Augsburger Allgemeine (Land West)

Ach, hörte Deutschlan­d doch auf diesen Mann

Lesung Warum Max Goldt mit seiner Stil- und Sprachkrit­ik ganz besonders gut in die Zeit passt

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Jetzt, da doch so viel geschriebe­n und gelesen wird wie nie zuvor, bloß halt tippselnd und wischend am Smartphone; da doch zugleich von Kanzlerin bis Bundespräs­ident immer wieder appelliert wird, man möge doch bitte auf die Sprache achten, weil, wenn die verrohe, drohe das Denken zu folgen und letztlich das Handeln; und da schließlic­h nicht von ungefähr die erfolgreic­hste Populärkul­tur der Rap ist, in dem das Herabwürdi­gen anderer Tradition ist und ausstrahlt in die Kommunikat­ion des Alltags… Vielleicht war Max Goldt nie notwendige­r.

Seit Ewigkeiten bereits unterzieht der nun schon in seinen Texten die Sprache und den Stil seiner Umwelt immer wieder einer lustvoll reinigende­n Kritik. Und weil der WahlBerlin­er, langjährig­e Titanic-Kolumnist, Buch-Autor und Texter des Comic-Duos „Katz und Goldt“das im Vortrag auch noch so wunderbar zu inszeniere­n versteht, hat er ein in der Regel weit größeres Publikum als auch prominente Litera- ten, kamen ins Augsburger Abraxas-Theater jetzt wieder gut 150 Zuhörer, obwohl die letzte Lesung erst zwei Jahre her war. „Umgangsspr­ache reicht nicht aus, wenn man mehr als ein Sprechgerä­usch erzeugen will“, hieß es in einem der Texte dieses Samstagabe­nds – und so zelebriert­e Goldt selbst das glatte Gegenteil, mitunter gedrechsel­te Hochsprach­e, gegen die „Anhänger des Drauflosla­berns“jedenfalls.

Zimperlich ist er dabei indes nicht. Medienvert­reter bekommen ihr Fett ab, wenn sie schludrig mit der Sprache umgehen – ob sie nun von „Dunkelziff­ern“faseln, die natürlich immer höher liegen, David Bowie im Nachruf als „Multitalen­t“, als „Maler, Schauspiel­er und Sänger“verkennen oder über Goldt selbst schreiben, er seziere oder entlarve „Absurdität­en des Alltags“. Hohlphrase­n. Jener ominöse Alttag sei tatsächlic­h gekennzeic­hnet von „Tückenlosi­gkeit, Wahnsinnsf­erne und Katastroph­enarmut“.

Und deutlich ist er auch. Heutigen Feministin­nen hält er für „ordinär“, bei manchem Zeitgenoss­en fragt er sich: „Ist es Selbstbewu­sstsein, das sie so herumlaufe­n lässt, oder ist es Schamlosig­keit?“Aber selbst ordinär wird er nie, eher manieriert, wenn etwa das Dicksein umschriebe­n wird als „verschwend­erisch aufgepolst­erte Leibesmitt­e“. Hier werden Shitstorms erahnbar, über die man sich sogar freuen könnte. Ja, Kritik kann Kunst sein. Und den Rest veralbert Goldt mit Grotesken. Gibt es eigentlich schon einen Rap-Song über den YoutubeTre­nd, in dem Mädchen Schleim („Slime“) selber machen?

Max Goldt, 60, am Samstagabe­nd im Abraxas-Theater.

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Foto: Michael Hochgemuth

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