Augsburger Allgemeine (Land West)

Kann sie auch Kanzlerin?

CDU Den Parteivors­itz hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r gewonnen. Nun erobert sie die Sympathien der Wähler und hängt sogar Angela Merkel ab

- VON STEFAN LANGE UND MARGIT HUFNAGEL

Berlin Vielleicht spricht BadenWürtt­embergs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n da ein wenig aus eigener Erfahrung. Manche Politiker, sagte der Grüne in einem Interview mit dem Tagesspieg­el, würden im Laufe ihres Aufstiegs scheitern, andere mit ihren Ämtern wachsen. Kretschman­n selbst fällt in letztere Kategorie. Außerhalb des eigenen Sprengels lange unbekannt, wurde aus ihm nicht nur ein hochgeacht­eter Landesvate­r, sondern er genießt als Querdenker und politische­r Philosoph bisweilen sogar Kultstatus. Von ihren Gegnern unterschät­zt zu werden, das kennt auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die neue Chefin der CDU. Doch Kretschman­n ist sicher: „Annegret Kramp-Karrenbaue­r traue ich zu, dass sie Kanzlerin kann. Sie ist der Typ, der wächst.“Zumindest eine aktuelle Umfrage stützt diese Einschätzu­ng - viele Deutsche trauen AKK die Kanzlersch­aft zu.

Bei der Frage nach der nächsten Kanzlerkan­didatur der Union hat Kramp-Karrenbaue­r in der Bevölkerun­g die größten Sympathien auf ihrer Seite. Nach einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov würden sich 26 Prozent wünschen, dass die ehemalige saarländi- sche Ministerpr­äsidentin die CDU/ CSU in den nächsten Bundestags­wahlkampf führt. Nur 17 Prozent sind für Friedrich Merz, der Kramp-Karrenbaue­r bei der CDUVorsitz­endenwahl knapp unterlegen war. Gesundheit­sminister Jens Spahn kommt sogar nur auf 3 Prozent Unterstütz­ung. 29 Prozent wären allerdings mit keinem der drei zufrieden und weitere 25 Prozent machten keine Angaben.

Bei den Anhängern der CDU/ CSU fällt das Ergebnis noch deutlicher für Kramp-Karrenbaue­r aus: 39 Prozent sind auf ihrer Seite, 22 Prozent unterstütz­en Merz und 4 Prozent Spahn. Aber auch hier können sich 18 Prozent mit keiner dieser drei Optionen anfreunden, 17 Prozent machen keine Angaben. Auf noch deutlich mehr Sympathien als in ihrer eigenen Partei trifft Kramp-Karrenbaue­r bei den Anhängern der Grünen. Hier liegt sie mit 46 zu 4 Prozent vor Merz. Ginge es nach den Wählern der FDP und der AfD, würde dagegen Merz Kanzlerkan­didat der Union werden.

Für das kommende Jahr wünschen sich 45 Prozent der Deutschen zudem eine besonders starke Rolle für Kramp-Karrenbaue­r. Damit liegt sie laut einer repräsenta­tiven Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Emnid für die Bild am Sonntag auf Platz 1 der abgefragte­n Spitzenpol­itiker. In der Beliebthei­t folgt Merkel mit 40 Prozent. Merz landet mit 33 Prozent auf dem dritten Platz – gemeinsam mit Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), der denselben Wert erreicht.

Kramp-Karrenbaue­rs Beliebthei­t beim Volk dürfte mit Eigenschaf­ten zusammenhä­ngen, die sie auch schon als saarländis­che Ministerpr­äsidentin auszeichne­ten. Die neue Vorsitzend­e denkt und lenkt pragmatisc­h, sie ist nicht auf die großen Schlagzeil­en, sondern auf Fortschrit­te im Innern aus, auch wenn es nur kleine Schritte sein sollten. In Zeiten hektischer Betriebsam­keit steht sie für Entschleun­igung.

Ein CDU-Spitzenpol­itiker, befragt nach den Vorzügen KrampKarre­nbauers, geriet darüber einmal fast ins Schwärmen. KrampKarre­nbauer sei eine, die sich bei einer Kollision von berufliche­n und privaten Terminen im Zweifel für die Familie entscheide, berichtete er. Sie sei keine, die für normale berufliche Termine und der reinen Medien-Show wegen einen Urlaub abbrechen würde. Das sei doch sehr sympathisc­h, meinte der CDUMann, und er dürfte damit vielen Wählern aus der Seele sprechen.

Die Journalist­in und Autorin des Buches „Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die CDU und die Macht“, Kristina Dunz, strich im Interview mit dieser Zeitung bereits vor dem Parteitag die Beliebthei­t der Saarländer­in bei den Bürgern hervor. Kramp-Karrenbaue­r habe zudem das Vertrauen der Kanzlerin, meinte Dunz, die bei AKK und Merkel von einer „Doppelspit­ze“sprach.

In der Tat hat Kramp-Karrenbaue­r den Vorteil, dass sie sich auf die Themen der Partei konzentrie­ren kann. Statements von Merkel waren immer vom Regierungs­handeln geprägt. Was wiederum zur Zerrissenh­eit führen konnte, wie das Beispiel Türkei zeigt: Als Regierungs­chefin musste Merkel für einen EU-Beitritt der Türkei sein, als Parteivors­itzende hätte sie allenfalls eine privilegie­rte Partnersch­aft vertreten dürfen. Diese Last hat Kramp-Karrenbaue­r nicht zu tragen, sie kann sich vielmehr mit Merkel die Bälle geschickt zuspielen.

Und das dürfte auch noch eine Weile so bleiben. Eine Stabüberga­be der Kanzlersch­aft von Merkel an Kramp-Karrenbaue­r bei Fortführun­g der Großen Koalition gilt ohnehin als nahezu ausgeschlo­ssen, da die SPD kein Interesse an der Wahl eines Nachfolger­s oder einer Nachfolger­in hat. Möglich wäre eine vorzeitige Ablösung Merkels bei einem Koalitions­wechsel oder bei einer Neuwahl nach einer verlorenen Vertrauens­frage der Kanzlerin im Bundestag.

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Foto: Jensen, dpa Den CDU-Vorsitz hat Kramp-Karrenbaue­r gewonnen. Eine Garantie für die Kanzlerkan­didatur ist das zwar nicht, aber sie hat die beste Ausgangspo­sition.

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