Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Quirl legte den Grundstein zum Erfolg
Unternehmen aus der Region Die Geschichte von Rose Plastic begann mit einem Haushaltsartikel. Heute ist die Firma Weltmarktführer. Dass das Unternehmen im Allgäu sitzt, hat mit einem legendären Auftritt von Chruschtschow zu tun
Hergensweiler Manchmal sind es kleine Dinge, die Großes bewirken. Hätte sich Ernst Rösler als Kind nicht über die Mehlklümpchen in der Soße seiner Mutter geärgert – wer weiß, wie alles gekommen wäre. So erfand er im Alter von 15 Jahren seinen „Wunderquirl“und legte damit den Grundstein für Rose Plastic. 65 Jahre später ist das Allgäuer Unternehmen Weltmarktführer bei Kunststoff-Verpackungen für die Werkzeugindustrie, wächst Jahr um Jahr und baut gerade einen neuen Geschäftsbereich aus. Er soll die Firma unabhängiger machen vom Auf und Ab der Weltkonjunktur.
Rupolz, eine kleine Ortschaft am Rand von Hergensweiler. Hier, zehn Kilometer von der Bodenseestadt Lindau entfernt, liegt der Firmensitz von Rose Plastic. 400 der weltweit gut 800 Mitarbeiter arbeiten in der 2000-Seelen-Gemeinde. Das Unternehmen mit der roten Rose im Logo ist größter Arbeitgeber am Ort.
Verpackungen von Rose Plastic gibt es in allen möglichen Formen und Varianten: Hülsen, Boxen, Kassetten, Koffer und Transportsysteme. Mehr als 4000 verschiedene Artikel hat das Unternehmen im Angebot. Die für die Produktion nötigen Werkzeuge stellt Rose Plastic selbst her. Hauptkunden sind Unternehmen der Werkzeugbranche: Firmen, die beispielsweise Bohrer oder Fräsen herstellen. Aber auch Verpackungen für Puzzles, Farbstifte, oder diverse Dinge aus dem Baumarkt liefert das Allgäuer Unternehmen.
Das Geschäft brummt. 110 Millionen Euro Umsatz macht die AG heuer. Und er soll weiter steigen. Der Verpackungsspezialist peilt ein Umsatzwachstum von sieben bis zehn Prozent im Jahr an, und zwar dauerhaft. „Wachstum, nur um groß zu werden, brauchen wir nicht. Es muss nachhaltig sein“, beschreibt Geschäftsführer Thiemo Rösler, ein Enkel des Firmengründers, die Unternehmensphilosophie.
Seit vielen Jahren treibt das Familienunternehmen die Internationalisierung voran. Ziel war es nicht, billiger zu produzieren, sondern sich neue Märkte zu erschließen. Mittlerweile hat das Unternehmen zehn Standorte weltweit, unter anderem in den USA, China, Brasilien und Indien. Das Herz schlägt allerdings nach wie vor im westlichen Allgäu. „Der Standort Hergensweiler wird immer unsere Unterneh- menszentrale bleiben. Hier sind wir verwurzelt“, sagt Peter Rösler.
Der 73-Jährige hat das Unternehmen 30 Jahre lang in zweiter Generation geleitet. Heute ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates. Ganz aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat sich der langjährige Vizepräsident der schwäbischen Industrieund Handelskammer aber noch nicht: Der Tüftler, Werkzeugmacher, Ingenieur und Unternehmer kümmert sich mit um die Entwicklung neuer Produkte der „Rose“, wie er das Unternehmen gerne liebevoll nennt.
Seit fünf Jahren verantwortet sein Sohn Thiemo das Tagesgeschäft. Wie sein Vater ist auch er in den Betrieb hineingewachsen. In den Ferien hat er in der Firma gearbeitet, nach der Schule dann Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Kunststofftechnik studiert. „Jemanden mit 40 Jahren Erfahrung an der Seite zu haben, ist Gold wert“, sagt Thiemo Rösler mit Blick auf seinen Vater Peter.
Kreativität zeichnet Rose Plastic seit den Anfängen aus. Gründer Ernst Rösler steckte den „Wunderquirl“mit seiner Frau in der Küche der Familie zusammen und verkauf- te ihn anschließend auf Märkten und Messen. Aus Bettlaken habe seine Mutter Kochmütze und Kittel geschneidert und mit seinem Vater „Verkaufsgespräche eingeübt“, erinnert sich Peter Rösler. Er half damals als Achtjähriger mit, den Quirl „einzutüten“.
Die Mühe zahlte sich aus: 1953 gründete Ernst Rösler die Firma Rose Plastic in Berlin. Damals produzierte das Familienunternehmen noch alles aus Kunststoff, was Umsatz brachte. Haushaltsartikel, Industrieprodukte, Wählscheiben fürs Telefon. Erst viel später begann das Unternehmen, sich auf die Produktion von Verpackungen zu konzentrieren. Weil ein Werkzeughersteller so etwas für einen Bohrer suchte, machte sich Peter Rösler Mitte der 1970er Jahre daran, das Passende zu entwickeln. Weitere Aufträge folgten. Die Rose blühte auf.
Möglicherweise wäre das Unternehmen noch heute in der Hauptstadt beheimatet, hätte es 1960 nicht den legendären Auftritt von Nikita Chruschtschow in der UN-Vollversammlung gegeben. Der damalige Kremlchef zog einen Schuh aus und hämmerte ihn auf den Tisch. Die Drohgebärde hinterließ Eindruck
bei Ernst Rösler. Berlin erschien ihm als Firmenstandort auf Dauer zu unsicher. Er suchte sich einen Standort nahe der neutralen Schweiz. Erst Lindau, dann Hergensweiler wurden der Firmensitz. „Hier fühlen wir uns gut aufgehoben“, sagt Peter Rösler.
Das Unternehmen ist seit zehn Jahren eine Aktiengesellschaft. Die Anteile liegen aber alle in Familienhand. Die Unabhängigkeit ist den Röslers sehr wichtig. Sie soll auch in Zukunft den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg von Rose Plastic garantieren. Nur einmal in seiner Geschichte hat das Unternehmen rote Zahlen geschrieben. Grund war die Finanzkrise 2008. In deren Folge ging die Weltkonjunktur in die Knie, die Industrie benötigte weniger Werkzeuge und damit weniger Verpackungen. Bei Rose Plastic brach der Umsatz ein.
Das hat die Röslers nachhaltig geprägt. Sie sahen sich nach einem anderen Geschäftsbereich um, der nicht so konjunkturabhängig ist. Fündig wurden sie in der Medizintechnik. Seit fünf Jahren gibt es die „Rose Plastic Medical Packaging“. Die Konzerntochter verpackt Produkte aus dem Bereich Healthcare und Medizintechnik – Bohrer, Inlays, Kronen, Brücken oder Prothesen. Die Anforderungen sind in diesem Bereich besonders hoch. Gefordert ist eine Sterilbarriere, die acht Jahre halten muss. So lange darf nichts in die Verpackungen eindringen, oder von drinnen nach draußen kommen. Produziert wird in einem Reinraum.
Immer wieder erhält Rose Plastic Auszeichnungen für besonders gelungene Verpackungslösungen. Noch wichtiger sind in den Augen von Peter Rösler aber die Beschäftigten. „Mitarbeiter sind das Erste. Du kannst in der Familie viele schöne Ideen haben. Wenn du niemanden hast, der sie umsetzt, hilft dir das nichts“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende. Schon in den 1980er Jahren hat das Allgäuer Unternehmen ein Bonussystem und Gruppenarbeit eingeführt. Die Firma lässt den Mitarbeitern Freiheiten, überträgt ihnen aber auch Verantwortung. Bis heute macht Rose Plastic damit gute Erfahrungen.
Ziel sei es, den Mitarbeitern einen attraktiven Arbeitsplatz anzubieten, sagt Thiemo Rösler. Dazu gehören
Seit 20 Jahren gibt es ein Fitnessstudio
auch Dinge, die nicht mit der Arbeit direkt zu tun haben. Schon vor zwei Jahrzehnten hat das Unternehmen ein Fitnessstudio eingerichtet. Das hatten sich viele Beschäftigte bei einer Mitarbeiterbefragung gewünscht. Heute stellt Rose Plastic zusätzlich einen ausgebildeten Personal Trainer. An zwei Tagen arbeitet er in der Produktion, an drei Tagen ist er für seine Arbeit im Studio freigestellt. Gezielter Muskelaufbau, Rückenschule, Gewichtsabnahme sind ein paar Themen, die er zusammen mit den Mitarbeitern angeht.
Versteht sich fast von selbst, dass so ein Unternehmen auch eine Kantine hat – samt Dachterrasse mit Bergblick. Ein eigener Koch bereitet jeden Tag drei Gerichte frisch zu, eins davon ist immer vegetarisch. „Schmackhaft und gesund“soll das Essen sein, sagt Peter Rösler.
Ein Produkt aus den Anfangszeiten des Unternehmens stellt Rose Plastic im Übrigen immer noch her: den Gemüsehobel „Bruno“. Mehrere Container davon verkauft das Unternehmen jedes Jahr nach Fernost. Peter Rösler hat „Bruno“einst entwickelt. Design, Verpackung, Beipackzettel – alles ist noch so, wie vor 50 Jahren. Für Peter Rösler ist das ein Stück Liebhaberei und Erinnerung an das, womit die Rose einst begonnen hat. Ein kleines Ding, das Großes bewegt hat.