Augsburger Allgemeine (Land West)
Optische Täuschung
München Von der Antike bis zur Zukunft
Sie ist definitiv keine optische Täuschung, die Warteschlange vor der Ausstellung. Die Dame am Ticketschalter beruhigt uns aber lachend: Heute sei’s gar nicht schlimm. Neulich standen die Kunstbegeisterten die Treppe hinunter durch die Eingangstür bis auf den Gehweg hinaus. Außerdem sei das oft durchaus unterhaltsam. Na dann – reihen wir uns ein in das lustvolle Warten. Es lohnt sich!
Die Ausstellung „Lust der Täuschung“ist seit ihrer Eröffnung im August ein Dauerbrenner in München. Sie ist ein Parcours durch die Geschichte der optischen Täuschungen, Illusionen und Fälschungen. Seit der Antike tricksen Künstler die menschliche Wahrnehmung aus und die rund 90 Exponate beweisen, dass es immer wieder gelingt. Seit über vier Jahrtausenden schon. Mit ganz unterschiedlichen Absichten nutzten die Künstler dazu die jeweils neuesten Techniken. Die Kirchenmaler etwa wollten Dinge glaubhaft machen oder religiöse Empfindungen übermitteln. Wie sich Optik und Täuschung technisch weiterentwickelt haben, zeigt der Stummfilm von Auguste und Louis Lumière von 1895: Weil der einfahrende Zug an einem Bahnsteig die Zuschauer so ängstigte, warfen sie sich damals zu Boden. Sie glaubten, der Zug fahre aus der Leinwand hinaus auf sie zu.
Beim Virtual-Reality-Erlebnis „Richie’s Plank Experience“spaziert man mit Brille bestückt über eine Holzplanke und schaut von einem Wolkenkratzer in die Tiefe. Wer die Planke verlässt, der fällt. Das zumindest meinen wir, obwohl wir festen Boden unter den Füßen spüren. Was die Ausstellung so unterhaltsam und abwechslungsreich macht: Jeder Raum wartet mit ganz unterschiedlichen Kunsterlebnissen auf – aus Malerei, Skulptur, Video, Architektur über Design und Mode bis hin zur interaktiven Virtual Reality. Von unbekannteren Künstlern bis hin zu Werken großer Meister wie Vincent van Gogh, Jean-Paul Gaultier und Andy Warhol.
Andrea Schneider