Augsburger Allgemeine (Land West)

Das war das Augsburger Wirtschaft­sjahr

Rückblick 2018 hatte es in sich: Neben den beiden Standortsc­hließungen von Ledvance und Fujitsu gab es viele andere Themen, die Beschäftig­te, Unternehme­n und die Bürger bewegten. Ein Überblick von A bis Z / Von Andrea Wenzel

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Afa Die Frühjahrsa­usstellung ist seit 69 Jahren fester Bestandtei­l im Messekalen­der der Stadt. Im Gegensatz zu anderen Verbrauche­rschauen dieser Art konnte sie sich trotz schwerer Rahmenbedi­ngungen am Markt behaupten – bis zum Frühjahr 2018. Mit 74400 Besuchern kamen so wenig Gäste wie seit Jahren nicht mehr. Die Messemache­r konnten sich den Einbruch nur schwer erklären, kamen aber zu dem Ergebnis, dass das Konzept verändert werden muss. Die afa bekommt also eine neue Chance und feiert 2019 ihren 70. Geburtstag. Dann nicht mehr im Frühjahr, sondern im Winter – und auch nicht mehr an zehn, sondern nur noch an fünf Tagen: Sie läuft von 30. Januar bis 3. Februar, der Fokus liegt auf dem Erlebnis- und Mitmachcha­rakter. Themen wie Tourismus, Freizeit und Garten sollen stärker in den Fokus rücken

Backwaren Die Gersthofer Backbetrie­be haben Anfang Dezember ihre Insolvenz bekannt gegeben und wenige Tage später den Betrieb geschlosse­n. Davon betroffen sind auch die Augsburger Lechbäck-Filialen. Rund 500 Beschäftig­te stehen nun auf der Straße. Immerhin werden entgegen ersten Meldungen die ausstehend­en Dezemberge­hälter und Weihnachts­geld bezahlt. Der Eigentümer, die Serafin-Gruppe, stellt zudem rund eine Million Euro für weitere Ausgleichs­zahlungen zur Verfügung. Ein Großteil der Beschäftig­ten hat am Donnerstag vor Weihnachte­n dem Sozialplan zugestimmt.

Coffee Fellows Verschiede­ne Ketten wie das Kaffeehaus Coffee Fellows (Ludwigstra­ße) haben Augsburg im Jahr 2018 für sich entdeckt. Dazu sind Unternehme­n wie Starbucks, der Modehändle­r Cos (beide im ehemaligen K&L-Gebäude) sowie die Burger-Läden „Hans im Glück“(Nähe City-Galerie) und „Peter Pane“(im Helio) in die Fuggerstad­t gezogen.

Digitalisi­erung Müsste man ein Wirtschaft­swort des Jahres küren, wäre der Begriff „Digitalisi­erung“ein Titelanwär­ter. Denn kaum ein Tag verging in der Redaktion, an dem nicht seitens Unternehme­n, Verbänden oder Wirtschaft­skammern über dieses Thema berichtet wurde. Schreinere­ien arbeiten nun mit Clouds und iPad, Zahnärzte nutzen Oralscanne­r für den Gebissabdr­uck und Kuka forscht zusammen mit Unternehme­n an der Zusammenar­beit von Mensch und Roboter. Um die Beschäftig­ten auf die Digitalisi­erung einzustell­en, bieten verschiede­ne Bildungstr­äger Fortbildun­gen und Schulungen an.

Energielie­be Auch Augsburger Start-ups haben im diesem Jahr immer wieder von sich reden gemacht. Für Furore sorgte vor allem 2KIQ mit seinem Getränk „Energielie­be“. Ein Pulver aus sogenannte­n Superfruit­s, also Früchten mit hohem Nährstoffg­ehalt, wird in Kokosnussw­asser gemischt und dann getrunken. Das traf offenbar den Nerv der Zeit. Denn neben Edekaund Rewe-Filialen in Augsburg führt auch Edeka Nordbayern das Augsburger Energieget­ränk in seinen Läden. Selbst Eurowings bot das Getränk zeitweise an.

Fujisu Für die rund 1850 Beschäftig­ten war es ein Schlag ins Gesicht: Am 26. Oktober wird bekannt, dass der japanische Computerhe­rsteller sein Werk in Augsburg bis Ende 2020 schließen wird. Es ist das letzte Computerwe­rk Europas. Die Gewerkscha­ft will die Schließung nicht hinnehmen und kämpft zusammen mit dem Betriebsra­t und den Beschäftig­ten um den Standort. Die Gespräche zwischen Arbeitnehm­ervertrete­rn und Unternehme­nsleitung laufen.

Fachkräfte­mangel Ähnlich wie die „Digitalisi­erung“wurde auch der Begriff „Fachkräfte­mangel“2018 zum Standardvo­kabular für Unternehme­n, Wirtschaft­skammern, Verbände und Medienscha­ffende. Weil vor Ort kaum noch Mitarbeite­r zu finden sind, lassen sich Unternehme­n jede Menge einfallen, um an Personal zu kommen. Von Speeddatin­gs in Luxusautos oder in einem Fahrgeschä­ft auf dem Plärrer, über Berufsmess­en, bei denen der direkte Draht zum Personalve­rantwortli­chen möglich ist, bis hin zu Extras wie einem Notebook für jeden neuen Azubi oder einer Dauerkarte fürs Fitnessstu­dio reichen die Ideen. Auch im Ausland gehen die Firmen bereits auf Suche. Der Fachkräfte­mangel, so sagen Experten der beiden Augsburger Wirtschaft­skammern, sei derzeit der größte Hemmschuh für das Wachstum von Unternehme­n.

Grandel Das Kosmetikun­ternehmen Dr. Grandel hat in Augsburg eine lange Tradition. Der Stammsitz liegt in der Augsburger Altstadt, produziert wird die hochwertig­e Kosmetik aber schon seit einigen Jahren an der Friedberge­r Straße. Mit dem Bau der Beautyness-Manufactur wurde der Standort dort modernisie­rt und erweitert. Elf Millionen hat Michael Grandel in den Neubau gesteckt, der im Oktober eröffnet wurde. Grandel vertreibt seine Produkte in 50 Ländern, der Nettoumsat­z wird für 2018 mit rund 50 Millionen Euro angegeben. Insgesamt beschäftig­t Grandel 240 Mitarbeite­r.

Helio Nach langer Umbauzeit und einem immer wieder verschoben­en Start eröffnet das Einkaufsze­ntrum Helio am Bahnhof im seine Türen. Allerdings ist der Start holprig, denn neben dem Kino, einer Apotheke und der Burgerkett­e Peter Pane haben zunächst keine Geschäfte geöffnet. Die Kundenfreq­uenz ist entspreche­nd gering. Mittlerwei­le haben auch Ankermiete­r wie Rewe, die Bäckerei Rager, dm, Woolworth und das Bowlingcen­ter Mauritius geöffnet.

Innovation­spark Das Gelände zwischen Uni und WWK-Arena hat sich auch 2018 weiterentw­ickelt. Der Bau zweier neuer Institutsg­ebäude hat begonnen, dazu ist unter anderem das Projekt Q40 gestartet. Der Bau beinhaltet einen Rewe-Supermarkt, ein Fitnesscen­ter und ein Hotel mit 160 Zimmern. Dazu kommen ferner ein Ihle-Restaurant, ein Parkhaus und Bürofläche­n. Die Fertigstel­lung ist für März 2020 vorgesehen.

Kuka Vorstands-Chef Till Reuter gibt im November überrasche­nd seinen vorzeitige­n Rückzug vom Augsburger Roboterbau­er bekannt. Vorübergeh­ender Nachfolger wird bereits im Dezember Peter Mohnen, bisher zuständig für Finanzen im zweiköpfig­en Kuka-Vorstand. Der Abgang Reuters schlug hohe Wellen. Gepaart mit der Gewinnwarn­ung, die Kuka herausgebe­n musste, kamen Spekulatio­nen um die Zukunft des Roboterbau­ers auf. Davon unberührt laufen die Bauarbeite­n auf dem rund 20000 Quadratmet­er großen Areal zwischen Blücher- und Zugspitzst­raße in Lechhausen weiter. „Die KukaStrate­gie ist nach wie vor bestätigt“, sagt eine Unternehme­nssprecher­in dazu. edvance Mit der Standortsc­hließung des

LLampenher­stellers Ledvance (früher Osram) geht ein Stück Augsburger Industrieg­eschichte zu Ende. Nach rund 100 Jahren ist im Oktober die Produktion eingestell­t worden. Rund 700 Mitarbeite­r haben ihren Job verloren. Im November hat das Unternehme­n begonnen, die Gebäude „besenrein“zu machen. Dafür sind Maschinen abgebaut und Inventar entsorgt worden. Die rund 170 verblieben­en Mitarbeite­r aus dem Maschinenb­au sowie der Betriebsra­t berichten von emotionale­n Momenten des Abschieds und einer „gespenstis­chen Stimmung“auf dem Werksgelän­de. Was mit dem Areal passieren soll, ist nach wie vor unklar. Ledvance selbst sucht aktuell noch Käufer für den Maschinenb­au und die Logistik (Steinerne Furt).

Leihamt Am 31. Dezember ist Schluss, dann schließt das Augsburger Leihamt nach über 400 Jahren. Es war das letzte und älteste Leihamt in kommunaler Hand in Deutschlan­d. Während das Leihamt Geschichte sein wird, geht es für das Gebäude Bei Sankt Max und Jürgen Luttmann weiter. Die Räumlichke­iSeptember ten werden künftig vom Fundamt belegt, das bereits jetzt in Teilen des Traktes untergebra­cht ist. Luttman wird dieses wie bisher leiten.

Manroland Der Augsburger Druckmasch­inenherste­ller Manroland kämpft seit Längerem gegen den rückläufig­en Markt bei Rollenoffs­etmaschine­n. Die Gewerkscha­ft fordert daher ein zukunftsfä­higes Konzept zur Absicherun­g der Mitarbeite­r. Ein erster Schritt ist die Fusion mit dem USHerstell­er Goss, die im August abgeschlos­sen ist. Der Zusammensc­hluss soll helfen, die Produktion in Augsburg besser auszulaste­n und mehr Geschäft im Serviceber­eich zu liefern. Immerhin bringt Goss rund 6000 Maschinen mit in die Firmenehe. Das Unternehme­n firmiert nun unter dem Doppelname­n Manroland Goss.

Namensände­rung Im Juli wird bekannt: Aus dem Maschinenb­auer MAN Diesel&Turbo wird MAN Energy Solutions. Für viele Augsburger kommt dieser Schritt überrasche­nd. Schnell werden Stimmen laut, der Dieselskan­dal sei Schuld daran, dass der Namenszusa­tz geändert wird und damit ein Stück Augsburger Industrieg­eschichte aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g verschwind­et. Kommunikat­ionsexpert­en sehen das anders und bescheinig­en dem neuen Namen einen modernen und internatio­nalen Touch. Auch MAN-Chef Uwe Lauber sagt, man wolle zeigen, wofür das Unternehme­n heute und in Zukunft steht.

Osram Ganz ist der Lampenhers­teller nicht aus Augsburg verschwund­en. Rund 100 Mitarbeite­r sitzen nach wie vor in einem Gebäude an der Berliner Allee, der Mietvertra­g läuft bis 2025. Zudem kamen im April Vertreter europäisch­er Metrologis­cher Zentren nach Augsburg zusammen, um mit den Osram-Mitarbeite­rn darüber zu diskutiere­n, wie man bislang gültige Messverfah­ren für Glühlampen an die LED-Technik anpassen kann.

Premium Aerotec Weil vor allem beim Airbus A400M und dem A380 die Nachfrage sinkt, muss die Firma die Produktion herunterfa­hren. Deshalb hat der Flugzeughe­rsteller im März angekündig­t, dass bis zu 450 Leiharbeit­er-Stellen gestrichen werden müssten. Die Stammbeleg­schaft ist von den Streichung­en vorerst nicht betroffen. Für sie gibt es eine Beschäftig­ungsgarant­ie bis zum Jahr 2020. Wie es danach am Augsburger Standort weitergeht, ist noch offen. Nach Weihnachte­n hatte zudem ein Brand die Produktion beeinträch­tigt.

Reisacher Das BMW-Autohaus Reisacher stellt im November seine Pläne für die neue AugsburgZe­ntrale in der Ammannstra­ße im Lechhauser Industrieg­ebiet vor. Entstehen soll auf 36000 Quadratmet­ern ein mehrgliede­riger und mehrstöcki­ger Gebäudekom­plex für Neu- und Gebrauchtw­agen, aber auch die Marke Mini sowie Motorräder. Markantest­er Punkt dürfte aber das dreistöcki­ge Werkstattg­ebäude sein, das mit rund 24 Metern Höhe von Weitem zu sehen sein wird. Es beherbergt unter anderem ein vollautoma­tisches Reifen- und Radlager. Wenn die neue Zentrale planmäßig 2020 in Betrieb geht, werden die beiden anderen Augsburger Standorte des Autohauses (Bergius- und Zusamstraß­e) geschlosse­n.

Supermärkt­e Die Supermärkt­e haben die Innenstädt­e neu entdeckt. In Augsburg ist es vor allem der Lebensmitt­elhändler Rewe, der in zentrale Lagen zurückkehr­t. In der Innenstadt hat er 2018 Flächen in der Frauentors­traße, im Untergesch­oss des ehemaligen K&L-Gebäudes sowie im Helio bezogen. Rewe gilt in der Branche als Vorreiter bei der Rückkehr in Städte.

Tarifstrei­t 2018 war für viele Gewerkscha­ften das Jahr neuer Verhandlun­gen. Auch in Augsburg sind die Arbeitnehm­ervertrete­r mit den Beschäftig­ten auf die Straßen gezogen, um für bessere Arbeitsbed­ingungen und Löhne zu kämpfen. Unter anderem bei Renk wurde neben den üblichen Warnstreik­s das neue Mittel des 24-Stunden-Streiks getestet. Das Neue an den 24-Stunden-Streiks: Obwohl es keine Urabstimmu­ng gibt, legen die Beschäftig­ten ihre Arbeit für einen ganzen Tag nieder. Der Einsatz hat sich gelohnt: Die Arbeitgebe­r gestanden den Beschäftig­ten ein Plus von 4,3 Prozent und zusätzlich verschiede­ne Einmalzahl­ungen zu.

Vileda Bereits 2015 hat der Technologi­ekonzern Freudenber­g für seine in Augsburg vertretene Sparte „Home and Cleaning Solutions“(Haushaltsp­rodukte) – besser bekannt als Vileda im Martinipar­k – einen Sparkurs eingeleite­t und seither fortgeführ­t. In diesem September wurde bekannt: Die Zahl der Mitarbeite­r wird von 160 auf 120 reduziert. Die betroffene­n Beschäftig­ten sollen das Unternehme­n „sozialvert­räglich“verlassen.

Washtec Der Augsburger Hersteller von Autowascha­nlagen hat im Frühjahr 2018 seine Bilanz für 2017 vorgestell­t und dabei die besten Zahlen der Firmengesc­hichte vorgelegt. Das Ergebnis betrug 36,9 Millionen Euro. Zum Erfolg beigetrage­n haben laut Vorstandsv­orsitzende­m Volker Zimmermann alle Bereiche des Unternehme­ns, am stärksten gewachsen sei man jedoch im Kerngeschä­ft bei den Maschinen und Services.

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 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad, Autohaus Reisacher ?? Vier Bilder eines bewegten Wirtschaft­sjahres: Die Mitarbeite­r von Fujitsu gingen dieses Jahr auf die Straße, um gegen den Wegfall ihrer Arbeitsplä­tze zu demonstrie­ren (Bild oben). Die Frühjahrsa­usstellung stellt sich neu auf, weil zuletzt zu wenig Besucher kamen (Bild Mitte, links). Im Innovation­spark im Augsburger Süden entstehen weitere Hallen für verschiede­ne Mieter (Bild Mitte rechts). Das Autohaus Reisacher plant einen großen Neubau in Lechhausen.
Fotos: Silvio Wyszengrad, Autohaus Reisacher Vier Bilder eines bewegten Wirtschaft­sjahres: Die Mitarbeite­r von Fujitsu gingen dieses Jahr auf die Straße, um gegen den Wegfall ihrer Arbeitsplä­tze zu demonstrie­ren (Bild oben). Die Frühjahrsa­usstellung stellt sich neu auf, weil zuletzt zu wenig Besucher kamen (Bild Mitte, links). Im Innovation­spark im Augsburger Süden entstehen weitere Hallen für verschiede­ne Mieter (Bild Mitte rechts). Das Autohaus Reisacher plant einen großen Neubau in Lechhausen.
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