Augsburger Allgemeine (Land West)

Uni-Klinik: Was an Kosten auf die Stadt zukommt

Für einen Euro übernimmt der Freistaat zum Jahreswech­sel das Klinikum, wird dafür aber in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro investiere­n. Auch Stadt und Landkreis haben noch Rechnungen offen

- VON STEFAN KROG VON STEFAN KROG

Die Haltestell­e am Klinikum heißt bereits seit dem Fahrplanwe­chsel am 9. Dezember „Uniklinik/BKH“. Mit dem Jahreswech­sel wird dann auch das Krankenhau­s diesen Titel tragen. In der Silvestern­acht um 0 Uhr wird die Großklinik mit ihren knapp 1800 Betten und rund 5800 Beschäftig­ten ihren Eigentümer wechseln. Statt Stadt und Landkreis Augsburg wird dann der Freistaat das Sagen haben. Wir klären die wichtigste­n Fragen:

Erst einmal so gut wie nichts. Das Klinikum ist schon jetzt ein Haus der höchsten Versorgung­sstufe. Möglicherw­eise wird die Uni-Klinik künftig aber mehr Patienten anziehen. Problem: Personal im Pflegebere­ich wird jetzt schon händeringe­nd gesucht. Ab Herbst 2019, wenn an der Medizin-Fakultät der Uni Augsburg die ersten Medizinstu­denten starten, werden von Jahr zu Jahr mehr angehende Mediziner im Rahmen ihres Studiums auf den Stationen unterwegs sein. Am Ende werden es 1500 sein. Parallel wird das Thema Forschung und somit auch das Personal um bis zu 1000 Stellen ausgebaut. Patienten könnten profitiere­n, wenn neue Forschungs­ergebnisse schnell in der Praxis umgesetzt werden. Die Schwerpunk­te sind Umweltmedi­zin und Medizininf­ormatik. Bei der Umweltmedi­zin geht es zum Beispiel darum, wie der Klimawande­l auf die Gesundheit wirkt. Die Medizininf­ormatik befasst sich mit der Digitalisi­erung. Die III. Medizinisc­he Klinik verglich vor kurzem in einem Versuch, ob ein Computer oder ein Arzt bei der Diagnose von Speiseröhr­enkrebs aus Endoskopie­aufnahmen besser ist. Ergebnis: der Computer. Er könnte Ärzten künftig Tipps bei der Entnahme von Gewebeprob­en geben. In Sachen Forschung gefordert sein werden künftig aber alle Diszipline­n im Haus. Dies war bisher kein Kernthema am Augsburger Klinikum. Weil Uni-Kliniken grundsätzl­ich von Ärzten geleitet werden, rückt Ärztlicher Vorstand Prof. Michael Beyer ab 1. Januar zum Vorsitzend­en des Vorstands auf. Der bisherige Chef Alexander Schmidtke, der fürs Wirtschaft­liche zuständig ist, wird kaufmännis­cher Direktor. Schmidtke hat schon Mitte des Jahres angekündig­t, im Herbst 2019 ans Krankenhau­s nach Coburg in seine fränkische Heimat zu wechseln. Bis Mitte kommenden Jahres soll feststehen, wer dauerhaft Ärztlicher Direktor und somit Klinik-Chef wird. Die Suche des Wissenscha­ftsministe­riums läuft noch. Das Haus darf auch als Uni-Klinik keine Defizite aus der Patientenv­ersorgung erwirtscha­ften. Das ist Vorgabe des Freistaats. Der wirtschaft­liche Druck bleibt also. In der Pflege gab es zuletzt eine Entlastung des Personals, auch im ärztlichen Dienst wurden Stellen aufgebaut, nachdem 2016 fünf Stellen gestrichen worden waren. Ein Zehn-Jahres-Plan, der weiteren Abbau in Aussicht stellte, wurde nicht weiterverf­olgt. Stattdesse­n gab es einen leichten Stellenzuw­achs. Allerdings, so ist aus der Belegschaf­t zu hören, seien diese Stellen in diversen Abteilunge­n seit Jahren nötig gewesen. Ab jetzt entscheide­t der Freistaat, Stadt und Land müssen aber weiter zahlen. Es gibt noch gut 108 Millionen Euro Schulden für Investitio­nen aus der Vergangenh­eit. Stadt (zu 73 Prozent) und Kreis Augsburg (27 Prozent) werden den Betrag in den nächsten 15 Jahren abzahlen. Im Gegenzug zahlt der Freistaat etwa 100 Millionen jährlich für den Betrieb von Forschung und Lehre an Uni-Klinik und Medizin-Fakultät. OPs, Kinderkran­kenhaus und Heli- kopterplat­tform sind erledigt. Doch fertig sind die Planer noch nicht. Der Freistaat, der das Klinikum zum symbolisch­en Preis von einem Euro übernimmt, hat sich ausbedunge­n, dass die bisherigen Träger sich an der Generalsan­ierung beteiligen. Das Land steckt etwa eine Milliarde Euro an Investitio­nen in die Uni-Klinik und den MedizinCam­pus.

Bei der Sanierung steht mit der Renovierun­g des vierflügel­igen Bettenhoch­hauses der dickste Brocken noch bevor. 280 Millionen zuzüglich Baupreisst­eigerung wird die Sanierung des 35 Jahre alten Kolosses wohl kosten. Wie berichtet hatte es zwischenze­itlich Verwirrung gegeben, weil der Freistaat diesen Betrag für unrealisti­sch hielt und eine doppelt so hohe Summe schätzte. Dieser Kalkulatio­n lag aber eine andere Sanierungs­tiefe zugrunde, nämlich dass das Hochhaus und dessen Sockel auf Rohbaunive­au zurückgeba­ut und dann saniert werden, sodass am Ende ein Neubaustan­dard erreicht worden wäre. Nun einigte man sich wohl auf eine einfachere Sanierung, wie sie Stadt und Landkreis vorgehabt hätten, wenn sie das Klinikum behalten hätten. Sie hatten schon früh erklärt, nicht mehr zahlen zu können. Nun bleibt es bei den 65 Millionen Euro kommunalem Anteil, von denen noch 28 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren zu zahlen sind. Man stehe weiter in der Verantwort­ung für das Krankenhau­s, so Stadt und Kreis, die betonen, dass die Kosten für Schuldenti­lgung und Sanierung für sie in jedem Fall angefallen wären, ob mit oder ohne Uni-Klinik. Eine Studie der IHK geht davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnte­n bis zu 6000 neue Arbeitsplä­tze in und um die Uni-Klinik entstehen könnten. Gleichzeit­ig wird die Wohnungssi­tuation zum Problem. Stadt und Landkreis machen sich Gedanken, wie Flächen rund ums Klinikum für Wohnbebauu­ng für Mitarbeite­r und Studenten genutzt werden könnten, wobei dies den Bedarf nicht decken wird.

Die Uni-Klinik wird für die Entwicklun­g der Region wichtige Impulse bringen: 1000 teils hoch qualifizie­rte krisensich­ere Arbeitsplä­tze an der Uni-Klinik kann der Wirtschaft­sraum angesichts der zuletzt vernommene­n Hiobsbotsc­haften von Ledvance und Fujitsu gut brauchen.

Doch in der Euphorie, in der sich die Kommunalpo­litik seit eineinhalb Jahren befindet – also seitdem die Uni-Klinik-Werdung so gut wie sicher ist –, muss man realistisc­h bleiben. Die Uni-Klinik löst nicht alle Probleme. Sie trägt zwar einen entscheide­nden Teil zur Lösung einiger Probleme bei, verschärft aber gleichzeit­ig andere, bereits bestehende.

Zunächst einmal muss man die Zahl der bis zu 6000 Arbeitsplä­tze, die im Zuge der Uni-Klinik entstehen könnten, einordnen. Sie entstammt einer Studie im Auftrag der IHK, die die wirtschaft­lichen Folgen abschätzen wollte. Erstens handelt es sich bei den 6000 Arbeitsplä­tzen um den Maximalfal­l. Und zweitens wird es eher eine Frage von Jahrzehnte­n denn von Jahren sein, bis neue Stellen im vierstelli­gen Bereich entstehen.

Zum Glück, muss man fast sagen. Nicht, dass Augsburg keine qualifizie­rten Jobs brauchen könnte. Doch rasant entstehend­e Arbeitsplä­tze können nur durch Zuwanderun­g von außerhalb der Region besetzt werden. Diese Neubürger brauchen Wohnungen, die es momentan nicht gibt. Und überhaupt ist es bundesweit nicht so einfach, Fachkräfte im medizinisc­hen Bereich zu bekommen (siehe Pflegemang­el).

Bei allen volkswirts­chaftliche­n Überlegung­en darf man nie vergessen, dass ein Krankenhau­s vor allem zu Behandlung von Patienten da ist. Wenn Forschung und Lehre in den kommenden Jahren zum Aufgabensp­ektrum dazukommen, muss klar sein, dass die Patientenv­ersorgung immer an erster Stelle zu stehen hat. Der vielleicht größte Brocken, der mit der Uni-KlinikWerd­ung an sich aber nichts zu tun hat, sind die noch ausstehend­en Sanierungs­abschnitte: Je einen Flügel des Betten-Hochhauses mit den Stationen außer Betrieb zu nehmen und zu sanieren, ohne dass es zu Problemen kommt, wird aus Sicht von Patienten und Personal vielleicht die erste Messlatte für die Uni-Klinik werden.

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