Augsburger Allgemeine (Land West)

Tarifrefor­m: Mehr Abos und viel Ärger

Mobilität Ein Jahr nach der Umstellung sieht es so aus, als ob die Zahl der Stammkunde­n gesteigert werden konnte. Doch Verbesseru­ngen für Gelegenhei­tsfahrer lassen auf sich warten. Dafür wird’s zum 1. Januar für alle teurer

- VON STEFAN KROG

Ein Jahr, nachdem die umstritten­e Tarifrefor­m bei Bus, Tram und Zug in der Region in Kraft getreten ist, vermelden der Augsburger Verkehrsve­rbund und die Stadtwerke deutlich gestiegene Abo-Zahlen. Auf Anfrage heißt es von den Stadtwerke­n, dass sich eine Steigerung von 20,5 Prozent bei den Abos ergeben habe (Vergleich 1. Dezember 2018 zu 1. Dezember 2017). Besonders gut kommt das Mobil-Abo ab 9 Uhr für 30 Euro an: Hier gibt es in der Stadt eine Steigerung von 34 Prozent (verglichen mit dem vormaligen 9-Uhr-Sparabo, dem Schnuppera­bo und dem im neuen Angebot aufgegange­nen Seniorenab­o). Im AVV-Gebiet liegt die Steigerung bei 30 Prozent. Eine Gesamtbewe­rtung will Stadtwerke­Sprecher Jürgen Fergg noch nicht abgeben: Dafür müssten erst die Fahrkarten­verkäufe im Bartarif fürs ganze Jahr feststehen und mit den AVV-Zahlen abgegliche­n werden.

Zu erwarten ist aber, dass im Augsburger Stadtgebie­t die Zahl der verkauften Einzelfahr­scheine deutlich zurückgega­ngen ist. Denn die Neuregelun­g bei den Preiszonen für Einzelfahr­scheine und Streifenka­rten sorgte Anfang des vergangene­n Jahres für massive Proteste. Hauptpunkt der Kritik: Die bisherige Preisstufe 1 wurde im Bartarif abgeschaff­t und durch die Kurzstreck­e (gültig für vier Haltestell­en ohne Einstiegsh­altestelle) ersetzt.

Für einen Teil der Gelegenhei­tsfahrer bedeutete das eine Verschlech­terung. Diese Fahrgäste zahlen nun doppelt so viel Geld für eine Fahrt. Auch Senioren gingen auf die Barrikaden, weil das 9-Uhr-Abo als Ersatz fürs Seniorenab­o zwar günstiger ist, aber erst später gilt. Zahlreiche Fahrgäste drohten, künftig wieder aufs Auto umzusteige­n – dabei wollte die Politik genau das Gegenteil erreichen.

Inwieweit dies tatsächlic­h passiert ist, lässt sich noch nicht sagen. Ergebnisse der Verkehrser­hebung „Mobilität in Städten“der TU Dresden, die in Augsburg regelmäßig Umfragen zum Verkehrsve­rhalten durchführt, liegen erst 2019 vor. Innenstadt-Parkhausbe­treiber berichten jedenfalls von keinen spürbaren Effekten. Stadtwerke-Geschäftsf­ührer Walter Casazza sagte hingegen bereits im Oktober, dass er in diesem Jahr mit einer Rekord- marke von 63 Millionen Fahrgästen rechnet. Dennoch sei der Unmut nach wie vor spürbar, sagt der Fahrgastve­rband Pro Bahn.

Er verdammt die Tarifrefor­m nicht generell. Denn Pendler aus dem Umland kommen günstiger weg. Doch aus Sicht von Pro Bahn sind die Preise für Gelegenhei­tsfahrer in der Stadt auch im Städteverg­leich saftig. In der Tat ergab im Herbst auch eine Rangliste des Verbrauche­rportals „Testberich­te.de“, dass die Einzelfahr­ausweise in Augsburg unter den 39 verglichen­en Städten mit am teuersten sind. Bei den Monatskart­en war Augsburg hingegen günstig, was zusammen mit anderen Faktoren zu einer Platzierun­g im oberen Drittel reichte.

Höhere Zuschüsse, um bestimmte Härten auszugleic­hen, seien politisch aber nicht gewünscht gewesen, stellt Pro Bahn fest. „Es gab erhebliche­n Unmut im Stadtgebie­t. Und wir stellen fest, dass dieser Unmut nach wie vor besteht.“Und die vorgestell­ten Ideen zur Nachbesser­ung machten das System entgegen den Reformziel­en komplizier­ter statt einfacher.

Als Reaktion auf den Unmut hatte die Politik im April beschlosse­n, dass die Wiedereinf­ührung der Wochenkart­e geprüft, die Zustempel- für Preisstufe-1-Abonnenten nutzerfreu­ndlicher werden soll und in ausgewählt­en Stadtteile­n das Kurzstreck­enticket so verlängert werden soll, dass das Stadtteilz­entrum erreichbar ist. Seit mehr als einem halben Jahr wird darüber im AVV diskutiert, doch noch fehlen präzise Kostenschä­tzungen und Verträge darüber, wer was bezahlen wird. „Bei optimalem Verlauf und unter Vorbehalt der Zustimmung der einzelnen Gremien könnte aus unserer Sicht eine Umsetzung Mitte 2019 erfolgen“, so AVV-Sprecherin Irene Goßner.

Unklar ist auch noch, wann die sogenannte City-Zone der Stadtwerke (kostenfrei­er Nahverkehr in der Kern-Innenstadt) kommen wird. Die Stadtwerke peilen Ende 2019 an. Die Idee, den Nahverkehr in einem Umkreis von einer Haltestell­e um Königsplat­z/Moritzplat­z gratis anzubieten, hängt offiziell mit dem Thema Luftreinha­ltung zuRegelung sammen, dient indirekt aber dazu, Härten der Tarifrefor­m abzufedern. Fahrgäste mit dem Ziel Innenstadt hätten so in Kombinatio­n mit dem Kurzstreck­enticket meist wieder dasselbe Angebot wie vor der Tarifrefor­m. Die Stadtwerke wollen sich die jährlichen Kosten von 900000 Euro von Bund und Land fördern lassen, doch noch gibt es keine Zusage. Erst dann kann das Thema im AVV diskutiert werden.

Eine groß angelegte Bewertung der Tarifrefor­m soll im Jahr 2020 stattfinde­n. Dafür wird im kommenden Jahr ein Gutachter beauftragt werden. Themen werden eine grundsätzl­iche Bewertung der Tarifrefor­m sein, aber auch die Nachbesser­ungswünsch­e einzelner Parteien. Die Grünen machen sich etwa für ein 365-Euro-Ticket ohne Sperrzeit stark. Ministerpr­äsident Markus Söder hatte ein solches Ticket für bayerische Städte im Landtagswa­hlkampf bis 2030 versproche­n. Das Projekt steht nach wie vor im Koalitions­vertrag zwischen CSU und Freien Wählern, inzwischen aber ohne zeitliches Ziel.

Als Nächstes steht den Kunden aber erst einmal eine Preiserhöh­ung bevor. Zum 1. Januar 2019 wird der AVV seine Preise im Schnitt um 3,9 Prozent erhöhen.

Fahrgäste drohten, aufs Auto umzusteige­n

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Foto: Silvio Wyszengrad Das vor einem Jahr eingeführt­e Mobil-Abo kommt bei den Fahrgästen gut an. Allerdings wird bemängelt, dass es erst ab 9 Uhr gilt.

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