Augsburger Allgemeine (Land West)
Ausschreibungskampf auf der ganzen Linie
Verkehr Seit Dezember sind die AVV-Buslinien im Augsburger Land neu verteilt. Für einige Unternehmen endet damit eine Ära und die Reaktionen sind dementsprechend deutlich
Landkreis Augsburg Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet. Welches Busunternehmen übernimmt ab Dezember den AVV-Linienverkehr im Augsburger Land? Schließlich warten auf die neuen Betreiber pro Jahr rund zwei Millionen Kilometer, die im Fahrplan der drei Linienbündel Paartal, Zusam und Stauden zu fahren sind. Einige Unternehmen sind bereits seit 70 Jahren auf den Linien unterwegs, doch erstmals wurde nun die Ausschreibung im Landkreis europaweit vorgenommen. Und das Ergebnis sorgt für so manche Enttäuschung und auch ein Stück Wut.
Die Firma Kohler-Reisen aus Bieselbach (Gemeinde Horgau) hatte mit ganz spitzer Feder die Kalkulation für die Ausschreibung erstellt. Das Rennen aber machte Egenberger aus Thierhaupten. „Mir wäre am Ende lediglich ein Gewinn von rund 3000 Euro geblieben“, sagt Christian Kohler. „Im Jahr.“Noch günstiger zu fahren, sei nicht möglich. „Sonst würde bereits ein abgefahrener Spiegel die ganze Rechnung über den Haufen schmeißen.“Ihm blieb daher nur ein ganz bitterer Schritt übrig: „Ich habe Fahrer entlassen müssen, die teilweise schon bis zu 15 Jahre in meinem Unternehmen tätig waren.“
Ohne Linienverkehr müsse er neun Busse verkaufen und könne künftig nur noch Reise- und etwas Schulverkehr übernehmen. KohlerReisen sei durch den Verlust des Linienverkehrs „um zwei Drittel“geschrumpft. Für das Horgauer Unternehmen bedeutet die Neuverteilung das Ende einer Ära. „Nach 70 Jahren ist für uns Schluss mit dem Linienverkehr“, sagt Kohler. Er führt das Familienunternehmen in dritter Generation.
Empfindlich getroffen hat die Neuverteilung auch die Firma Ludwig Tours aus Zusmarshausen. Ludwig bleibt zwar künftig als Subunternehmer für den Ausschreibungssieger Egenberger im Bereich Zusam auf der Straße und konnte betriebsbedingte Kündigungen vermeiden – der Betrieb musste dennoch deutlich verkleinert werden, da er nur eine begrenzte Anzahl Busse für Egenberger im AVV fahren lassen darf. Zudem muss Ludwig einiges investieren: „Ich benötige neue Busse, um den AVV-Standard zu erreichen“, sagt er. Und der ist recht hoch. Dabei handle es sich um Hybridomnibusse, die alle die aktuelle Euro-6-Abgasnorm erfüllen. Alle Neufahrzeuge sind zudem vollniederflurig und damit barrierefrei, verfügen über große Fahrzielanzeigen, sind klimatisiert und mit WLAN ausgestattet. Zudem können in den neuen Bussen auch E-Scooter mitgenommen werden. „Damit sind die Zeiten von Reisebussen mit kleinem Pappschild in Windschutzscheibe Vergangenheit“, sagt AVV-Sprecherin Irene Goßner und verspricht, dass sich ab jetzt jeder darauf verlassen könne, dass die AVV-Regionalbusse leicht zugänglich sind.
Dieser hohe Standard ist laut AVV mit ein Grund, dass trotz europaweiter Ausschreibung keine ausländischen Anbieter zum Zug gekommen sind. „Aufgrund der Zuschnitte der Linienbündel sind diese für internationale Firmen uninteressant, da sich der Aufbau der geforderten Infrastruktur nicht lohnen würde“, erklärt Goßner. Beteiligen würden sich daher ausschließlich regionale Busunternehmer, die bereits im AVV fahren und auch die nötige Infrastruktur wie etwa einen Betriebshof im Verbundgebiet vorweisen können.
In Aichach-Friedberg allerdings hat den Linienverkehr das Unterder nehmen die Bahntochter DB Regio Bus übernommen – ohne Betriebshof. Stattdessen sind sie bei einem kleinen Unternehmen eingemietet.
Christian Kohler hat eine ganz andere Meinung: „Diese EU-Ausschreibung macht den gesamten Mittelstand kaputt“, sagt er. Das Unternehmen Hörmann-Reisen aus Rehling hatte vor zwei Jahren sogar gegen die europaweite Vergabe geklagt – und verloren. Ein weiterer Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden möchte, spricht gar von „einer Enteignung“durch den EU-Ausschreibungswettbewerb.
Eine Sorge aber haben AVV und Busunternehmen gemeinsam: Fahrermangel. „Unsere Vertragspartner berichten, dass die Rekrutierung von Fahrern immer schwieriger wird“, bestätigt Goßner. Mit ein Grund dürfte das niedrige Gehalt sein. Der Tarif des Landesverbands bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) findet auch beim AVV Anwendung. Demnach verdiente laut dem bis März 2017 gültigen Tarif ein neu eingestellter Busfahrer rund 1950 Euro pro Monat. Brutto. „Wir haben bereits öffentlich auf eine dringend nötige Reform des LBOTarifs auf moderne Anforderungen der Inhalte, aber auch der Höhe hingewiesen“, sagt Goßner. Die nächste Ausschreibung findet allerdings erst in acht Jahren statt. Und bis dahin werde sich wohl nichts ändern, sagen einige Unternehmer.