Augsburger Allgemeine (Land West)
Ach, hörte Deutschland doch auf diesen Mann
Lesung Warum Max Goldt mit seiner Stil- und Sprachkritik ganz besonders gut in die Zeit passt
Jetzt, da doch so viel geschrieben und gelesen wird wie nie zuvor, bloß halt tippselnd und wischend am Smartphone; da doch zugleich von Kanzlerin bis Bundespräsident immer wieder appelliert wird, man möge doch bitte auf die Sprache achten, weil, wenn die verrohe, drohe das Denken zu folgen und letztlich das Handeln; und da schließlich nicht von ungefähr die erfolgreichste Populärkultur der Rap ist, in dem das Herabwürdigen anderer Tradition ist und ausstrahlt in die Kommunikation des Alltags… Vielleicht war Max Goldt nie notwendiger.
Seit Ewigkeiten bereits unterzieht der nun schon in seinen Texten die Sprache und den Stil seiner Umwelt immer wieder einer lustvoll reinigenden Kritik. Und weil der WahlBerliner, langjährige Titanic-Kolumnist, Buch-Autor und Texter des Comic-Duos „Katz und Goldt“das im Vortrag auch noch so wunderbar zu inszenieren versteht, hat er ein in der Regel weit größeres Publikum als auch prominente Litera- ten, kamen ins Augsburger Abraxas-Theater jetzt wieder gut 150 Zuhörer, obwohl die letzte Lesung erst zwei Jahre her war. „Umgangssprache reicht nicht aus, wenn man mehr als ein Sprechgeräusch erzeugen will“, hieß es in einem der Texte dieses Samstagabends – und so zelebrierte Goldt selbst das glatte Gegenteil, mitunter gedrechselte Hochsprache, gegen die „Anhänger des Draufloslaberns“jedenfalls.
Zimperlich ist er dabei indes nicht. Medienvertreter bekommen ihr Fett ab, wenn sie schludrig mit der Sprache umgehen – ob sie nun von „Dunkelziffern“faseln, die natürlich immer höher liegen, David Bowie im Nachruf als „Multitalent“, als „Maler, Schauspieler und Sänger“verkennen oder über Goldt selbst schreiben, er seziere oder entlarve „Absurditäten des Alltags“. Hohlphrasen. Jener ominöse Alttag sei tatsächlich gekennzeichnet von „Tückenlosigkeit, Wahnsinnsferne und Katastrophenarmut“.
Und deutlich ist er auch. Heutigen Feministinnen hält er für „ordinär“, bei manchem Zeitgenossen fragt er sich: „Ist es Selbstbewusstsein, das sie so herumlaufen lässt, oder ist es Schamlosigkeit?“Aber selbst ordinär wird er nie, eher manieriert, wenn etwa das Dicksein umschrieben wird als „verschwenderisch aufgepolsterte Leibesmitte“. Hier werden Shitstorms erahnbar, über die man sich sogar freuen könnte. Ja, Kritik kann Kunst sein. Und den Rest veralbert Goldt mit Grotesken. Gibt es eigentlich schon einen Rap-Song über den YoutubeTrend, in dem Mädchen Schleim („Slime“) selber machen?
Max Goldt, 60, am Samstagabend im Abraxas-Theater.