Augsburger Allgemeine (Land West)
Uni-Klinik: Was an Kosten auf die Stadt zukommt
Für einen Euro übernimmt der Freistaat zum Jahreswechsel das Klinikum, wird dafür aber in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro investieren. Auch Stadt und Landkreis haben noch Rechnungen offen
Die Haltestelle am Klinikum heißt bereits seit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember „Uniklinik/BKH“. Mit dem Jahreswechsel wird dann auch das Krankenhaus diesen Titel tragen. In der Silvesternacht um 0 Uhr wird die Großklinik mit ihren knapp 1800 Betten und rund 5800 Beschäftigten ihren Eigentümer wechseln. Statt Stadt und Landkreis Augsburg wird dann der Freistaat das Sagen haben. Wir klären die wichtigsten Fragen:
Erst einmal so gut wie nichts. Das Klinikum ist schon jetzt ein Haus der höchsten Versorgungsstufe. Möglicherweise wird die Uni-Klinik künftig aber mehr Patienten anziehen. Problem: Personal im Pflegebereich wird jetzt schon händeringend gesucht. Ab Herbst 2019, wenn an der Medizin-Fakultät der Uni Augsburg die ersten Medizinstudenten starten, werden von Jahr zu Jahr mehr angehende Mediziner im Rahmen ihres Studiums auf den Stationen unterwegs sein. Am Ende werden es 1500 sein. Parallel wird das Thema Forschung und somit auch das Personal um bis zu 1000 Stellen ausgebaut. Patienten könnten profitieren, wenn neue Forschungsergebnisse schnell in der Praxis umgesetzt werden. Die Schwerpunkte sind Umweltmedizin und Medizininformatik. Bei der Umweltmedizin geht es zum Beispiel darum, wie der Klimawandel auf die Gesundheit wirkt. Die Medizininformatik befasst sich mit der Digitalisierung. Die III. Medizinische Klinik verglich vor kurzem in einem Versuch, ob ein Computer oder ein Arzt bei der Diagnose von Speiseröhrenkrebs aus Endoskopieaufnahmen besser ist. Ergebnis: der Computer. Er könnte Ärzten künftig Tipps bei der Entnahme von Gewebeproben geben. In Sachen Forschung gefordert sein werden künftig aber alle Disziplinen im Haus. Dies war bisher kein Kernthema am Augsburger Klinikum. Weil Uni-Kliniken grundsätzlich von Ärzten geleitet werden, rückt Ärztlicher Vorstand Prof. Michael Beyer ab 1. Januar zum Vorsitzenden des Vorstands auf. Der bisherige Chef Alexander Schmidtke, der fürs Wirtschaftliche zuständig ist, wird kaufmännischer Direktor. Schmidtke hat schon Mitte des Jahres angekündigt, im Herbst 2019 ans Krankenhaus nach Coburg in seine fränkische Heimat zu wechseln. Bis Mitte kommenden Jahres soll feststehen, wer dauerhaft Ärztlicher Direktor und somit Klinik-Chef wird. Die Suche des Wissenschaftsministeriums läuft noch. Das Haus darf auch als Uni-Klinik keine Defizite aus der Patientenversorgung erwirtschaften. Das ist Vorgabe des Freistaats. Der wirtschaftliche Druck bleibt also. In der Pflege gab es zuletzt eine Entlastung des Personals, auch im ärztlichen Dienst wurden Stellen aufgebaut, nachdem 2016 fünf Stellen gestrichen worden waren. Ein Zehn-Jahres-Plan, der weiteren Abbau in Aussicht stellte, wurde nicht weiterverfolgt. Stattdessen gab es einen leichten Stellenzuwachs. Allerdings, so ist aus der Belegschaft zu hören, seien diese Stellen in diversen Abteilungen seit Jahren nötig gewesen. Ab jetzt entscheidet der Freistaat, Stadt und Land müssen aber weiter zahlen. Es gibt noch gut 108 Millionen Euro Schulden für Investitionen aus der Vergangenheit. Stadt (zu 73 Prozent) und Kreis Augsburg (27 Prozent) werden den Betrag in den nächsten 15 Jahren abzahlen. Im Gegenzug zahlt der Freistaat etwa 100 Millionen jährlich für den Betrieb von Forschung und Lehre an Uni-Klinik und Medizin-Fakultät. OPs, Kinderkrankenhaus und Heli- kopterplattform sind erledigt. Doch fertig sind die Planer noch nicht. Der Freistaat, der das Klinikum zum symbolischen Preis von einem Euro übernimmt, hat sich ausbedungen, dass die bisherigen Träger sich an der Generalsanierung beteiligen. Das Land steckt etwa eine Milliarde Euro an Investitionen in die Uni-Klinik und den MedizinCampus.
Bei der Sanierung steht mit der Renovierung des vierflügeligen Bettenhochhauses der dickste Brocken noch bevor. 280 Millionen zuzüglich Baupreissteigerung wird die Sanierung des 35 Jahre alten Kolosses wohl kosten. Wie berichtet hatte es zwischenzeitlich Verwirrung gegeben, weil der Freistaat diesen Betrag für unrealistisch hielt und eine doppelt so hohe Summe schätzte. Dieser Kalkulation lag aber eine andere Sanierungstiefe zugrunde, nämlich dass das Hochhaus und dessen Sockel auf Rohbauniveau zurückgebaut und dann saniert werden, sodass am Ende ein Neubaustandard erreicht worden wäre. Nun einigte man sich wohl auf eine einfachere Sanierung, wie sie Stadt und Landkreis vorgehabt hätten, wenn sie das Klinikum behalten hätten. Sie hatten schon früh erklärt, nicht mehr zahlen zu können. Nun bleibt es bei den 65 Millionen Euro kommunalem Anteil, von denen noch 28 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren zu zahlen sind. Man stehe weiter in der Verantwortung für das Krankenhaus, so Stadt und Kreis, die betonen, dass die Kosten für Schuldentilgung und Sanierung für sie in jedem Fall angefallen wären, ob mit oder ohne Uni-Klinik. Eine Studie der IHK geht davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten bis zu 6000 neue Arbeitsplätze in und um die Uni-Klinik entstehen könnten. Gleichzeitig wird die Wohnungssituation zum Problem. Stadt und Landkreis machen sich Gedanken, wie Flächen rund ums Klinikum für Wohnbebauung für Mitarbeiter und Studenten genutzt werden könnten, wobei dies den Bedarf nicht decken wird.
Die Uni-Klinik wird für die Entwicklung der Region wichtige Impulse bringen: 1000 teils hoch qualifizierte krisensichere Arbeitsplätze an der Uni-Klinik kann der Wirtschaftsraum angesichts der zuletzt vernommenen Hiobsbotschaften von Ledvance und Fujitsu gut brauchen.
Doch in der Euphorie, in der sich die Kommunalpolitik seit eineinhalb Jahren befindet – also seitdem die Uni-Klinik-Werdung so gut wie sicher ist –, muss man realistisch bleiben. Die Uni-Klinik löst nicht alle Probleme. Sie trägt zwar einen entscheidenden Teil zur Lösung einiger Probleme bei, verschärft aber gleichzeitig andere, bereits bestehende.
Zunächst einmal muss man die Zahl der bis zu 6000 Arbeitsplätze, die im Zuge der Uni-Klinik entstehen könnten, einordnen. Sie entstammt einer Studie im Auftrag der IHK, die die wirtschaftlichen Folgen abschätzen wollte. Erstens handelt es sich bei den 6000 Arbeitsplätzen um den Maximalfall. Und zweitens wird es eher eine Frage von Jahrzehnten denn von Jahren sein, bis neue Stellen im vierstelligen Bereich entstehen.
Zum Glück, muss man fast sagen. Nicht, dass Augsburg keine qualifizierten Jobs brauchen könnte. Doch rasant entstehende Arbeitsplätze können nur durch Zuwanderung von außerhalb der Region besetzt werden. Diese Neubürger brauchen Wohnungen, die es momentan nicht gibt. Und überhaupt ist es bundesweit nicht so einfach, Fachkräfte im medizinischen Bereich zu bekommen (siehe Pflegemangel).
Bei allen volkswirtschaftlichen Überlegungen darf man nie vergessen, dass ein Krankenhaus vor allem zu Behandlung von Patienten da ist. Wenn Forschung und Lehre in den kommenden Jahren zum Aufgabenspektrum dazukommen, muss klar sein, dass die Patientenversorgung immer an erster Stelle zu stehen hat. Der vielleicht größte Brocken, der mit der Uni-KlinikWerdung an sich aber nichts zu tun hat, sind die noch ausstehenden Sanierungsabschnitte: Je einen Flügel des Betten-Hochhauses mit den Stationen außer Betrieb zu nehmen und zu sanieren, ohne dass es zu Problemen kommt, wird aus Sicht von Patienten und Personal vielleicht die erste Messlatte für die Uni-Klinik werden.