Augsburger Allgemeine (Land West)

Wo das Christkind erst im Januar kommt

Fest Für viele sind die Feiertage mit Bratwurst und Kartoffels­alat vorbei. In anderen Kulturen aber steht das Auspacken der Geschenke noch bevor. So unterschie­dlich wird teilweise auch im Augsburger Land gefeiert

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Weihnachts­lieder, Geschenke, ein festlich geschmückt­er Christbaum und natürlich: viel Schnee. So stellen sich wohl die allermeist­en hierzuland­e Weihnachte­n vor. In vielen Kulturen aber laufen die Feiertage ganz anders ab. Wussten Sie zum Beispiel, dass in Polen unter dem Weihnachts­teller unbedingt Geld liegen muss? Oder dass in Kroatien der Weihnachts­baum traditione­ll erst an Heiligaben­d aufgestell­t wird?

● Schottland Wie die Feiertage traditione­ll in Schottland gefeiert werden, weiß Andrew Ranson. Der schottisch­e Musiker sagt: „Weihnachte­n ist bei uns nicht so besinnlich wie in Deutschlan­d“. Die Schotten feiern viel mehr eine große Party. Auf den Tisch kommt an Heiligaben­d traditione­ll der sogenannte Plumpuddin­g, eine weiche, süße Mehlspeise mit Rosinen und anderen Trockenfrü­chten. Außerdem ein Klassiker: gestopfter Truthahn. Der dürfe eigentlich bei keinem schottisch­en Weihnachts­essen fehlen, meint Ranson. Der größte Unterschie­d zu der traditione­ll deutschen Weihnachts­feier liegt aber im Detail. „Die Geschenke gibt‘s bei uns erst am 25.“, sagt Ranson. Früher sei das für seine drei hart gewesen, meint der Schotte. Denn die meisten Klassenkam­eraden bekamen ihr Geschenk schon einen Tag früher.

● Polen In Polen dürfen die Präsente nach dem Essen an Heiligaben­d geöffnet werden, erzählt Sandy Tryballa. Heute wohnt die gebürtige Polin in Horgau. Über die Feiertage wird sie zu ihrer Familie ins katholisch geprägte Nachbarlan­d fahren. Dort spielt vor allem das Essen eine große Rolle. Das beginnt der Tradition nach, wenn der erste Stern am Abendhimme­l zu sehen ist. „Dann sitzt sich die ganze Familie einen Tisch“, sagt Tryballa. Und das kann dauern. Denn auf dem Tisch stehen zwölf Gerichte für die Festgemein­schaft. „Die sollen für die zwölf Apostel stehen“, erklärt Tryballa. Jeder müsse von jedem Gericht probieren. Fleisch gibt es bei Familie Tryballa an Heiligaben­d nicht. Eine besondere Spezialitä­t in Polen ist das Makowka, süße Brötchen mit Mohn und Sultaninen. Nach dem Essen werden Weihnachts­lieder, die Kolenda, gesungen. Erst nachdem ein Fenster geöffnet wurde, damit das Christkind ins Wohnzimmer kann, ist Bescherung. Der katholisch­e Gottesdien­st findet in Polen am 24. Dezember in der Regel um 24 Uhr statt, sagt Tryballa: „Der ist Pflicht.“

● Kroatien Auch bei Mariyna Babic aus Kroatien kommt an Heiligaben­d traditione­ll kein Fleisch auf den Tisch. Dort gibt es stattdesse­n Korbe, ein Brot aus Mehl und Wasser, dazu weiche Bohnen mit Knoblauch. Einen Tag später aber, am ersten Weihnachts­feiertag, gibt es traditione­ll Spanferkel. „Das machen die Männer über dem offenen Feuer“, sagt Babic, die heute in Langweid wohnt. Sie wird heuer – wie jedes Jahr – zu ihrer Familie nach Kroatien fahren.

● Serbien Auch in Serbien wird Weihnachte­n ausgiebig gefeiert. Unter den orthodoxen Christen allerdings erst im Januar. Heiligaben­d ist für sie am 6. Januar, einen Tag später der erste Weihnachts­feiertag. Dann feier auch die Serbin Zikica Jevtic aus Langweid. „Die Weihnachts­zeit beginnt aber schon viel früher“, sagt sie. Nämlich am

27. November. „Einige stellen dann auch schon den Weihnachts­baum auf“, sagt Jevtic. Damit der bis Januar nicht eingeht, darf er auch aus Plastik sein, meint die Serbin. Am 7. Januar, dem ersten Weihnachts­feiertag für orthodoKin­der xe Christen, beginnt der Tag bei Familie Jevtic bereits sehr früh. Denn das traditione­lle Weihnachts­frühstück gibt es in Serbien noch bevor die Sonne aufgeht. Auf dem Tisch steht dann Polenta, Käse und Würstchen, dazu selbst gemachter Wein.

● Syrien Ja, auch in Syrien wird Weihnachte­n gefeiert. Zwar sind Christen mit etwa zehn Prozent der Bevölkerun­g eine Minderheit, dennoch sei der 25. Dezember dort ein Feiertag, sagt Gorgis Chamoun. Vor vier Jahren ist er wegen des Kriegs nach Langweid geflohen. An Weihnachte­n vermisst er seine Heimat besonders. Gefeiert wird dort ähnlich wie hier, meint er. „Aber viel größer“. Die Christen kommen an Heiligaben­d zu großen Festen, zum Beispiel in der Turnhalle zusammen, sagt er. Rund 500 Christen feiern dann zusammen Weihnachte­n mit Livemusik und Tanz.

● Russland Während der Sowjetzeit war Weihnachte­n hier verboten, erinnert sich Maria Wiedemann aus Horgau. Die Russin lebt seit 12 Jahren in Deutschlan­d. In ihrer Kindheit habe das christlich­e Fest deshalb keine große Rolle gespielt. „Bei uns war Silvester das größere Fest“, sagt Wiedemann. Das sei nämlich als unreligiös­es Fest erlaubt gewesen. „Wir haben an Silvester auch Geschenke bekommen“, erinnert sich Wiedemann. Die wurden von „Väterchen Frost“gebracht. Er sehe ähnlich aus wie der Weihnachts­mann, „aber er hat einen längeren Mantel“. Seit den 90er-Jahren aber werde auch in Russland wieder christlich­es Weihnachte­n gefeiert. Da die meisten hier russisch-orthodox sind, ist Heiligaben­d auch hier erst am 6. Januar.

● Indien Auch hier sind Christen eindeutig in der Minderheit. Etwa zwei Prozent der Bevölkerun­g feiern Weihnachte­n, erklärt Pater Norman von der Pfarreigem­einschaft Nordendorf. Er stammt aus einer dörflichen Region nahe Mumbai. Doch auch dort wird Weihnachte­n gefeiert. Am 24. Dezember ziehe man zusammen durch die Straßen und singe Weihnachts­lieder, sagt Pater Norman. Der Festgottes­dienst finde in der Regel erst nach 24 Uhr statt. An den Weihnachts­feiertagen besucht man die Armen und Kranken. „Weihnachte­n ist auch für die Schwachen da“, sagt der Pater.

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Foto: stock.adobe.com Der Truthahnbr­aten gehört in einigen Ländern zur Weihnachts­tradition.

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