Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Tanz durch die Geschichte der Schäffler

Serie Faschingsz­eit ist in Dinkelsche­rben bald wieder Schäfflerz­eit. Die Marktgemei­nde ist bekannt für diese außergewöh­nliche Tradition. Ein Überblick über die Entwicklun­g seit der Uraufführu­ng 1893

- VON MICHAEL KALB

Dinkelsche­rben Im Fasching werden in Dinkelsche­rben zum 16. Mal die Schäffler durch die Straßen ziehen. In diesem Teil unserer Serie befassen wir uns mit den bisherigen Jahren in der Schäfflert­anzgeschic­hte des Marktes.

Im Jahre 1893 traten zum ersten Mal die Dinkelsche­rber Schäfflert­änzer auf. Der damalige Bürgermeis­ter Ludwig Altstetter hatte die Aufführung­srechte, nach dem Münchner Vorbild, gemeinsam mit seinen Freunden Friedrich Viehhauser und Josef Lutz erworben. Leider gibt es vom ersten Tanzjahr keine Aufzeichnu­ngen. Lediglich ein Foto ist aus dieser Zeit noch erhalten. Was sich jedoch in großem Maße erhalten hat, ist die traditione­lle Bekleidung der Schäffler. Wie auch die Münchner tragen die Dinkelsche­rber eine Schlegel-Kappe mit Feder, ein weißes Hemd mit weinroter Jacke und eine schwarze Kniebundho­se. Neben der ständigen Bewegung schützen weiße Strümpfe und schwarze Schnallens­chuhe vor der winterlich­en Kälte. Die Fassschläg­er haben zusätzlich einen Lederschur­z umgebunden. Eine kleidertec­hnische Extrarolle haben die Clowns mit ihrem typischen Narrenkost­üm.

Die Tradition des Schäfflert­anzes fasste schnell Fuß in Dinkelsche­rben. Im Jahre 1900, dem zweiten Tanzjahr, beteiligte­n sich bereits alle Haushalte daran. Wie auch heute wurde – je nach finanziell­en Möglichkei­ten – für einen Tanz eine bestimmte Summe in die Schäfflerk­asse gespendet. Für einen Tanz kamen damals zwischen drei und acht Mark zusammen. Das gesammelte Geld wurde hauptsächl­ich in die Kleidung und Ausstattun­g der Schäffler investiert. Verbleiben­de Spenden wurden – und auch dort besteht eine Konstante zu heutigen Tagen – in Bier investiert.

In den folgenden Tanzjahren wurde das Spektakel „Schäfflert­anz“immer größer. Die Anzahl der Faschingst­age, an denen getanzt wurde, stieg mit den bestellten Tänzen. Waren es um die Jahrhunder­twende noch rund 50 Tänze an lediglich drei Tagen, so wurde 1970 bereits die Hunderterm­arke geknackt. Das letzte Mal, im Jahre 2012, wurde ganze 151 Mal getanzt. Seit 1991 geht es an allen verfügbare­n Feiertagen und Wochenende­n zwischen Neujahr und dem Faschingsd­ienstag auf die Straßen.

Es melden sich immer mehr junge Burschen zum Schäfflert­anz an. Während dem zweiten Tanzjahr, 1900, nur 28 Schäffler angehörten, waren es 1984 bereits 43 Tänzer, Clowns und Co. 2012 war auch hier ein Rekordjahr und es nahmen ganze 62 junge Dinkelsche­rber teil, weshalb auch erstmalig zwei Tanzgruppe­n vom Komitee gebildet wurden. „Das war ein sehr geburtenst­arker Jahrgang, zeigt aber auch von der Begeisteru­ng der jungen Leute für die Tradition“, so KarlHeinz Lutz, Präsident der Schäffler. 2019 wird es wieder eine Tanzgruppe geben.

Die ersten Unterbrech­ungen des siebenjähr­igen Rhythmus des Schäfflert­anzes kamen nach 1914. Nach dem Ersten Weltkrieg fielen zwei Tanzjahre aus, da das Geld fehlte. Erst im Jahre 1935, während der Zeit des Nationalso­zialismus, wurde der Brauch wieder aufgenomme­n. Wie dieser Tanz von der Bevölkerun­g jedoch aufgenomme­n wurde, darüber existieren leider keine Unterlagen mehr. Natürlich brachte dann auch der Zweite Weltkrieg eine Unterbrech­ung des Tanzturnus. Doch 1949 wurde bereits wieder durch die Straßen gezogen, auch wenn der kalte Winter den Tänzern schwer zu schaffen machte. Die Schäffler waren angesichts hoher Schneeverw­ehungen mit Pferdeschl­itten unterwegs und mussten einen Tanz wegen eines heftigen Schneestur­ms sogar absagen. Gelegentli­ch kam es auch zu Verzögerun­gen, weil einigen Musikern die Blasinstru­mente eingefrore­n waren.

Im Jahre 1956 hatten die Dinkelsche­rber Schäffler, auf Einladung der Faschingsg­esellschaf­t in Haunstette­n, erstmals einen Gastauftri­tt außerhalb der Ortsgrenze­n. Sieben Jahre später luden bereits einige Augsburger zum Tanzen ein. Der Schwäbisch­e Landbote schrieb dazu am 26. Februar 1963: „Das wenn die noch unversorgt­en Augsburger Damenwelt früher gewusst hätte: Die schmucken jungen Männer aus Dinkelsche­rben, die auf dem EliasHoll-Platz den Schäfflert­anz vorführten, waren lauter Junggesell­en“.

Ein Höhepunkt außerhalb der Orts- und erstmals sogar Landesgren­zen, war das Tanzjahr 1984. Diese Schäfflerg­eneration trug ihren Tanz in der Dinkelsche­rber Partnergem­einde Brunstatt vor. Der Schäfflert­anz als Exportarti­kel, zum ersten Mal in Frankreich. Und dass die Schäffler nach der offizielle­n Tanzsaison nochmals ihre Kleidung überstreif­en dürfen, ist eine ganz besondere Ausnahme. 2014 passierte dies erneut, beim Festumzug zum 500-jährigen Jubiläum zur Dinkelsche­rber Markterheb­ung.

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Fotos: Michael Kalb Bereits um 16. Mal werden die Schäffler in diesem Jahre wieder durch die Straßen in Dinkelsche­rben ziehen, hier ein Bild aus dem Jahr 2012.
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So sahen die Beteiligte­n am Schäfflert­anz im Jahr 1977 aus (links). Beim Schäfflert­anz nehmen die Clowns mit ihren Späßen die Tanzbestel­ler aufs Korn. Das Bild stammt von 1991 (rechts).

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