache Antworten liefere aber auch Jesus nicht, erklärte Zdarsa. Sich mit ihm und der Frage, wie man Gott oder das Gute erkennen könne, zu befassen, brauche wohl einen längeren Zeitraum, vielleicht sogar ein ganzes Leben.
Die Sinnfrage hat auch der katholische Weihbischof Florian Wörner in der nächtlichen Christmette aufgegriffen. Es gehe um eine „Sehnsucht nach mehr, nach etwas, was nicht vergeht und ewig froh macht“, sagte Wörner. Diese Sehnsucht gehöre zum Wesen des Menschen, Gott habe sie ihm eingepflanzt. „Wissen wir, wo wir hingehören, und wo wir bekommen, was wir wirklich im Tiefsten brauchen?“, fragte der Weihbischof die Gläubigen. „Oder geben wir uns mit Ersatz zufrieden? Leben nicht ganze Industriezweige davon, unsere Sehnsüchte zu bedienen, um sie dann doch nicht wirklich zu befriedigen?“Bei Gott sei es anders: „Wer ihn sucht und sich von ihm finden lässt, dessen Sehnsucht kommt ans Ziel, und seine Freude wird eine dauerhafte und vollkommene werden.“
Eine andere Grundfrage warf die evangelische Stadtdekanin Susanne Kasch in ihrer Weihnachtspredigt in der Annakirche auf. Der Glaube sei „strittig“in unserer Welt, sagte sie. Sie zitierte dazu das verstorbene Physikgenie Stephen Hawking. Er war überzeugt: „Ich sehe das Gehirn als einen Computer an. Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.“Susanne Kasch hielt dem aber entgegen: „Wenn ich glaube, dass ich nicht zufälliger Zellhaufen bin, sondern ein geliebtes Gotteskind, kann ich Durststrecken aushalten und auch in Menschen, die mir das Leben schwermachen, ein geliebtes Gotteskind sehen.“
Wer daran glaube, dass Gott für alle Menschen Gerechtigkeit und Frieden und kein Leid und Geschrei wolle, der werde auch jetzt schon für diese Ziele arbeiten, so die Dekanin.
Schnelle Antworten verspricht der Bischof nicht
Sind wir mehr als nur ein zufälliger Zellhaufen?
Und wer nicht daran glaube, nur ein leistungsschwacher Computer zu sein, sondern ein älter werdender Mensch, der werde diese Lebensphase nicht mit Angst, sondern mit Neugier angehen. Weihnachten bedeute, so die Botschaft von Kasch: „Ihr kommt aus der Liebe des Schöpfers.“Unsere Welt bestehe nicht nur aus biochemischen und physikalischen Prozessen. Zu unserer Welt, so ihre Feststellung, gehöre ein Geist von Liebe und Sinn.