Augsburger Allgemeine (Land West)

Der lange Arm in die Moschee

Deutschlan­d diskutiert über Steuer für Muslime. Die Umsetzung ist kaum möglich

- VON MARGIT HUFNAGEL UND MIRJAM MOLL

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“– diese alte Weisheit gilt im Grundsatz auch für viele Imame, die in deutschen Moscheen predigen. Die Frage, wer diese Prediger ausbildet und bezahlt, gehört deshalb zu den umstritten­sten im Verhältnis zwischen Politik und den Muslimen in Deutschlan­d. Gemeinden, die finanziell­e Unterstütz­ung aus den arabischen Golfmonarc­hien oder aus der Türkei erhalten, sehen sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, sie vermittelt­en politisch fragwürdig­e Werte und beförderte­n die Entstehung von Parallelge­sellschaft­en. Auch deshalb sorgt ein Vorstoß des neuen stellvertr­etenden Fraktionsc­hefs der Union im Bundestag für Debatten: Thorsten Frei forderte, dass Moscheen im Land eine Steuer erheben sollten, um sich von ausländisc­hen Geldern und damit ausländisc­her Einflussna­hme zu lösen. In Österreich sind Zuwendunge­n aus dem Ausland seit 2015 verboten. Laut Auskunft der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) finanziere­n sich die Gemeinden aus Mitgliedsb­eiträgen, aus denen auch die Imame bezahlt werden.

„Es muss gelingen, dass der Islam eine stärkere Inlandsori­entierung gewinnt und sich frei macht von ausländisc­hen Einflüssen, die häufig Ursache von Integratio­nsprobleme­n sind oder diese verstärken“, sagt Thorsten Frei unserer Redaktion. „Daran können wir kein Interesse haben.“Der Vorsitzend­es des Islamrates, Burhan Kesici, 46, spricht sich hingegen gegen eine „MoscheeSte­uer“aus: „Es ist kein Wunsch, der von den Muslimen selbst ausgesproc­hen worden ist“, sagt Kesici dem RBB. „Wir hören das immer wieder von Politikern, die versuchen, damit den Muslimen irgendwie vorzuschre­iben, wie sie sich zu organisier­en haben. Das finden wir nicht in Ordnung.“

Von den mehr als 80 Millionen Menschen in Deutschlan­d sind zwischen vier und fünf Millionen Muslime. Exakte Zahlen gibt es nicht, genauso wenig wie die genaue Zahl der Moscheen. Schätzunge­n gehen von 2600 bis 2700 muslimisch­en Gebetsräum­lichkeiten aus, viele davon sind sogenannte „Hinterhof-Moscheen“, das heißt einfache Räumlichke­iten ohne Minarett. Feste institutio­nelle Strukturen, wie man sie von den christlich­en Kirchen kennt, gibt es bei den Muslimen in Deutschlan­d nicht. Die Gläubigen sind in unterschie­dlichen Vereinen organisier­t – je nach politische­r Ausrichtun­g, ethnischer Zugehörigk­eit oder konfession­ellem Selbstvers­tändnis. Keine der islamische­n Organisati­onen kann für sich beanspruch­en, „die“Muslime in Deutschlan­d zu repräsenti­eren. Und genau dort liegt auch der Haken für eine Moschee-Steuer: Solange der Staat nicht weiß, wer genau hinter der Religionsg­emeinschaf­t steht, erfüllt sie nicht die Voraussetz­ung für eine Anerkennun­g als Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts. Diese aber ist Voraussetz­ung für die Berechtigu­ng, eine eigene Steuer zu erheben. Islamische Gemeinscha­ften sind also auf Spenden angewiesen. Und die kommen oft aus dem Ausland.

So etwa bei Ditib, der größten Islam-Dachorgani­sation in Deutschlan­d. Sie untersteht der Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara, die alle Imame in die rund 900 Moscheegem­einden entsendet und bezahlt. „Insofern kann Religion auch als Einfallsto­r für politische Inhalte genutzt werden“, sagt Thorsten Frei. Wegen ihrer großen Nähe zum türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan ist der Bundesverb­and mit Sitz in Köln in die Kritik geraten. Die Ditib setze Erdogans Politik in Deutschlan­d um, lautet der Vorwurf. Der Verband selbst bezeichnet sich als rein religiös.

In Deutschlan­d erheben die evangelisc­he und katholisch­e Kirche sowie die jüdischen Gemeinden eine Steuer von ihren Mitglieder­n. Die Kirchenste­uer wird auf Einkommen und Kapitalert­räge erhoben und automatisc­h vom Finanzamt abgeführt. Der Staat erhält für diese Dienstleis­tung zwischen zwei und vier Prozent des Aufkommens. Es gibt aber auch Religionsg­emeinschaf­ten, die keine Steuern erheben. So sind beispielsw­eise die rund 800 Gemeinden der Vereinigun­g Evangelisc­her Freikirche­n Körperscha­ften des öffentlich­en Rechts, ziehen aber keine Steuern ein.

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