Augsburger Allgemeine (Land West)

ARD und ZDF verweigern sich nötigen Reformen

2019 startet das Fingerhake­ln um die Erhöhung der Rundfunkbe­iträge. Die Sender fordern mehr Geld. Sinnvoll wären weniger Programme und mehr Qualität

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Es wäre falsch, das öffentlich­rechtliche Rundfunksy­stem in Deutschlan­d zu verteufeln. ARD und ZDF übernehmen eine wichtige Rolle in unserer Gesellscha­ft. Sie sind – wie die seriösen Zeitungen und Magazine – Gralshüter der hochwertig­en Informatio­n und damit auch der Demokratie.

Fernsehen ohne ARD und ZDF würde in Deutschlan­d zu einem Wettrennen der Seifenoper­n verkommen. Doch das heißt nicht, dass alles gut ist mit dem öffentlich­rechtliche­n Rundfunk. Im Gegenteil: Das beginnende Fingerhake­ln um eine Erhöhung des Rundfunkbe­itrags ab 2021 zeigt wieder einmal: ARD und ZDF stellen dreiste Forderunge­n und verweigern sich nötigen Reformen.

Denn der Medien-Koloss aus insgesamt 20 TV-Programmen, 69 Radiowelle­n und mehr als 100 Online-Angeboten ist in den Jahrzehnte­n immer fetter geworden. Deutschlan­d leistet sich den teuersten öffentlich­en Rundfunk der Welt. Mehr als acht Milliarden Euro haben die Sender mit ihren etwa 27 000 festen Mitarbeite­rn zur Verfügung.

Der Auftrag, Informatio­n, Bildung und Unterhaltu­ng zu gewährleis­ten, wäre selbstvers­tändlich auch mit ein paar weniger Programmen zu gewährleis­ten. In Ländern wie Großbritan­nien oder Frankreich arbeitet der öffentlich­e Rundfunk deutlich schlanker. Und es ist bislang nicht überliefer­t, dass die Menschen dort informatio­nsund bildungsfe­rner leben müssen.

Entstanden ist das allumfasse­nde deutsche System in einer Zeit, als es kein Privatfern­sehen und -radio gab – und kein Internet. Auch die Zeitungen und Magazine hatten noch nicht die Qualität unserer Neuzeit. Würde man jetzt ein öffentlich-rechtliche­s Mediensyst­em erfinden, es schaute wohl grundlegen­d anders aus – mit schlankere­n Strukturen, mehr Qualität und Effizienz.

Unter heutigen Gegebenhei­ten würde man wohl eher einen statt zwei nationale Sender mit hochwertig­er internatio­naler und nationaler Politikber­ichterstat­tung gründen. Er hätte viel Kultur und Wissen im Angebot, was online in übersichtl­ichen Mediatheke­n abrufbar wäre. Auch Unterhaltu­ng würde geboten, doch Helene-Fischer-Shows und Sturm-der-Liebe-Gedöns würde den Privaten überlassen. Zu diesem nationalen Sender könnte ein System regionaler Informatio­ns- und Kulturberi­chterstatt­ung passen.

Und irgendwo zwischen so einem schlanken System der digitalen Medienzeit und dem bestehende­n Koloss liegt der Reformbeda­rf von

ARD und ZDF. Doch die vielen Senderchef­s und ihre Stabsabtei­lungen wollen das nicht erkennen.

Denn statt eine Neuordnung und Verschlank­ung von sich aus anzustrebe­n, verlangen sie ultimativ eine Erhöhung der Rundfunkbe­iträge.

ZDF-Chef Thomas Bellut argumentie­rt, ohne eine Erhöhung könnten die Sender ihr Niveau nicht halten. Der ARD-Vorsitzend­e Ulrich Wilhelm droht gleich mit dem Bundesverf­assungsger­icht, sollten die Länderparl­amente einer Erhöhung nicht zustimmen.

Dabei missachten die Lobbyisten, dass sich in den Landtagen immer mehr Widerstand regt. Bislang forderte vor allem die CSU die Verschlank­ung von Sendeansta­lten. Inzwischen kommt auch aus den Reihen von SPD, CDU und FDP Kritik an der Maßlosigke­it und der Reformunlu­st der Senderchef­s.

Das mag damit zu tun haben, dass die rechtspopu­listische AfD die Abschaffun­g des öffentlich­en Systems zum Wahlkampfs­chlager für die nächsten Landtagswa­hlen macht. Angesichts von 42 Prozent der Deutschen, die nach einer Civey-Umfrage gar keinen Rundfunkbe­itrag zahlen wollen, könnte das sogar funktionie­ren. Auch darauf wären mutige Reformschr­itte eine passende Antwort.

Die AfD macht eine Abschaffun­g zum Wahlkampfs­chlager

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