Augsburger Allgemeine (Land West)
Klassenkampf in Luzern
Tatort: Friss oder stirb
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr Das Ermittlerduo Reto Flückiger und Liz Ritschard hat sich schon oft auf schweizerisch-schwerfällige Art durch den „Tatort“gequält. Aber bevor Ende 2019 Schluss ist mit den Kommissaren aus Luzern, dürfen sie zur Überraschung der Zuschauer noch einmal zeigen, dass sie spannungsmäßig in die Vollen gehen können. Mit dem Mord an einer Wirtschaftsprofessorin beginnt eine Kidnapperstory, die zunächst klischeehaft daherkommt: Deutscher dringt bewaffnet in die luxuriöse Villa des reichen Unternehmers Anton Seematter (Roland Koch) ein und nimmt ihn, dessen Frau und Tochter als Geiseln. Dass der Arbeitslose betriebsbedingt gekündigt wurde, ist Auslöser für den Krimi „Friss oder stirb“, eine spannende Geschichte vor gesellschaftspolitischem Hintergrund.
Ein Hauch von Klassenkampf lässt sich nicht leugnen: Die Welt arroganter Superreicher prallt auf einen wegrationalisierten und chancenlos ausgelieferten Arbeitnehmer. Man kennt die Klischees. Aber auch der Geldadel hat seine Probleme. Seematters Ehefrau erweist sich als eiskalte Killerin, und die verkokste Tochter gibt Hirnverbranntes von sich („Es kann nicht jeder mit Privilegien geboren werden, sonst wären es ja keine mehr“). Zwischendrin der gekündigte Arbeiter, der nur das will, was ihm durch die Entlassung entgangen ist. Wie Seematter die dem Arbeitslosen zustehende Forderung um die Inflationsrate ergänzt, hat einen wunderbaren Zynismus. Ebenso das gemeinsam getrunkene Bier. Erstaunlich: Der in der Regel langweilige Stefan Gubser blüht in „Friss oder stirb“als Reto Flückiger regelrecht auf. Dass er und seine Kollegin Ritschard sich als Profis von Seematter übertölpeln lassen und ebenfalls als Geiseln festgehalten werden, vermag man indes nicht zu glauben. Da haben die Eidgenossen ein wenig geschlampt.
Noch zweimal dürfen die Luzerner ran. Dann schließt das Kommissariat, und ein neues Team ermittelt von Zürich aus. Bei der neuen Besetzung halten sich die Schweizer noch bedeckt. Rupert Huber